Essen. . Beim Schulessen liegt vieles im Argen. Die Stadt bittet Schulen und den städtischen Caterer an einen Tisch.
Im Kochbuch klingt es immer so einfach: Man nehme dies, man nehme das, noch eine Messerspitze Salz, und nach einer Dreiviertelstunde im Ofen steht – voilà – ein schmackhaftes Mahl auf dem Tisch. Nun gelingt leider nicht immer alles wie erhofft, das gilt in der Küche ebenso wie beim Aufbau bewährter Strukturen für das Schulessen. Da liegt noch einiges im Argen. Morgen trifft sich Schuldezernent Peter Renzel (CDU) mit Vertretern von Schulen und der städtischen Tochter RGE, die viele der hiesigen Bildungseinrichtungen mit Essen beliefert.
Kein Krisentreffen soll es sein, sondern eine Gelegenheit, „gemeinsam über Weiterentwicklungen nachzudenken“, so Renzel. „Es geht darum, nicht mehr übereinander zu reden, sondern miteinander.“ Fakt ist: Viele Schulen sind unglücklich mit der derzeitigen Situation. Nur wenige Kinder nehmen das Essensangebot überhaupt wahr. Die älteren Schüler hat man an den meisten Schulen als Mensagänger längst abgeschrieben, auch von den Jüngeren reihen sich nur wenige regelmäßig an der Essensausgabe ein – und das in Zeiten, in denen Schule immer mehr zum Aufenthaltsort wird, sei es durch die Verkürzung der Gymnasialzeit oder den Ganztag.
Luft nach oben
Beispiel Gertrud-Bäumer-Realschule in Altenessen: Dort hat man in den Klassen 5 und 6 rund 240 potenzielle Esser. „An schlechten Tagen bestellen 50 bis 60 Schüler das Essen, an guten Tagen etwa 100“, sagt Leiter Bernhard Aust. „Da ist noch Luft nach oben.“
Als Schule mit gebundenem Ganztag muss die Gertrud-Bäumer-Realschule ihr Essen von der RGE beziehen, so wie 20 weitere Schulen in Essen. Die Ursache für die mangelnde Nachfrage der Kinder und Jugendlichen sehen Schulvertreter und Eltern nicht zuletzt beim städtischen Caterer. Da ist die Rede von einem Angebot, das an der Zielgruppe vorbeigehe, von Gemüse, das schon kaputt gegart sei, wenn es endlich an der Schule ankomme, und von umständlichen Gutschein-Systemen, mit denen sich Kinder und Sekretariate herumschlagen müssten.
Die RGE hält dagegen und spielt den Ball zurück ins Feld von Eltern und Schülern. Man biete gesundes, ausgewogenes Essen, so Christian Poncin, bei der RGE zuständig für Gastronomie und Catering. Er verweist auf ein ISO-Zertifikat und die Anerkennung durch die Deutsche Gesellschaft für Ernährung. Freilich sei es schwierig, deren Vorgaben für ein anständiges Mittagessen und die Vorlieben der Schüler in Einklang zu bringen. „Am besten verkaufen sich Pizza und Gyros.“
Spürbarer Preisdruck
Nicht zuletzt geht es beim Thema Schulessen ums Geld. Anbieter verweisen auf den Preisdruck. Rainer Reichwein, der neben einem Restaurant einen Lieferservice betreibt und bis zu 900 Schüler versorgt, berechnet pro Essen 2,70 Euro. Die Personal- und Betriebskosten seien enorm, ganz abgesehen von den Investitionen, die er tätigen musste, um für seinen Betrieb die nötige EU-Zulassung zu bekommen. „Eigentlich müsste ich den Preis erhöhen.“ Trägt er das bei Schulen vor, verwiesen die auf Konkurrenz aus Duisburg, die nur 2,20 Euro nimmt. Wie viel soll da für gute Zutaten übrig bleiben?
Der Traum: Jedem Kind eine frische Küche
Was ist ein Schulessen wert – und wie viel darf es kosten? Gut einen Euro Wareneinsatz kalkuliert Rainer Reichwein. Das entspricht den Richtlinien der Deutschen Gesellschaft für Ernährung, an denen sich auch die RGE orientiert. Einzelne Ernährungswissenschaftler halten das nicht für ausreichend, doch mit teureren Zutaten und damit höheren Preisen könnten sie am Markt nicht bestehen, sagen die Catering-Firmen. Zudem wäre ein anderes Problem auch mit hochwertigeren Waren nicht gelöst: Selbst das beste Gemüse macht schlapp, wenn es Stunden in Wärmebehältern liegt, weil es durch die Stadt kutschiert werden oder in den Mensen auf die Ausgabe warten muss.
420 Schüler nutzen das Angebot
„Eigentlich sollte es an jeder Schule eine frische Küche geben“, sagt Elmar Prinz, Leiter des Maria-Wächtler-Gymnasiums und Sprecher der Essener Gymnasien, „das macht auch was anderes aus dem Schulleben“. In der Tat – sagen die Damen vom Mensaverein der Frida-Levy-Gesamtschule. Die Schule ist eine von wenigen, in denen vor Ort gekocht wird – dank einer Elterninitiative, die vor rund 15 Jahren den Verein aus der Taufe hob. War die Zahl der Esser an der Gesamtschule mit 20 oder 30 bis dato ebenfalls bescheiden, beköstigt man an den zwei Standorten in der Innenstadt heute täglich 420 Schüler. „Wir machen fast alles selbst und haben ganz kurze Standzeiten“, sagt Köchin Hannelore Kalinowski. Entscheidend für den Erfolg sei außerdem ein enger Bezug zu den Schülern. „Wir sind an der Front, kriegen die Resonanz gleich mit. Es ist wichtig, mit den Schülern in Kontakt zu bleiben, das hat ein Caterer nicht.“ Vergleichbar sind dagegen die Preise: 3,20 Euro kostet ein Essen, auch hier kalkuliert man mit einem Euro für Zutaten.
Weil die Selbstorganisation an der Frida-Levy-Gesamtschule funktioniert, hat die Stadt hier eine Ausnahme von der Regelung gemacht, wonach Schulen mit gebundenem Ganztag ihr Schulessen von der RGE beziehen müssen. Auf andere Schulen übertragen lässt sich das Modell freilich nicht ohne Weiteres. Das fängt schon mit der Küche an: War in der Frida-Levy-Gesamtschule schon bei der Gründung des Mensavereins eine Großküche vorhanden, ist an solche Investitionen für andere Schulen wegen der Haushaltslage heute kaum zu denken. Zudem sind hier Überzeugungstäter am Werk, sei es in der Küche, wo mit Kalinowski eine ehemalige Schülermutter und Mitbegründerin des Vereins das Zepter führt, oder im Büro. „Man muss kleine Brötchen backen und ganz viel Enthusiasmus mitbringen“, sagt Geschäftsführerin Birgit Cremerius. Entsprechend bescheiden fällt die Bezahlung aus.
Und: Ein Selbstläufer ist die Mensa auch an der Frida-Levy-Gesamtschule nicht. Selbst dort spürt man, dass die Essgewohnheiten sich wandeln, ist man in ständiger Konkurrenz zum Fast Food, kämpft mit dem knappen Budget. Daran ist bislang auch der große Wunsch gescheitert, eine Salattheke anzuschaffen. Denn Salat geht ganz gut, Gemüse dagegen nicht so. Manche Dinge ändern sich eben nie.
Zuschuss nur für benachteiligte Kinder
Ob sie eine Catering-Firma beauftragen und wenn ja, welche, ist den Schulen überlassen. Lediglich jene mit gebundenem Ganztag müssen bei der RGE ordern. Das sieht der vom Rat beschlossene „Leistungsaustausch“ innerhalb des Konzerns Stadt vor. Eine Ausnahme bildet die Frida-Levy-Gesamtschule.
Die Kosten fürs Essen tragen die Eltern. Bei 4700 Kindern zahlt die Stadt im Rahmen des Bildungs- und Teilhabepakets einen Zuschuss, für sie bleibt ein Eigenanteil von einem Euro. Ein Essen der RGE kostet – inklusive Ausgabe – 3,25 Euro.