Essen. Der tödliche Überfall auf eine Mitarbeiterin des Jobcenters in Neuss hat die Mitarbeiter in Essen schockiert. Sie wurden jäh an einen ähnlichen Vorfall erinnert, der vor zweieinhalb Jahren in ihrem Amt passierte. Damals ging ein psychisch Kranker mit einem Messer auf zwei Angestellte los.
Die Nachricht verbreitet sich am Morgen auf den Fluren des Essener Jobcenters wie ein Lauffeuer. In Neuss ist eine Mitarbeiterin von einem Arbeitslosen niedergestochen worden. Die 32-Jährige starb an den Verletzungen. Viele Beschäftigte des Jobcenters haben es aus dem Radio gehört. Bestürzung greift um sich. Der Vorfall bringt urplötzlich die Erinnerungen an eine ähnliche Attacke vor zweieinhalb Jahren zurück, als ein psychisch Kranker im Jobcenter Bismarckstraße zwei Mitarbeiter schwer mit einem Teppichmesser verletzte.
Auch Jobcenter-Leiter Dietmar Gutschmidt ist schockiert: „Da kommen sofort die Erinnerungen vom 18. März 2010 wieder.“ Er schreibt seinen 900 Mitarbeitern noch im Laufe des Mittag eine Mail, klärt sie auf, was er bislang weiß, versucht sie zu beruhigen. Schließlich habe man seit dem Vorfall in Essen viel für die Sicherheit der Beschäftigten getan, betont er. Doch auch er weiß, und das führt Neuss vielen an diesem Tag wieder vor Augen: Absolute Sicherheit gibt es nicht.
Sicherheitskonzept überarbeitet
Nachdem der damals 29-Jährige die beiden Männer in Essen angegriffen hatte, überarbeitete das Jobcenter sein Sicherheitskonzept: Seither haben die Mitarbeiter nicht nur einen Notknopf am PC, sondern sie können bei Gefahr auch einen lauten Sirenenalarm auslösen. Gebraucht hat man den noch nie. Außerdem ist seither immer Sicherheitspersonal in den Ämtern präsent. Die Mitarbeiter wurden in Deeskalation geschult. Dennoch will sich Gutschmidt damit im Zweifel nicht begnügen. „Wenn wir mehr zu Neuss wissen, werden wir unser Sicherheitskonzept nochmal überprüfen“, kündigt er an.
Torsten Withake ist zum Zeitpunkt des Neusser Attentats bei einem Termin in Wesel. Von der Tat erfährt er per Mail auf seinem Smartphone. Withake war damals, als die Tat in Essen passierte, Leiter des Jobcenters. Seit Jahresanfang ist er Chef der Essener Arbeitsagentur.
Auch seine Gedanken sind sofort bei dem Vorfall in Essen. Er glaubt deshalb an eine ähnliche Konstellation wie damals: „Ich gehe davon aus, dass auch der Neusser Täter krank ist.“ Das Gericht sprach den Essener Täter damals vom Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung frei, er wurde jedoch in die Psychiatrie eingewiesen.
Personalrat: Gewalt gegen Mitarbeitern in Ämtern nimmt zu
Aus Withakes Sicht war die Messerattacke in seinem Haus damals nicht vorhersehbar. „Wir hätten es nicht verhindern können.“ Einer der betroffenen Männer war selbst Deeskalationstrainer. Beide arbeiten übrigens trotz der schrecklichen Erfahrung bis heute in der Behörde.
Gutschmidt und Withake sprechen von absoluten Einzelfällen, in denen Kunden gegenüber Mitarbeitern gewalttätig werden. Im Jobcenter gab es dieses Jahr „keine zehn Strafanzeigen“, so Gutschmidt, in der Arbeitsagentur gab es eine Anzeige und zwei Hausverbote. Für Personalrat Dirk Achat steht dennoch fest: „Die Angriffe, vor allem die verbalen, gegenüber Mitarbeitern in den Ämtern nehmen zu.“