Essen. Für Aufregung hat in der vergangenen Woche das Verhalten eines Straßenbahnfahrers gesorgt, der zwei Mädchen an einer Essener Haltestelle stehen ließ. In den Richtlinien der Evag heißt es, dass herannahende Kunden mitzunehmen sind. Aber: Dies zu beurteilen liegt “im Ermessensspielraum des Fahrers“.
„Sind Sie zufrieden mit uns? Dann empfehlen Sie uns weiter.“ So lautet ein Werbespruch der Evag. Was Frank Bergmann dieser Tage an einer Straßenbahnhaltestelle in Essen-Süd beobachtete, klingt nicht gerade wie ein Empfehlungsschreiben. Im Gegenteil.
Zwei etwa 13-jährige Mädchen versuchen an der Haltestelle der Linie 105 Höhe Bahnhof Süd eine Straßenbahn zu erreichen. Vergebens drücken sie den Knopf an der hinteren Tür. Als diese verschlossen bleibt, laufen sie zur nächsten Tür und drücken. Auch diese öffnet sich nicht. Schließlich gehen sie ganz nach vorne und geben dem Fahrer ein Zeichen, dass sie noch mitfahren wollen. „Was der Fahrer dann machte, war an Arroganz nicht mehr zu überbieten“, ereifert sich Frank Baumann. „Anstatt den beiden Mädchen die Türe zu öffnen, winkte er ihnen lächelnd zu.“
Etwa 15 Sekunden später sei die Bahn auf das entsprechende Ampelsignal hin losgefahren. „Die beiden Kinder durften frierend auf die nächste Bahn warten.“
Kundenfreundliche Dienstanweisung
So schildert Frank Bergmann seine Beobachtung vom Nachmittag des 12. Dezember, die in eine Beschwerde an die Evag und in eine E-Mail an die WAZ Mediengruppe mündete.
Damit konfrontiert, verweist Evag-Sprecher Olaf Frei auf die Dienstanweisung für Straßenbahnfahrer. Darin heißt es: „Herannahende Kunden, die sich unweit des Zuges befinden, sind mitzunehmen. Die Verriegelung der automatischen Türen darf erst dann erfolgen, wenn die Weiterfahrt möglich ist. Hat ein Fahrer die Türen verriegelt und ein Fahrgast wünscht die Mitfahrt, so ist, wenn die Verkehrslage es erlaubt, die Verriegelung nochmals aufzuheben.“
Die Dienstanweisung liest sich kundenfreundlich. Hat der Straßenbahnfahrer sich falsch verhalten, als er die Mädchen an der Haltestelle stehen ließ, wie es Frank Bergmann schildert?
Verkehrslage muss stimmen
Evag-Sprecher Olaf Frei verweist auf die entscheidende Textpassage der Dienstanweisung: „...wenn die Verkehrslage es erlaubt... .“ Dies zu beurteilen liege im Ermessensspielraum des Fahrers, betont Olaf Frei.
An der besagten Haltestelle der Linie 105 sei der Ermessensspielraum aufgrund der sehr kurzen „Grünphase“ gering. Springt die Ampel um, bleiben dem Fahrer zwölf Sekunden Zeit, um die Kreuzung hinter sich zu lassen. Verpasst er das Signal zur Weiterfahrt, muss er 92 Sekunden warten - und riskiere eine Verspätung, so Frei.
Ob der Fahrer den Mädchen tatsächlich lächelnd zuwinkte, vermag Frei nicht zu sagen. Vielleicht sei das nur ein Missverständnis gewesen.