Essen. . Zu Jahresbeginn sinken die Spenden der Supermärkte und Discounter, während die Zahl der bedürftigen Senioren stetig wächst. Der Vorstand der Essener Tafel fürchtet: „Die Menschen, die am allernötigsten Hilfe bräuchten, erreichen uns gar nicht“.

Bei der Tafel ist vieles reiner Zufall, was weniger die Organisation als vielmehr die Spenden betrifft, da es keine festen gibt: weder Lebensmittel noch Geld. Zur täglichen Überraschung gehören die Mengen Obst, Wurst und Gemüse, die die Fahrer etwa bei Supermärkten abholen. Und immer zu Jahresbeginn ist offen, ob die Tafel die benötigten 120.000 Euro erhalten wird, um Miete, Müll, Strom und Sprit für das laufende Jahr zahlen zu können. Immerhin gab es Jahre wie 2011, als die Tafel Firmen anschrieb, weil das Konto ins Minus rutschte.

"Spendenfluss hat sich normalisiert"

Dass sie so offensiv auf Spender zugehen, sei eine absolute Ausnahme, sagt Tafel-Vorstand Jörg Sartor. Und: „2012 hat sich der Spendenfluss normalisiert.“ Ein Tagesgeschäft bleibt es weiterhin, zu dem beispielsweise Spenden wie die 3000 Euro von den Mitarbeitern des St.-Josef-Krankenhauses in Kupferdreh gehören, die plötzlich auf Sartors Tisch liegen. Lebensmittel darf er nicht davon kaufen, das würde dem Tafel-Grundsatz widersperchen: „Wir wollen, dass Lebensmittel nicht umkommen“, formuliert Sartor. Da aber die Lebensmittelspenden der Supermärkte und Discounter nach Weihnachten sinken, ist die Tafel jetzt auf Spenden der Bürger angewiesen, die noch haltbare Lebensmittel an der Steeler Straße oder an einer der zwölf Verteilerstellen (unter www.essener-tafel.de) abgeben können. Nach Absprache holt die Tafel sie auch ab.

Mit Blick auf die Tafel-Ehrenamtlichen macht sich Sartor Gedanken, denn während ihnen lange Zeit Bergbau, Stahlindustrie oder Bundespost Männer um die 50 quasi zuspülten, gehen immer weniger in Frührente und suchen entsprechend auch keine Aufgabe. Schon heute sind zehn ihrer Mitstreiter älter als 70, der älteste 84: „Er schleppt auch noch“, sagt Sartor, der glaubt, dass die Tafel in Zukunft wird mehr bezahlte Kräfte einsetzen müssen. Offen bleibt die Frage, wie das finanziert werden soll.

45.000 Mahlzeiten im Monat

120 Mitstreiter sind es derzeit, die alle ehrenamtlich anpacken. Mit Hilfe der Tafel werden 45.000 Mahlzeiten im Monat zubereitet. 1800 Familien holen wöchentlich Lebensmittel ab, damit erreicht die Tafel bis zu 6000 Bedürftige. Neu kam 2012 die Verteilerstelle in Altenessen hinzu. Sie startete mit zehn Familien. „Wir haben schon drei Mal erhöht, auf nun 25“, sagt Sartor. Was auch wächst, ist der Anteil an Senioren, die etwa die Hälfte der Versorgten ausmachen. Was Sartor auch beobachtet: „Eine immense Zunahme an Menschen, die sich melden und verwirrt oder resigniert wirken“. Wie kürzlich eine Hochschwangere, die nicht weiter wusste. Oder eine vierfache Mutter, die sagt, dass sie seit zwei Tagen keine Lebensmittel mehr hat, den Weg zur Tafel aber nicht findet. Jörg Sartor glaubt: „Die Menschen, die am allernötigsten Hilfe brauchen, erreichen uns nicht.“