Essen. Butterbrote im Bahnhof Borbeck: Auf dem Weg zum Unterricht holen sich Kinder dort seit einem Jahr ihr Frühstück ab. Die 42-jährige Tanja Essing hat das Projekt “Zuzüglich“ ins Leben gerufen, dank dem Schüler mit Pausenbroten versorgt werden. Viele säßen sonst ganz ohne Frühstück im Unterricht.

Es ist 6.45 Uhr, dunkel und klirrend kalt. Oben an den Gleisen warten einige auf die S-Bahn. Unten im Bahnhof Borbeck reicht Tanja Essing die erste Schnitte über den Schalter. Ein Junge nimmt ein Schinkenbrot und eines mit Käse entgegen. Für den Schulweg drückt ihm Tanja Essing noch ein paar Möhren in die Hand. Die 42-Jährige hat das Projekt „Zuzüglich“ ins Leben gerufen: Ein Ess-Bahnhof, an dem es Pausenbrote für Kinder gibt. „Kinderarmut ist ein Thema, auch wenn wir nicht gern darüber sprechen“, sagt die vierfache Mutter und Erzieherin.

Kamil kommt jetzt jeden Morgen. Der 19-Jährige erzählt kurz vom Wochenende, steckt die Schnitten mit Käse- und Schinken ein. Früher hat er sich nichts zum Essen für die Schule gemacht, sagt er. Manchmal habe er sich was gekauft, wenn das Geld dafür reichte. Auch die Schülerin, die gleich nach ihm am Schalter steht, hat „meistens nichts“ mitgenommen. Sie fragt, ob ihre Schwester schon da gewesen sei.

Mit dem Frühstück zur Gesamtschule Nord

Mit Brötchen samt Fleischwurst macht sie sich auf den Weg zur Gesamtschule Nord. Dorthin muss auch der Elfjährige, der zu Hause Wasser und Pfirsichtee eingepackt hat. Dazu kommen nun ein Brot und zwei helle Waffeln: „Meine Mutter ist manchmal krank und kann mir nichts machen“, sagt er, während Ilse Ermert neuen Teig ins Waffeleisen gießt. An vier Tagen in der Woche schmiert die 65-Jährige ab sechs Uhr Butterbrote, belegt sie mit Schinken und Gurken, verteilt Schokokuss-Brötchen und schneidet die Fleischwurst. Immer freitags backt sie Möhren-Muffins. Die ehemalige Grundschullehrerin hat ein Ehrenamt gesucht, bei dem im Bahnhof hat sie gleich gedacht: „Das kann ich leisten.“ Dass so viele Kinder sonst ohne Frühstück im Unterricht säßen, das habe sie nicht überrascht.

Den Raum im Bahnhof hat der Eigentümer ihnen zur Verfügung gestellt. Mit Spendengeldern haben sie ihn renoviert und die Küchenzeile eingebaut. 20 bis 30 Brötchen bekommen sie täglich von den benachbarten Bäckern. Brezel backen sie auf. Lebensmittel holt Tanja Essing donnerstags von der Tafel, von der sie monatlich auch 250 Euro erhalten. Davon kauft sie Butterbrottüten, Servietten oder Milch, wenn die fehlt.

35 Schüler nehmen sich morgens ein Butterbrot mit

Einmal in der Woche packen sie ein Frühstücks-Paket für die Dürerschule. Pausenbrote holen sich Kinder von der Förderschule Möllhoven, der Dionysius-Grundschule, der Geschwister-Scholl-Realschule, dem Mädchengymnasium Borbeck sowie den Gesamtschulen Nord und Bockmühle.

Nach einem Jahr kennen die Frauen etwa 100 Schüler. Sie schätzen, dass sich jeden Morgen etwa 35 ein Butterbrot mitnehmen, einige trinken einen heißen Kakao oder Tee. Die Erwachsenen erfahren vom Zoff zu Hause, Ärger mit den Lehrern oder schlechten Noten. Manchmal gibt es einen Tipp für die Jugendlichen, wie sie mit Streit umgehen können. Sie sprechen über Vokabeltests, Mathe oder Deutsch. „Manche Kinder sind überhaupt unterernährt, auch was die Zuwendung betrifft“, sagt Tanja Essing. Einige Mädchen und Jungen halte daher nichts daheim, und sie stehen im Sommer lange vor Schulbeginn an ihrem Schalter. Daher plant Tanja Essing, den kleinen Raum hinter der Küche zu entrümpeln, sobald Geld und Zeit reichen. Dort will sie einen Tisch aufstellen: „Wenn die Kinder schon hier sind, können wir uns auch gleich hinsetzen und frühstücken.“

An der Ausgabe gibt es auch Obst und Gemüse

Dass es an der Ausgabe auch Obst und Gemüse gibt, lobt eine Mutter. Für die Klasse ihrer Tochter hole sie manchmal Obst beim Bauern, denn für Kinder werde viel zu wenig getan. Allerdings könne es bei ihnen mit Hartz IV zur Monatsmitte auch mal knapp werden. Den netten Frauen hinter dem Schalter und den Spendern sei sie „unwahrscheinlich dankbar“ für das Schulbrot. „Wir nehmen nur so viel, wie es gerecht ist und nur das, was meine Tochter wirklich isst“, sagt sie und begleitet die Achtjährige zum Bus.

Am Schalter wartet schon der nächste. Der 14-jährige Förderschüler lebt bei seiner Schwester, das hat er ihnen mal erzählt. Von seinem Praktikum in einem Drogeriemarkt hat er auch berichtet. Alle seien so nett zu ihm gewesen, dass er später dort als Verkäufer arbeiten möchte. Bevor er an dem Morgen zur Schule geht, legt Ilse Ermert ihm noch ein zweites Stück Fleischwurst zum Brötchen.

Frühstück für alle!

. . . groß die Auswahl!
. . . groß die Auswahl! © WAZ
Michaela Kempf, Daniela Stegmann, Wulla Schachtmeister, Gaby Bollermann, Solweig Grikchat, Martina Bartosch, Gabriele Behringer haben fleißig geschmiert.
Michaela Kempf, Daniela Stegmann, Wulla Schachtmeister, Gaby Bollermann, Solweig Grikchat, Martina Bartosch, Gabriele Behringer haben fleißig geschmiert. © WAZ
Die Schüler der Castrop-Rauxeler Grundschule Am Busch bekommen jeden ersten Mittwoch im Monat ein Schulfrühstück.
Die Schüler der Castrop-Rauxeler Grundschule Am Busch bekommen jeden ersten Mittwoch im Monat ein Schulfrühstück. © WAZ
Die Schüler der Castrop-Rauxeler Grundschule Am Busch bekommen jeden ersten Mittwoch im Monat ein Schulfrühstück.
Die Schüler der Castrop-Rauxeler Grundschule Am Busch bekommen jeden ersten Mittwoch im Monat ein Schulfrühstück. © WAZ
Die Schüler der Castrop-Rauxeler Grundschule Am Busch bekommen jeden ersten Mittwoch im Monat ein Schulfrühstück.
Die Schüler der Castrop-Rauxeler Grundschule Am Busch bekommen jeden ersten Mittwoch im Monat ein Schulfrühstück. © WAZ
Die Schüler der Castrop-Rauxeler Grundschule Am Busch bekommen jeden ersten Mittwoch im Monat ein Schulfrühstück.
Die Schüler der Castrop-Rauxeler Grundschule Am Busch bekommen jeden ersten Mittwoch im Monat ein Schulfrühstück. © WAZ
Die Schüler der Castrop-Rauxeler Grundschule Am Busch bekommen jeden ersten Mittwoch im Monat ein Schulfrühstück.
Die Schüler der Castrop-Rauxeler Grundschule Am Busch bekommen jeden ersten Mittwoch im Monat ein Schulfrühstück. © WAZ
Die Schüler der Castrop-Rauxeler Grundschule Am Busch bekommen jeden ersten Mittwoch im Monat ein Schulfrühstück.
Die Schüler der Castrop-Rauxeler Grundschule Am Busch bekommen jeden ersten Mittwoch im Monat ein Schulfrühstück. © WAZ
Die Schüler der Castrop-Rauxeler Grundschule Am Busch bekommen jeden ersten Mittwoch im Monat ein Schulfrühstück.
Die Schüler der Castrop-Rauxeler Grundschule Am Busch bekommen jeden ersten Mittwoch im Monat ein Schulfrühstück. © WAZ
Die Schüler der Castrop-Rauxeler Grundschule Am Busch bekommen jeden ersten Mittwoch im Monat ein Schulfrühstück.
Die Schüler der Castrop-Rauxeler Grundschule Am Busch bekommen jeden ersten Mittwoch im Monat ein Schulfrühstück. © WAZ
Die Schüler der Castrop-Rauxeler Grundschule Am Busch bekommen jeden ersten Mittwoch im Monat ein Schulfrühstück.
Die Schüler der Castrop-Rauxeler Grundschule Am Busch bekommen jeden ersten Mittwoch im Monat ein Schulfrühstück. © WAZ
Schulleiterin Karin Blaton (links) ist mit der Essensausgabe zufrieden.
Schulleiterin Karin Blaton (links) ist mit der Essensausgabe zufrieden. © WAZ
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