Ein Abend mit guten alten Schlagern, Showtreppe und Plateausohlen, bei dem auch das Publikum gerne einstimmt: „Reimanns Family“ im Rathaus-Theater
Es gibt Leute, die rümpfen die Nase oder ergreifen genervt die Flucht, wenn es um Schlager geht. Und wenn man diesen Begriff vor allen an Liedern von Michael Wendler oder Micky Krause misst, kann man das gut verstehen. Mit solch Discofox-Dudelei oder Saufsonetten hat die Schlager-Comedy „Reimanns Family“, die am Freitag eine umjubelte Uraufführung im Theater im Rathaus erlebte, nichts zu tun. Hier stehen überwiegend Melodien aus der „guten alten Zeit“ im Mittelpunkt, als Schlager mehr Pop war als Peinlichkeit. Und das launige Stück beweist: Sie machen auch heute noch Spaß.
Und dann: Ein Bett im Kornfeld
Wann ist eigentlich Schlager peinlich geworden? Vielleicht in den frühen 80ern, als teutonische Post-Punks unter dem Begriff „Neue Deutsche Welle“ sich mit schwarzen Rollis und dadaistischen Texten von der heilen Welt ihrer musikalischen und leiblichen Vätern abgrenzen wollten. Als Synthie-lastige Sounds Dieter Thomas Heck aus seiner eigenen Hitparade vertrieben. Doch ganz sind sie nie verschwunden, Songs wie „Schön, ist es auf der Welt zu sein“ oder „Eine neue Liebe ist wie ein neues Leben“. Das zeigen Maren Reimann und ihre drei Mitstreiter, wenn sie diese und andere Songs aus den 50er, 60er und 70er Jahren voller Inbrunst und mit viel Spaß singen. Spaß, der sich aufs Publikum überträgt: Der Saal klatscht und singt – spätestens bei „Ein Bett im Kornfeld“ – lauthals mit.
Aber aufs Singen beschränkt sich das Ensemble nicht. Zusammen mit Regisseurin Sina Selensky hat es eine Geschichte um die Songs herumgestrickt: Maren Reimann und Michelle Donner spielen zwei Mittdreißigerinnen, die über ihr Singledasein verzweifeln. Und so versuchen sie mit Blind- und Speed-Dates oder Inseraten, ihren „Mr. Right“ zu treffen. Da dies alles nicht fruchtet, flüchten sie sich in die Vergangenheit – oder ins Fernsehprogramm.
Natürlich ist diese Handlung nur dazu da, einen Rahmen um die Schlager zu stricken, die zudem mit Werbespot- und TV-Parodien gewürzt sind. Die beiden Damen und ihre männlichen Mitstreiter Christian Hamann und Sascha Huber meistern ihre Aufgabe mit Bravour. Auf einem Bühnenbild, das Revuen samt Showtreppe aus den 70ern nachempfunden zu sein scheint, plündern sie Szene für Szene den Kostümfundus, werfen sich in Polyesteranzüge und Plateausohlen oder bei „Café Oriental“ in Turban und Schleier. Dazu tanzen sie teils urkomische Choreographien, die Lorant Koncz mit dem Quartett einstudiert hat. Das Ergebnis: Anderthalb Stunden purer Theater-Spaß und dazu noch ein überraschendes Finale.