Essen. Alice Thormählen hat 200.000 Euro an die Essener Elterninitiative zur Unterstützung krebskranker Kinder gespendet. Damit ist ein weiteres Elternhaus so gut wie sichergestellt.
Es ist ein schlichter Satz unter einer Todesanzeige: „Statt einer Beisetzung im großen Kreis soll ein größerer Betrag für die Behandlung von Krebskranken zur Verfügung gestellt werden. Diesen Wunsch werde ich ihm erfüllen.“ So hat es Alice Thormählen in die Anzeige für ihren im Oktober 2012 verstorbenen Mann Hans Joachim geschrieben. Nun hat sie ihr Versprechen eingelöst: Der größere Betrag sind 200.000 Euro, die an die Essener Elterninitiative zur Unterstützung krebskranker Kinder e.V. gehen.
Für deren Vorsitzenden, Peter Hennig, ist es eine enorme Summe, die das jüngste Vorhaben des Vereins sicherstellt: Das Elternhaus an der Kaulbachstraße, in dem die Familien von krebskranken Kindern ein Zuhause auf Zeit finden, soll noch einmal vergrößert werden: „Und diese einzelne Spende deckt ein Fünftel der Umbaukosten ab. Dafür sind wir sehr dankbar.“
Essener Golfclub spendete für Elterninitiative
Als großzügig haben sie Alice Thormählen schon früher erlebt: Regelmäßig hat ihr Essener Golfclub für die Elterninitiative gespendet. „Wenn ich dort hin kam, um den Scheck in Empfang zu nehmen, hat Frau Thormählen oft noch einen Umschlag dazugelegt“, sagt Peter Heine vom Vorstand des Vereins.
In ihrer Heimatstadt Heiligenhaus ist die 84-Jährige längst bekannt: Mal unterstützt sie die Lebenshilfe, mal kauft sie der Caritas eine neue Küche; das Auto einer Behinderten-Organisation wurde zum Dank auf den Namen Alice getauft. „Schon mein Vater hat immer gern geholfen“, sagt sie. Schulen, Sozialverbänden – und Sportfliegern. „Einmal spendete er sechs Segelflugzeuge.“ Wer die alte Dame nicht vor sich sieht, mag solche Sätze für großspurig halten – dabei liegt Alice Thormählen Aufschneiderei fern. Ihr Bundesverdienstkreuz trägt sie nie, und wenn sie über die 200.000 Euro für die Elterninitiative spricht, klingt es nicht anders als wenn es um 200 Euro geht, die andernorts benötigt wurden: Sie kann es sich leisten, mit großen Summen zu hantieren – und kennt den Wert von kleinsten Beträgen.
Traum von Sprachstudium begraben
Vielleicht liegt das daran, dass sie als junge Frau den Traum vom Sprachenstudium begraben musste – um in der Buchhaltung der väterlichen Firma einzuspringen: „Ich bin da reingeschmissen worden.“ In eine Firma für mechanische Fernbetätigungen; ein technisches Arbeitsfeld, in dem Frauen in der 1950er Jahren Exotenstatus hatten. Wie sie sich dort behauptete, erst als Buchhalterin, später als Firmenchefin, ist eine eigene Geschichte. Doch so amüsant sie über Airbus, Agnelli und golfende Vorstände redet, schreiben darf man das nicht: „Ich erzähle das bloß, um Sie nicht zu langweilen.“
Sie kennt Langeweile nicht; hat von früh bis abends gearbeitet, genau wie ihr Mann, der mit in die Firma einstieg. Weil sie keinen Nachfolger fanden, haben sie das Unternehmen vor 20 Jahren verkauft. Das hat dem Ehepaar schöne Reisen ermöglicht – und wohltätiges Engagement. Sie feiere auch mal groß Geburtstag, aber statt Geschenken bitte sie die Gäste um Spenden. Genauso wenig habe sie Kränze für das Grab ihres Mann gewollt. „Nächstes Jahr hätten wir Goldene Hochzeit gehabt, nun ist es still im Haus.“
Familien brauchen Unterstützung anderer
Heute setzt sie allein fort, was sie gemeinsam mit ihm aufgebaut hat. Ihre Stiftung etwa, die 1 Million Dotationskapital hat. „Ich bin zwar nicht Krupp, aber damit kann man einiges machen.“ Ob es nicht auch Begehrlichkeiten bei den Verwandten gebe? Sie habe keine Kinder, und als Erbtante sehe sie sich nicht. „Mein Vater kam aus einem Haushalt mit elf Kindern und hat zwei Firmen gegründet. Also: Wer das kann, soll arbeiten, für sich sorgen.“ Die Familien krebskranker Kinder aber brauchten die Unterstützung anderer, darum gebe sie hier gern und hoffe, dass das Ansporn für weitere Spender sei. Bewunderung wolle sie nicht: „Ach was. Ich bewundere die Menschen, die ehrenamtlich arbeiten! Das kann ich nicht so.“
1983 mit Selbsthilfegruppe begonnen
Die Essener Elterninitiative zur Unterstützung krebskranker Kinder e.V. wurde 1983 gegründet. Sie begann als Selbsthilfegruppe, in der sich Familien austauschen konnten. Bald bot sie Eltern aus anderen Städten an, in der Nähe der Uniklinik zu übernachten, um ihre Kinder während der Behandlung begleiten zu können. Es begann 1986 mit einer Mietwohnung und führte 1992 zum Elternhaus an der Kaulbachstraße 10, das schon 1993 gut 4600 Übernachtungen zählte. 2002 kam die Hausnummer 8 hinzu.
Die Elterninitiative bietet auch Gesprächskreise und Vorträge an, sie hat das Spielzimmer auf der Kinderkrebsstation mitfinanziert und medizinisches Gerät gestiftet. Im Zentrum steht aber das Elternhaus, das nun noch einmal vergrößert wird. In den vergangenen 30 Jahren haben hier zahllose Familien – viele aus dem Ausland – ein Zuhause auf Zeit gefunden. Für den Betrieb des Hauses sind inzwischen einige professionelle Kräfte angestellt, ansonsten setzt die Elterninitiative bis heute auf ehrenamtliche Arbeit.
Wer mit einer Spende helfen will: Essener Elterninitiative zur Unterstützung krebskranker Kinder e.V., Kto-Nr. 19 55 111, BLZ 360 501 05.
„Alice und Hans Joachim Thormählen-Stiftung“
Alice Thormählen, die das nun neu entstehende Elternhaus mit 200.000 Euro unterstützt hat, engagiert sich auch mit ihrer „Alice und Hans Joachim Thormählen-Stiftung“, die sie mit ihrem (im Oktober 2012 verstorbenen) Mann gegründet hatte. Diese Stiftung ist vor allem im Bereich Bildung, Kultur und Sport aktiv und unterstützt hier junge Menschen sowie Vereine, die in der Jugendarbeit aktiv sind.