Essen.. „Es ist nicht immer die wilde Prügelei“, sagt Nils Hoffmann, Sprecher der Evag in Essen. Aber auch er bestätigt, dass in Bussen und Bahnen „das Klima rauer geworden ist“. Nicht erst seit den brutalen Angriffen auf Fahrer der Vestischen in Recklinghausen und Marl. Die Evag hat reagiert und sieht sich gewappnet.
Die reinen Zahlen sprechen auch in Essen eine deutliche Sprache: 25 Übergriffe auf das Fahrpersonal in Bussen und Bahnen wurden der Leitstelle der Evag im vergangenen Jahr gemeldet. Im April etwa hatte sich in Essen ein Betrunkener mit einem Busfahrer angelegt. Fahrgäste bewiesen Zivilcourage, griffen ein und verhinderten Schlimmeres. In 62 Fällen randalierten Fahrgäste auf Touren des öffentlichen Nahverkehrs.
„Das Klima“, beklagt Evag-Sprecher Nils Hoffmann, „ist rauer geworden.“ Und das gilt nicht erst seit den brutalen Übergriffen auf Busfahrer der Vestischen in den letzten Tagen, wo auf einen Mitarbeiter geschossen worden und ein anderer geschlagen mit einem Messer bedroht worden ist. Die Evag aber sieht sich gegen zunehmende Bedrohungen des eigenen Personals gewappnet: „Es war früher alles etwas höflicher“, sagt Hoffmann, „aber mittlerweile ist es so, dass wir als Unternehmen gesagt haben: Wir müssen reagieren.“
„Das ist der Alltag“
„Es ist nicht immer die wilde Prügelei“, weiß Hoffmann, aber dass Fahrgäste sich daneben benehmen, dass banale Konflikte um das Wechselgeld entstehen, dass es dumme Sprüche gibt, dass das Personal angespuckt wird, „das ist der Alltag.“ Von dem die Belegschaft eher seelische als körperliche Probleme davonträgt. „Im Ergebnis eigentlich harmlos“, sagt Hoffmann, aber für die Mitarbeiter alles andere als folgenlos. Bei der Vermeidung von Konflikten setzt die Evag auf mehrere Bausteine.
Ein Schwerpunkt sind regelmäßige Deeskalations- und Selbstverteidigungstrainings für die Belegschaft. In den Nachtexpressen gibt es zudem personelle und mentale Unterstützung für das Fahrpersonal: In den Wochenendnächten sind drei Teams aus je drei Männern der „Mobilen Einsatzkräfte“ eines privaten Sicherheitsdienstes auf den NE-Buslinien unterwegs. Zwei Männer kontrollieren in den Bussen die Tickets, der dritte fährt in einem separaten Wagen dem Bus als stille und mobile Reserve hinterher.
Auf dem Weg zur Vollausstattung befindet sich die Evag mit der Ausstattung des Fuhrparks mit Kameras: Alle Busse und 85 Prozent der Straßenbahnen sind videoüberwacht. Damit werden im Zweifel auch die potentiellen Randalierer erreicht, die sich bislang „anonym wähnen konnten“, sagt Hoffmann. 36 Stunden lang speichert das Unternehmen die Aufnahmen. Dann werden sie gelöscht. Es sei denn, der Fahrer hat während eines Vorfalls einen roten Knopf gedrückt. In diesem Fall werden die Aufnahmen in einem Zeitraum von einer halben Stunde rund um das Auslösen für eine spätere Auswertung länger gespeichert. Dank der Kameras der Evag gelang es unter anderem, mehrere Schläger, die in einer Bahn der Linie 103 Fahrgäste attackiert hatten, zu überführen.
„Körperliche Übergriffe sind eher die Ausnahme“
In Sachen Video-Überwachung folgen Unternehmen wie die Vestische nach den zwei spektakulären Vorfällen dem Essener Vorbild: Ab sofort soll kein Bus des Nahverkehrsunternehmens aus dem nördlichen Ruhrgebiet ohne Kamera unterwegs sein, hatte ein Sprecher angekündigt. Die Evag hat mit der Kamera-Überwachung vor allem die Beschädigungen durch Vandalismus eingedämmt und den jährlichen Sachschaden von einst rund zwei Millionen Euro auf unter eine gedrückt. Dass sich brutale Attacken auf das Personal oder auch auf andere Fahrgäste auch mit Überwachungskameras letztlich nicht verhindern lassen, ist indes auch Hoffmann klar. Dennoch: „Körperliche Übergriffe sind eher die Ausnahme“, bilanziert der Sprecher, „Gott sei Dank.“