Essen/Gelsenkirchen. . Beton, Kameras, hohe Mauern und mittendrin ein Fußballplatz. Das Awo-Fanprojekt aus Essen tratt zum sportlichen Duell gegen eine Fußballmannschaft der Justizvollzugsanstalt Gelsenkirchen an. Ein Spiel „hinter Gittern“ gegen die „Knackis“, für die Häftlinge eine willkommene Abwechslung.

Drüber! Und wie! Im neuen Stadion Essen wäre dieser Schuss wohl irgendwo in den obersten Reihen gelandet, hier fliegt er hinweg über Stacheldraht und Beton. „Gib mir mal den Schlüssel, ich hol den Ball eben“, ruft einer im blauen Trikot, das die Spieler der Justizvollzugsanstalt Gelsenkirchen tragen. Für den Spruch erntet er natürlich nicht den erhofften Gang in die Freiheit, aber immerhin Gelächter von allen Seiten. Ein Abbild eines entspannten Nachmittags, wie man ihn in einem Gefängnis nur selten erlebt. Das Awo-Fanprojekt aus Essen hat sich auf den kurzen Weg über die Stadtgrenze gemacht, um „hinter Gittern“ zum Duell mit den „Knackis“ anzutreten.

Abwechselung vom Gefängnis-Alltag

„Für die Insassen bedeuten solche Aktionen ein wenig Abwechslung vom Alltag“, erklärt Gefängnis-Leiter Carsten Hein. Ein bis zwei Mal im Jahr kommt dafür eine Mannschaft „von draußen“, wie es hier heißt. Mal sind es Mannschaften von Vereinen aus der Umgebung, mal soziale Einrichtungen wie das Fanprojekt. „Wir haben vor etlichen Jahren so etwas schon mal in der JVA Essen gemacht“, erinnert sich Roland Sauskat, Leiter des Fanprojekts. Damals habe man vor allem den gewaltbereiten Fans zeigen wollen, „wo Gewalt auch enden kann – nämlich hinter Eisengittern“, sagt Sauskat. 2012 hat sich diese Intention ein wenig geändert. Im Vordergrund steht der Spaß für die zusammengewürfelte Truppe. So spielen nicht nur Fans mit, sondern auch Mitarbeiter der Geschäftsstelle von Rot-Weiss Essen und Spieler der zweiten Mannschaft. „Wir haben aber auch einige ehemalige Hooligans und zwei Jungs aus einem Jugendheim dabei“, erklärt Sauskat. Für die erhofft er sich den gleichen Effekt wie beim ersten JVA-Besuch.

Und dann ist da natürlich noch der Sport, der den eigentlich Mittelpunkt dieses außergewöhnlichen Ausflugs bildet. Nachdem die Sicherheitsschleuse passiert und die Kluft in den Umkleideräumen der modernen Gefängnis-Sporthalle angelegt ist, geht es hinaus auf den Ascheplatz. Der liegt genau zwischen Männer- und Frauentrackt und bietet vielen Insassen die Möglichkeit, das Spiel zwischen den Gittern hindurch zu verfolgen – ein wenig Bundesliga-Atmosphäre weht durch die JVA, RWE-Gesänge und Anfeuerungsrufe begleiten die 22 Kicker auf dem roten Sportplatz.

Mulmiges Gefühl legte sich schnell

„Am Anfang war es ein mulmiges Gefühl, wenn man plötzlich von Mauern umgeben ist, aber als das Spiel einmal lief, war alles ganz normal, sogar richtig locker“, erzählt Fanprojekt-Spieler André. Angst, dass die Spieler der anderen Seite, teils aus dem Hochsicherheitstrakt und zu langen Haftstrafen verurteilt, gewalttätig werden könnten, habe man nie haben müssen. Das bestätigt Gefängnis-Leiter Hein: „Es ging bisher nie etwas schief. Wir achten bei der Teamzusammensetzung natürlich darauf, dass die Jungs gemeinschaftsfähig sind – und die Insassen haben selbst ein Interesse am reibungslosen Ablauf.“ Alles andere wäre schließlich das Ende der zusätzlichen Freiluft-Zeit, Turniere gegen andere Justizvollzugsanstalten im Land mit eingeschlossen.

So endet das Derby „Drinnen gegen Draußen“, Gelsenkirchen gegen Essen, nicht nur in freundschaftlicher Atmosphäre mit Trikot- und Gesprächsaustausch, sondern auch noch sportlich spannend: Nach 0 zu 4 Rückstand drehten die Essener das Spiel kurzerhand und siegten noch 5 zu 4. Aus Fansicht sicherlich ein Spiel mit Vorbildcharakter für die Rot-Weissen – sollte es irgendwann mal wieder zu einem Vergleich zwischen den Profiteams beider Städte kommen.