Essen. . Anders als „Grün & Gruga“ gehen Nachbarstädte mit der vermeintlichen Gefahr durch Pappeln zurückhaltend um. In Mülheim etwa wird keiner der 50.000 Bäume in städtischem Besitz vorsorglich gefällt. Ist man in Essen also zu schnell mit der Axt?
Handelt die Forstabteilung von „Grün & Gruga“ besonders verantwortungsbewusst und weitsichtig, wenn sie im Stadtgebiet rund 300 Pappeln fällen lässt, damit auch niemand Gefahr läuft, dass ihm ein Ast auf den Kopf fällt? Oder sind sie beim städtischen Eigenbetrieb einfach nur sehr vorsichtig oder gar ängstlich? Fest steht: Beim Umgang mit dem vermeintlichen Gefahrenbaum gehen Essens Nachbarstädte andere Wege. Mit der Axt, so scheint es, sind sie jedenfalls nicht so schnell bei der Hand.
„Wir verfolgen eine andere Philosophie“, betont Volker Wiebels, Sprecher der Stadt Mülheim. Vorsorglich gefällt würde keiner der rund 50.000 Bäume im städtischen Besitz, auch keine Pappeln. Sämtliche Bäume werden laut Wiebels zwei Mal pro Jahr einer Sichtkontrolle unterzogen. Sollte sich dabei ein Baum als potenzielle Gefahrenquelle erweisen, weil Stamm ausgehöhlt ist, oder schwere Äste abzubrechen drohen, wird „der Kandidat“ in Abstimmung mit der Landschaftsbehörde und der zuständigen Bezirksvertretung gefällt. So geht es jedes Jahr in Mülheim etwa 250 Bäumen, also etwa 0,5 Prozent des Bestandes.
1100 Bäume untersucht
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Die Stadt Oberhausen verfährt bei der Baumpflege nach dem gleichen Prinzip. „Wenn eine Gefahr erkannt ist, wird gefällt“, sagt Alexander Höfer von der Oberhausener Gebäudemanagement GmbH, in deren Zuständigkeit auch die Pflege von Bäumen an Straßen und Wegen zählt. Einmal im Jahr würden die Stämme abgeklopft und auf Standsicherheit untersucht. Von einer Pappel, die das Lebensalter von 40 Jahren überschritten habe, müsse nicht zwangsläufig eine Gefahr ausgehen, betont Höfer. Jeder Baum sei individuell zu betrachten nach Standort und Zustand, heißt es dazu auch in Bochum.
Das Urteil des Oberlandesgerichts Saarbrücken zur potenziellen Gefahr von Pappel, auf das sich „Grün & Gruga“ beruft, ist in allen drei Nachbarstädten sehr wohl bekannt. „Man kann danach handeln, muss es aber nicht“, sagt dazu Mülheims Sprecher Volker Wiebels. Essen hat den Saarbrücker Richterspruch hingegen zur Norm erhoben. „Ist die Gefahr erkannt, zwingt uns das zum Handeln. Alles andere wäre fahrlässig“, sagt Eckhart Spengler von „Grün & Gruga“. In „einem ersten Schritt“ handelte der Eigenbetrieb, in dem 1100 Pappeln an Kindertagesstätten, Schulen und Spielplätzen unter die Lupe nahm. 282 davon müssen aufgrund ihrer Größe und ihres Alters gefällt werden.
„Auch in anderen Städten wird entsprechend gefällt“
Anlass für den Saarbrücker Richterspruch von 2010 war die Klage eines Geschädigten, dessen Auto auf einem öffentlichen Parkplatz vom herabfallenden Ast einer Pappel schwer beschädigt worden war. Nach Aussage des Beklagten war der betreffende Baum wenige Wochen vor dem Unfall kontrolliert worden.
Bau- und Umweltdezernentin Simone Raskob hatte vor wenigen Tagen gegenüber der WAZ erklärt, keineswegs begebe sich Essen bei der Baumfällung auf einem Sonderweg. Vielmehr verhielten sich andere Städte auf Basis des Saarbrücker Urteils ganz genauso. „Auch in anderen Städten wird entsprechend gefällt.“ Die WAZ-Recherchen in drei zufällig ausgesuchten Nachbarstädten ergaben nun allerdings ein anderes Bild.