Essen. Die Fantasie von Trickbetrügern ist oft ebenso groß wie ihre kriminelle Energie. Die Opfer sind meist ältere Menschen. Die Polizei Essen rät Senioren zu Misstrauen und befürchtet, dass derzeit besonders viele Nepper, Schlepper und Bauernfänger unterwegs sind.

Sie geben sich als Mitarbeiter der Stadtwerke, als Enkel, ehemalige Kollegen oder gar als Polizisten: Die Fantasie von Trickbetrügern ist oft ebenso groß wie ihre kriminelle Energie; und die Opfer sind meist ältere Menschen. „Wir haben diese Fälle täglich auf dem Tisch und hören ständig von neuen Tricks“, sagt Polizeisprecher Peter Elke. Dass es im Moment einen deutlichen Anstieg gebe, lasse sich zahlenmäßig schwer belegen, weil die Delikte je nach Vorgehen als Diebstahl, Betrug oder räuberischer Diebstahl in der Statistik auftauchen. „Unser Bauchgefühl ist aber, dass derzeit viele Trickdiebe unterwegs sind.“

Handfeste Hinweise liefert etwa der Polizeibericht der vergangenen Woche: Da gibt sich eine Frau als Mitarbeiterin einer Schneiderei aus, die eine Nachricht für eine Nachbarin hinterlassen will – und verschafft sich so Zugang zur Wohnung einer 86-Jährigen in Kupferdreh. Auch der Betrüger, der einen Tag später eine Altenesserin (75) bestiehlt, behauptet, er wolle jemanden benachrichtigen und benötige Stift und Papier. Zettel-Trick heißt die Masche, die so bekannt ist wie die Wasserwerker-Nummer, der am selben Tag eine 79 Jahre alte Dame in Stoppenberg aufsitzt. Bekannt oder nicht: Niemand müsse sich schämen, wenn er Opfer eines Betrügers werde, betont Peter Elke. „Die Täter wirken oft vertrauenswürdig, und ihre Geschichten erscheinen glaubhaft.“

Hohe Geldbeträge werden übergeben

Andere Täter überwältigen die Senioren: mal mit Drohungen und gar mit körperlicher Gewalt – mal mit erschütternden Geschichten. „Wenn alte Leute hören, ihr Enkel sitze in einer schlimmen Klemme, geben sie ihr letztes Hemd. Ganz gleich, ob sie eine Kaution stellen oder eine Blutkonserve finanzieren sollen“, sagt Peter Elke. Nach dem ersten Schock seien sie erleichtert, dass sie helfen können und händigen den skrupellosen Tätern oft hohe Beträge aus. „Das sind Schicksale, die uns sehr nahe gehen“, sagt Elke.

Die Polizei rät daher zu Misstrauen, wenn Fremde plötzlich von der angeblichen Notlage eines Verwandten berichten. Und: Wer keinen Besuch erwarte, der solle die Tür nicht öffnen und niemanden in die Wohnung lassen. Hat man sich doch überrumpeln lassen, solle man in jedem Fall die Polizei anrufen. „Wenn ein Wagen in der Nähe ist, können wir sofort die Suche nach dem Täter aufnehmen.“ Außerdem gewinnt die Polizei nur so Erkenntnisse, ob sich ein bestimmtes Vorgehen plötzlich häuft. Wie bei dem brutalen Dieb, der älteren Damen die Ohrringe abriss und im Februar binnen weniger Tage fünfmal zuschlug. Der 38-Jährige wurde mit erheblichem Aufwand gesucht – und dieser Tage gefasst.

Auch beim Seniorenbeirat der Stadt beobachtet man mit Sorge, wie viele alte Menschen Opfer von Betrügern oder Dieben werden. „Das passiert ja täglich und teils wie bei dem Ohrring-Dieb mit großer Brutalität“, sagt die Vorsitzende des Beirats, Ingeborg Schrader. Wie die Polizei setzt sie vor allem auf Aufklärung, so habe man man schon mal im Senioren-Kino kleine Vorfilme gezeigt, um vor Maschen wie den Enkel-Trick zu warnen. Daneben sei jeder zu Wachsamkeit aufgerufen, findet Ingeborg Schrader: „Wenn bei der 90-jährigen Nachbarin ein Unbekannter vor der Tür steht, sollte man mal genauer hinsehen.“

Das bestätigt Polizeisprecher Peter Elke: „Die alten Menschen selbst sind oft mit der Situation hoffnungslos überfordert.“ Und die Täter wenden zwar nur selten körperliche Gewalt an, sind aber skrupellos: „Das sind oft Drogensüchtige, die kaum soziale Bindungen haben und dringend ihren Konsum finanzieren müssen. Dazu kommen vermehrt Täter aus dem südosteuropäischen Raum, die heute in Essen unterwegs sind, morgen in Köln oder München.“