Essen. . An der Hafenstraße wurden am Sonntag die ersten drei Tribünen des neuen Stadions feierlich eröffnet. Die Fußball-Zukunft der heimischen Vereine wie Rot-Weiss Essen soll golden werden. Die Fans sind von der neuen Spielstätte schon jetzt begeistert.
Ein wenig verloren stehen sie da, die beiden verbliebenden Tribünen des alten Georg-Melches-Stadions. Die Vergangenheit des Essener Fußballs. Der einst an Spieltagen so belebte Vorplatz bleibt – bis auf einige Fahrzeuge – leer. Die neue Pilgerstätte für viele Essener Fußballanhänger liegt nun wenige Meter dahinter. Der Gewohnheit nach, laufen einige Fans dennoch erst einmal zu weit, stehen schon fast vor der alten Haupttribüne, als sie merken: Zum neuen Stadion geht es vorher nochmal links, über den ehemaligen VIP-Parkplatz, der jetzt Zugangsweg geworden ist.
„Für immer Georg-Melches-Stadion“, fordert ein Plakat an einer Brücke über diesem Weg. Die Forderung kommt zu spät, der neue Name ist bekanntlich gegeben. Seit Sonntag geht man ins „Stadion Essen“ – zumindest der neutrale Teil der Besucher. „Für uns bleibt es immer das Melches-Stadion“, sagt ein rot-weisser Fan. Zustimmendes Nicken von allen Seiten.
Die Ränge sind fest in RWE-Hand
Obwohl ihre erste Mannschaft nur wenige Minuten auf dem neuen Rasen steht, um gegen den Frauen-Bundesligist SG Schönebeck zu kicken, ist der allergrößte Teil der Zuschauer im roten Trikot erschienen. „Hier regiert der RWE“, schallt es von den Tribünen. Da kann Oberbürgermeister Reinhard Paß bei seiner Eröffnungsrede noch so sehr betonen, dass dies „ein Stadion für alle Fußballfans der Stadt“ ist – nicht nur die Sitzschalen sind in die Farben des Regionalligisten getaucht, auch die Besucher, rund 12.000 werden es über den Tag verteilt.
Eröffnungsfeier
Die Eröffnung der neuen Heimat – na ja: die Teileröffnung, schließlich fehlt die vierte und vorerst letzte Tribüne ja noch – sie könnte perfekter kaum laufen. Selten hat man sich an der Hafenstraße so über die Farben des Erzrivalen aus Gelsenkirchen gefreut. (Königs-)Blau regiert den Himmel und schafft damit den würdigen Rahmen für die herbeigesehnte Eröffnung.
„Dass ich das noch erleben darf, damit hätte ich kaum mehr gerechnet“, spricht der rot-weisse „Oberfan“, der Fanbeauftragte Lothar Dohr, vielen RWE-Fans aus dem Herzen. Jahrelang mussten sie in Bergeborbeck auf den Neubau warten, nun heißt es heimisch werden. Damit das schnell vonstatten geht, wünscht sich Dohr, „dass es hier noch ein wenig rot-weisser wird, außer im Fanshop vor dem Stadion ist nirgendwo unser Logo“.
Bier und Bratwurst gibt’s nun unter der Tribüne
Dafür bemerkt man hier und da, dass die Hafenstraße 97a noch immer Baustelle ist. Heraushängende Kabel, fehlende Verkleidungen oder klemmende Türen – aber die Mängel halten sich, entgegen den Befürchtungen vieler, im ganz kleinen Rahmen. Das „Adiole“, der gesangliche Klassiker bei RWE-Heimspielen, erschallt dafür so klar wie wohl noch nie aus den Lautsprechern, der Spielstand wird auf einer Video-Bande am Spielfeldrand angezeigt und Bier und Bratwurst müssen nicht mehr am mobilen Stand vor der Tribüne erstanden werden, sondern bequem direkt unter den Zuschauerrängen.
In den nobleren Bereichen, wie der Assindia-Ebene, die zu den VIP-Plätzen auf der Haupttribüne gehört, wird einem selbst dieser Gang erspart. Kellner bedienen an den Tischen, Parkett und Fenster sind poliert, Stadtpolitik und Prominenz versammelt. Lobende Worte, wohin man hört. Das gab es beim Fußball in Essen lange nicht mehr.
Rot-Weiss Essen 2012/13
„Georg Melches wäre stolz auf dieses Stadion“, begeistert sich auch Georg Schrepper. Gemeinsam mit Uwe Wick hat er das Buch „Mythos Georg-Melches-Stadion“ geschrieben. Er muss es also wissen. Wick träumt beim Anblick der lichtdurchfluteten Arena von mehr. „Jetzt müssen wir diese Chance auch spielerisch umsetzen“, so der RWE-Archivar. Die zweite Liga soll es langfristig mit dem neuen Schmuckstück schon sein.
Und vielleicht eifert der Traditionsclub ja sogar irgendwann mal dem zweiten Gastgeber des neuen Stadions nach. Die Damen der SG Schönebeck haben sich in der Bundesliga etabliert und wollen nun in Bergeborbeck den nächsten Schritt Richtung Ligaspitze gehen. „Das bietet uns ganz neue Perspektiven“, schwärmt der Macher und Manager, Willi Wißing, vom Umzug von der Leichtathletik-Anlage in das reine Fußballstadion. Die rot-weissen Sitze sollen nun regelmäßig mit knapp 2000 Frauen-Fußballfans gefüllt werden. Eine Verdoppelung des aktuellen Zuschauerschnitts.
Mehr Zuschauer, mehr Komfort, neue sportliche Ziele – diese Perspektiven mag auch der Oberbürgermeister meinen, wenn er von „einem Stadion für die Zukunft des Essener Fußballs“ spricht. Einer goldigen Zukunft, deutet man die Farbe der Spielbälle, die der Oberbürgermeister den beiden Mietern überreichte.
Neuer Rasen fürs neue Stadion
Der passende Anfang ist gemacht: Sonnenschein, ein volles Haus, begeisterte Fans – und selbst sportlich ging’s gut los. Das erste Spiel der Stadiongeschichte konnte Rot-Weiss direkt für sich entscheiden. Die A-Jugend siegte mit 3:2. In der (Jugend-)Bundesliga. Gegen den Deutschen Meister Borussia Dortmund – wenn das kein Zeichen ist. Doch damit eine solche Begegnung in Zukunft nicht nur im Jugend-Bereich stattfindet, müssen die RWE-Profis noch viele Duelle gewinnen.
Zum Beispiel am Mittwoch. Dann kommt Rot-Weiss Lintorf zum Pokalspiel an die Hafenstraße 97a.