Essen. . 80 Prozent des Baum-Bestandes an der Ruhrallee sind mit dem Massaria-Pilz befallen, Äste brechen ohne Vorwarnung ab. Essens Baumpfleger sehen angesichts der tückischen Krankheit einen immer stärkeren Druck auf die Straßenbäume - nicht nur an der B 227.

Die Ruhrallee gilt nicht gerade als Essens sicherste Straße: Der Verkehr strömt zu dicht, zu schnell, zu rücksichtslos über die Nord-Süd-Trasse, häufig herrscht in jeder Beziehung dicke Luft, aber irgendwie haben sich Autofahrer, Fußgänger oder Radler im Laufe der Jahre an die Verhältnisse gewöhnt. Dass Gefahr von oben droht, ist allerdings neu und nicht gerade beruhigend: Die Platanen an der Ruhrallee leiden unter einer tückischen Baum-Krankheit.

Den „Splanchnonema platini“, Auslöser der „Massaria“, könnte man getrost als Spaltpilz bezeichnen, weil er die böse Eigenschaft hat, die Äste nahezu ansatzlos abbrechen zu lassen. Wer unter den meist hochgewachsenen rund 18.000 Platanen an Essens Straßen herfährt, an der Altenessener, der Hirtsiefer oder der Frintroper Straße beispielsweise, kann die Gefahr höchstens erahnen. Die Massaria ist vom Boden aus häufig nicht zu erkennen. Und so kämpfen sich dieser Tage an der Ruhrallee und andernorts die Mitarbeiter von Baumdiensten mit Hubwagen durch die Bestände, um den Absterbeprozess der Äste per Motorsäge zu beschleunigen.

Sechs Kolonnen im Einsatz

„Die ganze Situation ist für uns sehr belastend“, sagt Arne Thun, bei Grün und Gruga oberster Baumpfleger. „Wir haben jetzt in einem Jahr mit sechs Kolonnen eigentlich nichts anderes gemacht, als den gesamten Bestand zu durchforsten.“ Alles andere wurde zurückgestellt. Da die Massaria im ungünstigsten Fall nur vier Monate benötigt, um gesunde Äste in Bruchholz zu verwandeln, stehen vor allem die rund 10.000 Platanen an sensiblen Punkten wie Straßen, Kindergärten oder Schulen, dreimal jährlich auf der Prüfliste.

Das Resultat ist laut Thun bedenklich: „Nahezu 80 Prozent des Bestandes sind befallen.“ Mit teuren Folgen für die Stadt: Gut eine Million Euro hat der Kampf gegen die Massaria bereits gekostet. Dabei ist die eigentlich robuste Platane nicht der einzige Baum, der momentan schwächelt

Kastanien müssen gefällt werden

Auch die Kastanie hat sich zum Problembaum entwickelt, jede dritte gilt als angeschlagen, wobei sich hier die Pseudomonas-Bakterien und die Larven der Miniermotte die Arbeit teilen. Am Ende des Prozesses wartet meist die Motorsäge, wobei sich mit pflegerischen Mitteln bei Miniermotten-Befall noch etwas retten lässt: Das Laub muss im Herbst radikal entfernt werden. Bei Pseudomonas allerdings ist nichts zu machen, „das führt zum Herausnehmen des Baumes“, sagt Arne Thun.

Bei den Kastanien immerhin zeichnet sich resistenter Ersatz ab: In der bayrischen Gartenbauversuchsanstalt Weihenstephan ist eine gelbblühende Kastanie gezüchtet worden, die Motte wie Bakterien deutlich besser Widerstand bieten soll: „Wir haben in Heidhausen erste Bäume gepflanzt und hoffen auf gute Ergebnisse“, so Thun, der ernsthaft um den fünfstelligen Kastanienbestand in Essen bangt.

Platanen, Kastanien, immer wieder auch Sorgen um Eschen oder Ulmen – der umweltbedingte Druck aufs Grün wird größer. Deutlich wird aber auch, dass auf die Stadt höhere baumpflegerische Kosten zukommen. Nach wie vor wird dort, wo ist möglich ist, jeder Baum ersetzt. Letztendlich sei dies auch Vermögenspflege, sagt Arne Thun. Essen gilt als eine der grünsten Städte Deutschlands, „das wollen wir auch bleiben.“