Essen. Essen.Statt sportlicher Praxis wird in Frohnhausen momentan Fußball-Theorie gepaukt. Es geht nicht um Angriff, Abwehr oder Pressing, sondern um Abseits, Platzmaße, gelbe und rote Karten. Der Kreis Nord-West veranstaltet seinen jährlichen Schiedsrichter-Anwärterlehrergang. Denn Nachwuchs wird dringend benötigt.
Von den Fußballplätzen draußen tönt das Geschrei der Spieler und das Klatschen des Balls bis hinauf in die Sporthalle an der Raumerstraße in Frohnhausen. Statt sportlicher Praxis wird heute Theorie gepaukt. Es geht nicht um Angriff, Abwehr oder Pressing, sondern um Abseits, Platzmaße, gelbe und rote Karten. Der Kreis Nord-West veranstaltet das erste Treffen seines jährlichen Schiedsrichter-Anwärterlehrergangs. Denn Nachwuchs wird dringend benötigt.
„Zurzeit haben wir etwa 250 Schiedsrichter, das ist eigentlich zu wenig“, erklärt Ron Andre Berger, Schiedsrichter-Obmann des Kreis es Nord-West, der für die Spielleitungen zwischen Altenessen und Altendorf verantwortlich ist. Jedes Wochenende sind das rund 160 Spiele von der D-Jugend (Jahrgang 2001) bis zur Landesliga. „Wir versuchen immer alle Spiele zu besetzen, teilweise müssen unsere Leute dann aber bis zu drei Spiele pro Wochenende leiten“, berichtet der zuständige „Schiedsrichter-Ansetzer“ Christian Sorgatz. Aus dem zweiten Essener Fußballkreis, dem Kreis Süd-Ost, wird ähnliches berichtet. „Unsere 220 Schiedsrichter reichen nicht aus, um alle Jugend- und Seniorenspiele abzudecken“, berichtet Obmann Christian Kloppenburg. Rund 100 Spiele sind es dort.
Anspruchsvoller Test
In Frohnhausen wird deshalb für den Nord-Osten frischer Zuwachs angelernt. Am ersten Abend sitzen rund 20 Essener im Raum und lassen sich von Achim Kindsgrab in die Regeln und Tücken der Schiedsrichterei einführen. Vier weitere Lehrabende über jeweils zwei Stunden folgen, in denen das komplette Regelwerk des beliebtesten deutschen Sports vermittelt wird, ehe es zur Prüfung kommt. „Die darf man nicht zu leicht nehmen, 25 von 30 Fragen müssen korrekt beantwortet werden“, gibt Kindsgrab seinen Schülern mit auf den Weg.
„Aus den letzten Lehrgängen konnten wir jeweils rund 15 neue Mitstreiter gewinnen“, sagt Berger. Mehr werden gebraucht. Doch Schiedsrichterei ist kein allzu beliebtes Hobby. „Pfeifst du gut, nimmt niemand Kenntnis, bei Fehlentscheidungen rückst du sofort ins Zielfeuer“, weiß Obmann Berger, der seit über 20 Jahren selbst mit Pfeife auf dem Platz steht. „In die Bundesliga schaffen es letztlich nur die Besten, das ist ein weiter Weg“, berichtet Kindsgrab der Gruppe direkt zu Beginn.
Auseinandersetzungen mit wütenden Eltern und Spielern
Ein weiter Weg? Prüfungen? Und anschließend dann noch der Buhmann sein? Was bewegt die überwiegend jungen Teilnehmer dazu, den ersten Schritt dennoch zu gehen? „In meiner Schulklasse spielen alle Fußball, ich möchte gerne die andere Seite kennen lernen“, sagt Marcel Venohr. Der Vogelheimer SV entsendet direkt zwei Nachwuchs-Kandidaten, sowohl Ziad Azis als auch Maurice Kirchner spielen für die B-Jugend und wollen „einfach mal was anderes erleben, das Spiel aus einer neuen Perspektive entdecken“. Sorgen um die Prüfung oder spätere Auseinandersetzungen mit wütenden Eltern und Spielern haben beide nicht.
„Ich spiele selbst seit elf Jahren Fußball, da bringe ich die nötige Autorität mit“, sagt der 16-Jährige Maurice. Sicheres Auftreten und das Bestehen der Prüfung sollen auch für David Monkam kein Problem sein. Der Bayern-Fan musste nach acht Jahren wegen einer Verletzung mit dem Spielen aufhören, „die Schiedsrichterei ist jetzt eine Alternative aktiv zu bleiben“, so der Essener Student.
Als Anreiz gibt es freien Eintritt
Das hören Ron Andre Berger und Achim Kindsgrab gerne, denn besonderes die jungen Leute sind es, die fehlen. „Die Jugendlichen spielen lieber selbst, als zu pfeifen“, sagt der Süd-Ost-Vorsitzende Kloppenburg. Beides, spielen und Schiedsrichterei, sei zwar möglich, „aber zeitlich kaum zu bewältigen“, weiß sein Kollege Berger.
Ein Anreiz, lieber Regeln durchzusetzen als dem Ball nachzujagen, ist da das Recht, alle nationalen Fußballspiele kostenfrei mit dem Schiedsrichterausweis besuchen zu dürfen. „Das zieht natürlich, wenn die Jungs dann umsonst bei Rot-Weiss Essen oder Borussia Dortmund reinkommen“, weiß Berger.
Ausgleich für die Beschimpfungen oder sogar Handgreiflichkeiten, der man sich als „Schiri“ ausgesetzt sieht. „Gerade im Jugendbereich sind es oft die Eltern, die uns Schiedsrichter angehen“, berichtet Kloppenburg und Berger ergänzt: „Der Respekt lässt immer mehr nach.“ Im Kreis Nord-Ost mussten im letzten Jahr zwei Spiele abgebrochen werden, in der gerade begonnen Saison schon gleich zu Beginn die Partie zwischen Katernberg und Fatihspor. Auch im Süd-Osten haben die Spielleiter mit Unsportlichkeiten und Auseinandersetzungen zu tun, die zu Spielabbrüchen führen.
Doch bei über 200 Amateur-Spielen, die jedes Wochenende in Essen stattfinden, bleiben solche Fälle seltene Ausnahmen. „Dann aber stehen wir mit den Problemen alleine auf dem Platz“, sagt Berger. Damit das zu Beginn nicht passiert, wird dem Nachwuchs zu Beginn ein erfahrener Pate an die Seite gestellt. Nach Wunsch der Essener Schiedsrichter soll mit dessen Hilfe der Einstieg in „eine große Schiedsrichter-Karriere“ gelingen.
Info:
Wie so oft wird auch in der Schiedsrichterei nach Leistungsklasse gezahlt. Im Juniorenbereich werden demnach zwischen acht und elf Euro pro Spiel, in den niedrigsten Senioren-Spielklassen, den Kreisligen, 17 Euro gezahlt. Wer im Junioren-Bereich die höheren Klassen, die Niederrheinligen, pfeift, erhält zwischen bis zu 20 Euro. Die oberen Senioren-Klassen, die Bezirks- und Landesligen, werden mit 25 bis 30 Euro vergütet. Zuzüglich dieser Zahlungen, gibt es für Anfahrt im Kreis 4,80 Euro, für Anfahrten auf Bezirksebene 30 Cent pro Kilometer. Zum Vergleich: Bundesliga-Schiedsrichter erhalten 3800 Euro je Spiel und eine jährliche Fixsumme von 20.000 Euro.