Essen. . Die Staatsanwältin wollte eine Verurteilung des Angeklagten. Doch das Amtsgericht Essen sah keinen Beweis für das angeklagte Busengrapschen des Wirtes.
Im Kernbereich war sie konstant, widersprach sich nicht. Weil die 16-Jährige Muslimin zum Randgeschehen aber bei der Polizei gelogen hatte, glaubte das Amtsgericht Essen ihr auch die sexuelle Belästigung durch einen irakischstämmigen Wirt nicht, der sie begrapscht haben sollte. Es sprach den 47 Jahre alten Familienvater vom Vorwurf der sexuellen Nötigung frei.
Staatsanwältin Maria Linten und Opfer-Anwältin Imke Schwerdtfeger hatten dagegen die Verurteilung des Mannes zu einem Jahr Haft mit Bewährung gefordert. Sie zeigten sich überzeugt, dass er die 16 Jahre alte Schülerin im Frühsommer nachts als letzten Gast seiner Wirtschaft im Essener Norden abgefangen hatte, als sie die Toilette verließ und zum Ausgang strebte. Er soll sie festgehalten und an Busen und Gesäß berührt haben. Erst auf ihr Schreien hin soll er die Rollladen hochgezogen und sie laufen gelassen haben.
Mutter getäuscht
Viel hatte die Tochter persischer Eltern auf sich genommen, als sie den Mann anzeigte. Die modern wirkende junge Frau war am Tag vor der Tat von zu Hause ausgebrochen, weil sie wieder einmal Streit mit ihrem älteren Bruder hatte, den sie als streng islamistisch bezeichnet und der ihr Vorschriften mache, wie sich anziehen solle. Ihrer Mutter spiegelte sie damals vor, bei einer Freundin zu übernachten. Tatsächlich zog sie mit drei libanesischstämmigen Brüdern los und verbrachte den Abend in der Wirtschaft des Angeklagten, wo es zu der Tat gekommen sein soll, als die Brüder die Gaststätte gerade verlassen hatten.
Am nächsten Tag bat sie das Jugendamt um Hilfe. Sie erzählte erst zwei Tage später von einer sexuellen Belästigung. Bei der Polizei log sie, dass sie bei einer Freundin übernachtet hätte, obwohl sie im Haus eines ihrer Freunde schlief. Im Prozess hatte sie sich mehrfach Kritik ausgesetzt gesehen, was eine 15-Jährige nachts in einer Kneipe zu suchen habe. Der Angeklagte erzählte, das Mädchen habe abwechselnd mit jedem Begleiter geknutscht und sei aufreizend angezogen gewesen.
Das Mädchen schlecht gemacht
„Unerträglich“ nannte Amtsrichter Stefan Groß im Urteil die Aussage des Angeklagten: „Seine Strategie zielte darauf ab, das Mädchen schlecht zu machen, sie als Flittchen darzustellen.“ Tatsächlich hätte die Beweisaufnahme gezeigt, dass die Behauptungen des Angeklagten nicht stimmten. Nicht einmal die von ihm gestellten Entlastungszeugen hätten das Mädchen in ein schlechtes Licht gerückt.
Verteidiger Mamet Acar hatte Widersprüche in der Aussage der 16-Jährigen genannt und Freispruch gefordert: „Ihr ist in keiner Weise zu glauben.“ Diesen pauschalen Schluss wollte das Gericht nicht ziehen. Im Ergebnis folgte es aber dem Anwalt. Da sie die einzige Zeugin sei, könne das Gericht auf sie allein keine Verurteilung stützen, weil eben auch sie in der Lage sei, zu lügen, sagte Groß. Fälschlich hätte sie auch behauptet, die Tür sei aufgeschlossen worden, obwohl dies nachweislich nicht möglich sei. Möglicherweise habe sie ihre schutzlose Situation aufgebauscht. Groß: „Dann können wir nicht ausschließen, dass sie auch den Rest aufgebauscht hat.“ Es sei einer der Prozesse, bei denen das Gericht das Gefühl habe, von allen Seiten belogen zu werden.
Harsch ging Groß den Angeklagten an, dem die Tat durchaus zuzutrauen sei: „Vielleicht haben Sie sich auch eine junge Muslimin ausgesucht, weil diese darüber eher schweigen wird.“ Einige Indizien sprächen dafür, „dass in dieser Nacht etwas war“, beendete Groß die Urteilsbegründung, „deshalb ist es ein Freispruch im Zweifel für den Angeklagten“.