Essen. Viele Altendorfer ärgern sich über die Beschreibung als Problemstadtteil. Sie begreifen den Krupp-Park und den Niederfeldsee als Riesenchance für ihr Quartier und tun alles dafür, um diese zarten Pflänzchen zu pflegen

Ein Altendorf, das aus Dönerbuden, Drogenhandel und Trostlosigkeit besteht, war in der jüngsten Ausgabe der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (FAS, 6. Januar 2013) zu besichtigen. Ein Bild, das Johannes Hüttemann ärgert: Er spricht lieber von Krupp-Park, Niederfeldsee, vom neuen Radweg; und wo die Frankfurter Autorin den nackten Niedergang beschreibt, sieht er Zukunftsperspektiven.

Der 66-Jährige ist in Altendorf geboren und nie weggezogen – und er kämpft für seinen Stadtteil. In Wort und Tat. Als wir am Dienstag den FAS-Artikel aufgriffen, der die „gespaltene Stadt“ Essen tatsächlich recht holzschnittartig beschreibt, wurde Hüttemann aufmerksam. „In Altendorf herrscht die Angst – pah!“ Wenn er durch seinen Stadtteil gehe, habe er keine Angst, aber wenn er so etwas lese, „da steigt in mir die Wut hoch“. Also schrieb er eine Mail an unsere Redaktion und schilderte jetzt in einem Gespräch das andere Altendorf, das es viel zu selten in die Medien schaffe.

Das Altendorf, in dem sich 40 Ehrenamtliche zusammengetan haben, die Samstag für Samstag den neuen Krupp-Park reinigen. Gestartet hat Hüttemann die Initiative im vergangenen Mai gemeinsam mit Werner Pfeiffer, „weil wir, die Bürger von Altendorf, die Riesenchance haben, durch den Krupp-Park und den kommenden Niederfeldsee den Stadtteil zum Vorzeigeobjekt zu machen“. Der Park sei ein Geschenk an den Stadtteil, dessen man sich würdig erweisen müsse. Leider gebe es noch zu viele Menschen, die ihren Müll achtlos im Park liegen ließen, aber das könne man schließlich ändern.

Zu diesem Zweck fahren die Ehrenamtlichen nun eine Art Doppel-Strategie: heben den Müll auf und sprechen die Menschen an. „Ich geh’ auf die Bier trinkende Truppe mit dem ,Gleich Faust ins Gesicht’-Blick genauso freundlich zu wie auf die sechs türkischen Frauen auf der Picknick-Decke. Und allen erkläre ich, dass es nett wäre, wenn sie später ihren Abfall wieder beseitigen“, sagt Hüttemann. Darauf habe bisher jeder positiv reagiert, die vermeintlich schlagkräftige Truppe habe ihn auf eine Wurst eingeladen.

Dass sich immer genügend Helfer für die samstäglichen Einsätze im Park einfinden, stellt Hüttemann mit einem Anruf am Vorabend sicher. Aber da gibt es das Ehepaar, das selbst schon immer fragt: „Wann sind wir wieder dran?“, da gibt es den Rentner Werner Imhoff, der jedes Mal da war. Bewaffnet ist die Gruppe mit Besen und Tonnen, die sie auf Hackenporsches montiert haben. „Altendorfer Bürger engagieren sich“ steht auf den Tonnen.

Der Satz ist ein Bekenntnis, viel zu oft werde der Stadtteil mit Resignation in Verbindung gebracht. „Mit dem Park und dem See hat man uns ein Geschenk gemacht, aber man hat uns auch den Ball zugespielt“, sagt Hüttemann, der bald vom Wohnzimmerfenster auf den See blicken kann. Er freut sich auf den Ausblick, sagt aber auch: „Wir brauchen dann noch 20, 30 weitere Helfer, um dort für Sauberkeit zu sorgen.“ Außerdem hofft er auf mehr Mitstreiter mit Fahrrad, die ausschwärmen können in den ganzen Stadtteil, um dort Dreckecken zu entfernen. Sie haben ja auch schon die verblassten Symbole auf dem schönen neuen Radweg selbst nachgemalt, sie kümmern sich um geschlossene Abfalleimer, weil die Raben die offenen Behälter verwüsten.

Kein Problem ist ihnen zu klein, wenn es dem großen Anliegen dient, Altendorf nach vorn zu bringen. Sie sehen sehr wohl die hässlichen Ecken, aber sie sehen dazwischen die Chance; sie sehen die Dealer – aber sie erleben auch gute Nachbarschaft. „Man kann sich hier sehr wohlfühlen“, sagt Hüttemann. „Wenn man nicht gerade zu den Menschen gehört, bei denen um jeden Preis Bredeney auf dem Kuvert stehen muss – und wenn sie an der Alfredstraße wohnen.“