Essen.

Immer öfter werden Senioren in Essen Opfer von Kriminalität. Ein Trend, den die Polizei sei zwei Jahren feststellt: „An den Essener Zahlen ist nichts zu deuteln. Die Täter suchen sich leichte Beute.“ Die Polizei setzt auf Vorbeugung.

Senioren werden in Essen immer häufiger Opfer von Kriminalität, zunehmend auch von Gewalttaten. Diesen Trend beobachtet die Polizei seit etwa zwei Jahren. Der politische Umgang mit diesem Phänomen birgt ein Konfliktpotenzial, das erstmals im Herbst im Seniorenbeirat zu Tage trat. Zugespitzt: Senioren wollen von der Polizei mehr Schutz, die Polizei will von den Senioren Verhaltensänderungen.

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Die Diskussion um Senioren als Gewaltopfer hat in dieser Stadt am 17. August 2010 eine neue Fallhöhe bekommen. An diesem Tag starb im Krankenhaus eine 85-jährige Stoppenbergerin an den Folgen eines Sturzes bei einem Handtaschenraub. Die Täter, ermittelte die Polizei später, waren 13 und 15 Jahre alt. Weitere spektakuläre Raubüberfälle und eine Serie von Diebstählen mit dem „Wasserwerkertrick“ haben die Ängste von Senioren weiter geschürt.

„Viktimisierungs-Furcht-Paradoxon“

Solche Ängste seien viel größer als das tatsächliche Risiko, lehrten Kriminalitätsforscher über Jahrzehnte. Experten sprachen vom „Viktimisierungs-Furcht-Paradoxon“. Erst 2009 ergab eine Studie, „dass die Situation so einfach nicht ist“, schreibt Verfasser Prof. Thomas Görgen.

Auf der einen Seite registriert er etwa bei Trickdiebstählen und Betrug einen „steilen Anstieg“ des Risikos im höheren Alter. Auf der anderen Seite leben viele ältere Menschen keineswegs in ständiger Furcht vor Angriffen und Überfällen. Für die Polizei bedeutet diese Diagnose ein Umdenken in der Verbrechensvorbeugung. Görgen: Der Schwerpunkt sollte nämlich nicht mehr liegen „im Abbau mutmaßlich irrational großer Ängste“, sondern im Gegenteil in der Schaffung von Problembewusstsein.

Und das wird schwierig.

„An den Essener Zahlen ist nichts zu deuteln“, sagt Hauptkommissar Axel Beyer vom Kommissariat 31, der sich mit Straftaten gegen Senioren befasst. „Die Täter suchen sich leichte Beute. Es gibt Delikte, bei denen ältere Menschen häufiger Opfer werden.“ Dazu gehören Handtaschenraub, Diebstähle an der Wohnungstür, Delikte im Pflegebereich sowie Diebstahl und Betrug über das Telefon wie etwa beim „Enkeltrick“, bei dem sich Banden darauf spezialisieren, sich als vermeintliche Angehörige in Not auszugeben und so von Senioren Geld zu ergaunern. Mit Sorge beobachtet Beyer: „Trickdiebstähle münden immer öfter in Raubstraftaten“, wenn nämlich Senioren Widerstand leisten oder die Diebe sie im Wortsinn aus dem Weg räumen wollen.

Schwierige Aufgabe

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    Angesichts dieser Erkenntnisse steht die Polizei vor einer schwierigen Aufgabe. Sie muss Problembewusstsein schaffen, ohne Ängste zu schüren. „Furcht ist nie ein guter Ratgeber“, sagt Brigitte Niebuhr vom Kommissariat Vorbeugung. „Wir wollen Verhaltensänderungen bewirken.“

    Wie schwierig das sein kann, bekam ihr Kollege Jürgen Probst im Herbst im Seniorenbeirat zu spüren, als das Gremium den tödlichen Handtaschenraub im August in Stoppenberg diskutierte: Sein Vorschlag, zur Vermeidung von Überfällen die Handtasche einfach mal daheim zu lassen, stieß auf Reaktionen zwischen Irritierung und offener Empörung.

    Dabei sind solche einfachen Vorbeugungsmaßnahmen wirklich effektiv, sagt Brigitte Niebuhr und zählt auf: „Ich überlege, ob ich meine Handtasche wirklich brauche, wenn ich aus dem Haus gehe. Ich öffne die Tür nicht, ohne durch den Spion zu schauen. Ich gehe nicht allein zur Bank, wenn ich viel Geld abhole. Das hat nichts mit Angst zu tun, sondern mit Umsicht.“

    Kultur des Hinschauens

    Neben den Senioren hat die Polizei auch Nachbarn, Angehörige und Pflegekräfte im Auge. Von ihnen erhofft sich Brigitte Niebuhr eine „Kultur des Hinschauens: Wenn ich einen Fremden im Treppenhaus sehe, sollte ich ihn ansprechen. Allein damit könnten wir viele Diebe und Einbrecher abschrecken und vertreiben.“