Essen. „Was müssen wir uns sparen?“ Die Antwort, die bei der NRZ-Veranstaltung „Essen kontrovers“ gegeben wird ist ernüchterte: Verkneifen wir uns doch jede weitere Diskussion, es reden ja doch alle aneinander vorbei!
Von drinnen fällt der Blick auf die kreisenden Gondeln draußen vor der VHS-Tür: Strahlend bunte, flackernde Lichter locken flanierende Passanten zu Dutzenden auf den Burgplatz, denn die Rundfahrt bis in luftige Höhen verspricht an diesem trockenen Herbstabend schöne Aussichten von oben.
Drinnen in der Lernbar der Volkshochschule wird auch ein großes Rad gedreht – nur dass die Aussichten auf die Stadt hier spürbar schlechter ausfallen. Es ist Platz für Kapitalismuskritik und Durchhalteparolen, für verfluchte Banken-Rettungsschirme und heilige Kühe der Stadtpolitik. Glühende Verfechter des jüngsten Job-Sparpakets finden sich genauso wie beinharte Kritiker.
„Mit dem Sparen muss Schluss sein“
Und Patrik Köbele, der in diesen Tagen zum wiederholten Male mit einem Bürgerbegehren gegen den Kürzungskurs mobil macht, spricht aus, was offenbar viele denken: „Es ist genug gespart in dieser Stadt, es muss endlich mal Schluss sein.“ Denn wo man heute kurzsichtig streiche, müssten morgen doppelt und dreifach die sozialen Folgen aufgefangen werden.
Essen kontrovers
1/30
Viel Beifall gibt’s im gut besetzten Saal für solche kämpferischen Sprüche – und gar keinen für Stadtkämmerer Lars Martin Klieve, wie dieser später etwas enttäuscht bilanzieren wird: Klar sei der Sparkurs nicht gerade vergnügungssteuerpflichtig. Aber Klieve warnt davor, gleich den Untergang des Abendlandes zu beschwören und erinnert ans NRZ-Bürgerbarometer: Viele merkten überhaupt nichts vom Sparkurs.
Selber steuern, bevor die Stadt fremd gesteuert wird
Er will die nötigen Kürzungen selber steuern, bevor die Stadt von der Aufsicht gesteuert wird, „das würde viel grausamer“. Klieve stört nicht zuletzt die fehlende Zuversicht, um nicht zu sagen: die Weinerlichkeit bei manchen Politikern wie Bürgern mit Blick auf die Erfolgschancen des Sparkurses: „Man kann ja sagen: Ich habe Zweifel, dass ich das Ziel erreiche. Aber laufe ich deshalb gar nicht erst los?“
Hiltrud Schmutzler-Jäger von den Grünen will loslaufen, wenn auch nicht überall dorthin, wo die Stadtspitze sie mit ihrem Job-Sparpaket schickt: Weitere Kürzungen bei Bibliotheken etwa, so lässt sie durchblicken, sind mit Grünen nicht zu machen. Und dass der OB allein bestimmt, schon gar nicht: „Das können wir uns nicht gefallen lassen.“
Die ganze Zerrissenheit der Spardebatte vereint sich in der Person von Kai-Uwe Gaida, dem Personalratschef der Stadtverwaltung, der irgendwie für und gegen die Sparpläne ist, je nachdem, „welchen Hut“ er gerade auf hat – Bürger, Gewerkschafter, Personalrat. So viel Persönlichkeitsspaltung bringt Gaida („Ich könnte es auch auf die billige Tour machen und einfach auf den Tisch hauen...“) manche Kritik aus dem Publikum ein.
Keine Diskussion angesichts von drei Milliarden Euro Schulden
Das muss letztlich hinnehmen, dass in der Spardebatte die Rollen längst verteilt sind, echter Austausch von Meinungen findet kaum (mehr) statt. Und wer über drei Milliarden Euro Schulden hat wie die Stadt Essen, der kann über Bürgervorschläge zur Einnahmesteigerung – mehr Grugaeintritt, Tierheim-Hunde und Rollatoren verleihen – nur müde lächeln. Das Rad der Kommunalfinanzierung, es wird auch an diesem Abend nicht neu erfunden, und als alle um neun heim gehen, ist das eben noch leuchtende Riesenrad vor der Tür schwarz wie die Nacht. Feierabend. Nichts dreht sich mehr.
Sie haben vermutlich einen Ad-Blocker aktiviert. Aus diesem Grund können die Funktionen des Podcast-Players eingeschränkt sein. Bitte deaktivieren Sie den Ad-Blocker,
um den Podcast hören zu können.