Essen. . Ein Essener Gericht hat einen 62-Jährigen, der eine 70-Jährige sexuell genötigt haben soll, zu siebeneinhalb Monaten Haft mit Bewährung verurteilt. Weil die Frau durch eine Unterzuckerung wie gelähmt gewirkt haben könnte, habe der Mann die ablehnende Haltung der Frau nicht zwingend erkennen können.
Sieben Monate Haft mit Bewährung für den 62-Jährigen, der laut Anklage eine zuckerkranke 70-Jährige sexuell genötigt haben sollte. Die VI. Essener Strafkammer erkannte am Freitag auf fahrlässige Körperverletzung, weil der Angeklagte die ablehnende Haltung der Frau nicht erkannt habe.
Keinen Zweifel hatte das Gericht aber an der Schilderung der Rentnerin. Sie war am 26. Oktober 2011 gegen Mittag im Essener Stadtteil Rüttenscheid auf offener Straße von dem Bredeneyer angesprochen und zu ihrer Wohnung begleitet worden. Weil sie dort unterzuckerte, ließ sie ihn ein, nachdem er sie um ein Butterbrot gebeten hatte. Dort betatschte und befingerte er sie.
Staatsanwaltschaft forderte drei Jahre Haft
Staatsanwältin Sabine Vollmer hatte für die sexuellen Handlungen drei Jahre Haft gefordert, Verteidiger Günter Klose dagegen Freispruch. Sein Mandant hatte die Schilderung der Frau ins Reich der Fantasie verwiesen. Er habe der offenbar kranken Frau nur helfen wollen, zu sexuellen Handlungen sei es nicht gekommen.
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Das sah die Strafkammer anders. Die sexuellen Handlungen seien so erfolgt, wie die Frau vor Gericht ausgesagt habe. Daran bestehe kein Zweifel. Richterin Jutta Wendrich-Rosch verwies aber auf das Gutachten des rechtsmedizinischen Sachverständigen Andreas Freislederer. Er hatte erklärt, dass die Seniorin durch ihre Unterzuckerung wie gelähmt gewirkt haben könnte. Das hatte auch die Zeugin selbst bestätigt: „Ich konnte nichts sagen.“
Unterzuckerung war nicht erkennbar
Das Gericht geht deshalb davon aus, dass der Angeklagte die Situation völlig falsch eingeschätzt habe: „Die Unterzuckerung war für ihn nicht zu erkennen.“ Die Teilnahmslosigkeit der Frau bei den sexuellen Handlungen habe er nicht als Krankheit erkannt.
Als Indiz, dass der 62-Jährige sich keiner Schuld bewusst gewesen sei, wertet die Kammer auch sein Nachtatverhalten. So sei er noch in der Wohnung geblieben, obwohl der Pflegedienst und der Sohn der 70-Jährige kamen.