Zwei Seiten widmete die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung in ihrer jüngsten Ausgabe der Stadt Essen – was bei vielen Lesern hängenblieb, war ein verletzender Satz.

Unter dem Titel „Die gespaltene Stadt“ geht Autorin Bettina Weiguny dem vor Ort hinlänglich bekannten Phänomen nach, dass die A 40 sich wie eine soziale Grenzlinie durch Essen zieht. Dass der prekäre Norden und der wohlhabende Süden auseinanderdriften und die Bildungschancen hier schon von Geburt an höchst unterschiedlich verteilt seien. Weiguny behandelt das keineswegs als Essener Ausnahmeerscheinung, sondern betont, dass es solche unschönen Trends auch in Köln, Leipzig oder München gebe, dass auch dort die sozialen Mischgebiete immer weniger werden.

Nur sei die Segregation – die soziale Entmischung – in der Ruhrstadt besonders extrem. So schildert Weiguny anhand von zwei Essener Familien, was so auch auf andere Großstädte zukommen werde. Essen als Exempel, als schlechtes Beispiel? Kein Grund, beleidigt zu sein. Was an dem Artikel verärgert, ist allein, dass manches so sehr dem Klischee unterworfen wird. Da heißt es etwa: „Die Fußball-Knirpse im Norden spielen gegen andere Vereine im Norden, die im Süden gegen Teams der Nachbarviertel.“ Viele Eltern dürften froh sein, wenn sie nicht schon die Bambinis von Karnap bis Kettwig fahren müssen. Da erklärt die Mutter aus Altendorf, dass sie ihre kleinen Töchter von der Kita abhole, weil es ihr zu unsicher sei, die Kinder allein nach Hause gehen zu lassen. Das tun Eltern aus anderen Stadtteilen allerdings auch. Indes: Allein die Postleitzahl 45143 werte die Menschen des Stadtteils ab. In dem Artikel tragen „feine Damen“ Schottenrock, und der Baldeneysee wird zum reinen „Naherholungsidyll der Wohlhabenden, die hier Tennis spielen und segeln“.

Schließlich transportiert die Autorin nebenbei ein Bild vom geglückten Familienleben, das eher altbacken ist. Da verkündet die Mutter aus Werden: „Wir sind auf ein zweites Gehalt zum Glück nicht angewiesen.“ So kann sie also ihre Kinder optimal betreuen, während die Mutter aus Altendorf bald nach der Entbindung arbeiten musste, weil ihr Mann arbeitslos war. „Entweder Hartz IV - das wollten wir auf keinen Fall – oder sie geht arbeiten.“ (Offenbar fast genauso schlimm).

Ganz am Ende steht da dann dieser verletzende Satz: In Altendorf gebe es nicht einmal ein Gymnasium, „nur eine riesige Gesamtschule“ – und die sei so übel wie ihr Ruf. Lehrer und Schüler der Gesamtschule Bockmühle hat das getroffen, sie engagieren sich enorm für ihre Schüler, schauen, dass jeder den bestmöglichen Schulabschluss und eine Perspektive bekommt. Für sie ist der Satz eine Ohrfeige.

Und dass die Autorin Altendorf konsequent als Essener Norden bezeichnet, obwohl der Stadtteil westlich der Innenstadt liegt? Geschenkt!