Essen. .

Die Stadt will nun doch einen Zaun ums Buchenwäldchen im Schönebecker Kamptal ziehen. Für knapp 100.000 Euro soll dazu eine angrenzende Ackerfläche aufgekauft und eingezäunt werden, bereits am 12. März soll die zuständige Bezirksvertretung IV die Pläne absegnen. Es gilt als sicher, dass die Rot-Rot-Grüne Mehrheit in Borbeck dem Vorschlag zustimmen wird.

Zuvor hatte sich Grün und Gruga bereits mit den Naturschutzverbänden auf folgendes Vorgehen verständigt: Der Erwerb der ans Kamptal angrenzenden Ackerfläche wird „umgehend eingeleitet und schnellstmöglich abgeschlossen“. Entlang der neuen Ackergrenze wird ein 1,50 Meter breiter Schotterweg angelegt und das Buchenwäldchen zum Weg hin eingefriedet, der Zaun dabei so weit nach Norden verlängert, dass er alle bisherigen Zugänge abriegelt.

Biotop ist gefährdet

Zeitgleich werden alle Trampelpfade im Wald beseitigt und Spaziergänger über Hinweisschilder zum Schotterweg an der neuen Ackergrenze geführt. „Sollten in der Folgezeit keine neuen Zugänge in den Buchenbestand oder den Nahbereich entstehen, wird auf eine vollständige Umzäunung verzichtet“, heißt es in der Vorlage für die Bezirksvertreter. Der Zaun würde dann nicht mit 35.000 Euro, sondern lediglich mit 23.000 Euro zu Buche schlagen. Allerdings: Sollte der Teilzaun nicht helfen und das Buchenwäldchen weiterhin von Besuchern nicht verschont bleiben, will Grün und Gruga den Zaun schließen – in Eigenregie und ohne neuerlichen Abstimmungsprozeß mit der Politik.

Ohne den Zaun, dies ist nach wie vor die Haltung der Fachleute im Umweltdezernat von Simone Raskob, sei der Buchenaltbestand verloren. Die schädigenden Einflüsse durch Biker, Hundehalter, Kinder oder Pfadfinder, das Feuermachen in den hohlen Bäumen gefährde das in Essen einzigartige Biotop, „das zwingend erhalten bleiben muss“. Ohne Zaun, diese Auffassung wird auch von der Fachgutachterin Kirsten Nieland vertreten, können die Bäume nicht geschützt werden. Die Stadt habe mehrfach versucht, die schädigenden Einflüsse zu minimieren, habe Biker-Rampen zurückgebaut, Schilder aufgestellt, Hecken gepflanzt, Sperren errichtet – nichts habe geholfen und damit den Besucherdruck von den Bäumen genommen.

Streit um Gerichtsurteile

Erstaunlich nur: Inzwischen sieht sich die Stadt keineswegs von der Verkehrssicherungspflicht im Kamptal befreit. Ein Urteil des Bundesgerichtshofs vom 2. Oktober 2012, das nach einem tragischen Unfall in einem Wald im Saarland den Eigentümer von der Haftung frei gesprochen hatte, sei auf die Situation im Kamptal nicht übertragbar. Zuvor allerdings hatte sich Grün und Gruga vehement auf genau diesen Fall in der Vorinstanz berufen, um die Einzäunung rechtlich zu begründen. Nur so seien die eigenen Mitarbeiter im Schadensfall vor einer Strafverfolgung zu schützen, lautete die Argumentation, unterfüttert mit dem Saarbrücker OLG-Urteil.

Diesen Meinungswandel kritisieren selbst Befürworter des Zaunes: „Es geht uns hier aber in erster Linie um den Naturschutz“, begründet beispielsweise Thorsten Drewes, Sprecher der Grünen in der BV IV, die rot-rot-grüne Zustimmung zum Vorschlag der Stadtverwaltung. „Wir hätten auch lieber eine andere Lösung gesehen, aber es ist leider so, dass es offensichtlich keine andere Möglichkeit gibt, das Buchenwäldchen zu schützen. Grün und Gruga hat viele Versuche unternommen und sie sind allesamt gescheitert.“

Für Schönebecks CDU-Chef Klaus Diekmann ist das Vorgehen von Grün und Gruga nahe am Skandal: „Erst zu betonen, unter anderem auf zwei Bürgerversammlungen, der Schutz der eigenen Mitarbeiter sei nur durch den Zaunbau gewährleistet, heute aber darauf zu verweisen, das Saarbrücker Urteil sei auf Essen nicht übertragbar – dazu fällt mir nichts mehr ein. Wenn wir jetzt anfangen, das Kamptal einzuzäunen, können wir bald den ganzen Essener Wald einfrieden.“ Diekmann will es nicht bei einer Abstimmung in der Bezirksvertretung belassen: „Wir werden in der Partei über weitere Schritte sprechen.“