Essen.. Das Viererbündniss aus CDU, Grüne, EBB und FDP will die Seniorenarbeit in Zukunft mit 600.000 fördern. Das verblüfft den Seniorenbeirat, der nun überlegt, wo die 600.000 Euro jährlich mehr für Essens Ältere am besten ankommen. Das Bild der “Generation Kaffeetrinken“ ist nicht mehr zeitgemäß.

Mit mehr Aktionen „in Pantoffelnähe“, wie sie jüngst Grünen-Ratsfrau Christine Müller-Hechfellner forderte, kann Ingeborg Schrader für ihre jung gebliebenen Senioren wenig anfangen. „Nur weil wir Senioren sind, bedeutet das nicht, dass wir nur noch in Pantoffeln vor die Tür gehen. Wir tragen auch High Heels und andere modische Schuhe“, versucht die Vorsitzende des Seniorenbeirats das Bild von Menschen ihrer Generation gerade zu rücken.

Mit rund 150.000 Essenern im Alter von mehr als 60 Jahren rechnet sie für Essen, darunter zwölf Prozent, die hilfe- oder pflegebedürftig sind. Die seien eben nur ein kleiner Teil. Daher kann sie dem Vorschlag des Viererbündnisses aus CDU, Grüne, EBB und FDP, das ihre Generation mit 600.000 Euro jährlich für verschiedene Projekte noch eigenständiger machen will, viel abgewinnen: „Das ist eine lobenswerte Sache, denn es ist wichtig, noch mehr zu tun, um die Beweglichkeit der Menschen zu erhalten.“

Zusätzliches Geld soll Anerkennung der Arbeit sein

Über mögliche Aktionen und Ideen für Senioren vor Ort will sich der Beirat nun verständigen – und Anregungen an den Stadtrat machen. Unter dem Motto: „Mehr Bewegung im Alltag: Willst Du mit mir gehen?“ führen schon heute Seniorenpaten Gruppen von älteren Mitbürgern durch ihren jeweiligen Stadtteil. Soziale Kontakte mit anderen Senioren knüpfen und die Vertrautheit mit dem eigenen Stadtteil zu erhalten – das steht im Fokus des Engagements des Projekts „Spazierengehen im Stadtteil“ als gemeinsame Aktion des Seniorenbeirats, des Amtes für Soziales und Wohnen sowie der Gesundheitskonferenz.

Schon heute würde es viele solcher vorbildlichen Angebote geben, doch leider zu wenig Geld, so Schrader. Auch Angebote wie das Seniorenkino in der Lichtburg erfreuen sich großer Beliebtheit. „Das Seniorenreferat leistet wirklich vorbildliche Arbeit“, sagt Schrader. Sie hofft, dass mit dem zusätzlichen Geld eine Anerkennungs- und Dankeschönkultur aufgebaut werden kann – etwa für die ehrenamtlichen Paten. Schrader: „Wir wollen ihnen etwas zurück geben können – auch, um sie zu binden.“

600.000 Euro bringen gute Ideen

Weil die Mittel bisher immer begrenzt waren, habe sich der Seniorenbeirat bisher nicht an weiteren Gedankenspielen beteiligt. „Doch ich bin mir sicher, wenn wir uns zusammensetzen und überlegen, was mit den 600.000 Euro getan werden kann, kommen wir auf viele gute Ideen.“ Es gäbe obendrein schon einige runde Tische für Seniorenarbeit in Altendorf, Stoppenberg oder im Südviertel, die – trotz knapper Mittel – agieren und die sicher auch Geld für ihr Tun gebrauchen könnten.

Ähnlich wie Schrader mag auch Wolf Ambauer, Geschäftsführer der Arbeiterwohlfahrt Essen (Awo), große Defizite in der lokalen Seniorenarbeit nicht erkennen – mit der Ausnahme, „dass die Zuschüsse zur offenen Seniorenarbeit in den vergangenen Jahren eher stagnierten bis rückläufig waren“.

Fitter als früher

Die Zeiten, in denen sich Senioren einzig zu Kaffee und Kuchen trafen, „sind lange vorbei“. Wer 65 oder 70 Jahre alt ist, sei heute viel selbstständiger als noch vor zehn oder zwanzig Jahren. Und genau weil es diesen Wandel gibt, möchte Ambauer nicht ausmachen, was in der Seniorenarbeit fehlt oder künftig nötig sein wird: „Es gibt heute einfach zu viele Interessenslagen und nicht einfach nur ‘die’ Seniorin und ‘den’ Senioren.“

Sicher ist er sich, dass mit 600.000 Euro nicht viel zu machen ist. „Wenn man den Menschen langfristig wirklich helfen will, muss der Pflegebegriff neu definiert werden. Dann dürfen wir in der Pflege nicht mehr nur nach Zeit berechnen, doch da braucht’s viel mehr als 600.000 Euro“, sagt der Sozialfachmann.