Essen. . Das Kino wird reifer. Filme über Senioren-WGs und das Leben im Altenheim sind gefragt. Aber findet sich das Zielpublikum auch auf der Leinwand wieder? Ein Gespräch mit Kinogängern jenseits der 60.
Das Kino hat eine neue Zielgruppe entdeckt. Statt sich nur aufs Popcorn-Publikum zu stürzen, wird auch an die Zuschauer mit Rollator, künstlicher Hüfte und abnehmender Sehkraft gedacht: Eine wachsende Gruppe, an der auch die Filmwirtschaft nicht mehr vorbeidrehen kann. So gibt es inzwischen eine Reihe von Kinoerfolgen, in denen Weltstars wie Judi Dench oder Jane Fonda das Lebensgefühl jenseits der 70 auf die Leinwand bringen.
Stéphane Robelins heiter-hintergründige Geschichte über eine französische Oldie-WG war über Wochen ein Publikumsrenner im Filmstudio. Jetzt kommt mit Bernd Böhlichs sommerleichter Senioren-Komödie „Bis zum Horizont, dann links“ ein potenzieller Nachfolger ins Astra-Kino. Es geht um das Leben im Altenheim und die Flucht für der letzten Routine. Bei der Premiere in der Lichtburg sprach Martina Schürmann mit Stammgästen des Seniorenkinos über ihre Reaktionen.
Hat Ihnen der Film gefallen?
Margret Krause (72): Sehr. Das war amüsant, aber auch tiefgründig. Manche Dinge haben mich schon sehr berührt, weil man natürlich immer wieder denkt: Irgendwann ist es für dich vielleicht auch soweit.
Ursel Weymann (86): Ich habe mich an viele Besuche in Altenheimen erinnert gefühlt. Da kam mir so manches vertraut vor, auch diese schreckliche Routine.
Ingrid Lochner (62): Ich musste manchmal schlucken. Zu wissen, dass man nicht mehr in die eigene Wohnung zurückkehren wird, das ist bestimmt ein ganz schwerer Moment. Ich hab schon zu meinem Mann gesagt: So einen Film werde ich mir nur bis 65 angucken.
Marianne Sieg (86): Ach, die Grenze schieben Sie später höher.
Reden Sie auch miteinander über das Thema Altersheim?
Krause: Das Thema ist ja gar nicht zu umgehen. Ich leite die Gymnastikgruppe für Senioren. Da sieht man, wie immer mehr Leute abbauen, nicht mehr können.
Weymann: Zum Glück können wir uns alle noch alleine versorgen. Das wünscht sich ja jeder, möglichst lang selbstständig zu bleiben. Ich bin Jahrgang ‘26, da ist das schon ein Geschenk. Meine Mutter ist 100 geworden, ich hab wohl ihre Gene. Aber man muss auch was dafür tun. Ich hab das Handtuch von der Wassergymnastik noch in der Tasche. Heute morgen waren wir beim Sport, jetzt sind wir hier.
Krause: Ich würde mir manchmal wünschen, dass es noch mehr Angebot für das Zusammenleben von Alt und Jung geben würde. Das müsste mehr gefördert werden. Denn die Alten sind für vieles doch noch sehr gut zu gebrauchen. Zum Vorlesen oder zum Hausaufgabenhelfen.
Ursula Loomann (80): Ich hab meine Eltern noch ein Jahr zu Hause gepflegt. Aber es muss natürlich auch solche Heime geben. Da müsste nur manches besser laufen. Aber wenn man weiß, wie überfordert das Personal ist...
I. Lochner: Die Pflegeberufe müssten generell viel besser bezahlt werden. Über sowas müsste man mal einen Film drehen. Einfach in ein Altenheim reingehen und die Situation zeigen.
Welche Themen müssten denn noch mehr Beachtung finden?
Thomas Lochner (63): Das Thema Rente müsste mal aufgegriffen werden. Als Frau hast du da ja oft finanzielle Probleme, für die du nichts kannst. Darüber mal Filme zu drehen, das wäre sinnvoll. Aber dafür werden sich bestimmt keine Geldgeber finden.
Krause: Das denke ich auch. Warum bekommen Frauen nur noch 60, die Männer 100 Prozent der Rente. Wir haben doch unsere Männer immer unterstützt, damit sie arbeiten gehen können. Warum ist die Aufteilung nicht 80/80? Aber das darf man ja nicht sagen, wenn Männer dabei sind.
Weymann: Mir tun die Frauen leid, die kein Geld für ein paar Blumen oder fürs Kino haben. Wenn man sich hinterher nicht mal mehr auf einen Kaffee zusammensetzen kann. Das ist für uns immer ein schöner Ausklang. Man kann ja nicht einfach nur zu Hause sitzen und darauf warten, abgeholt zu werden. Da kommt irgendwann keiner mehr.
Was nimmt man von so einer Vorstellung mit?
Krause: Nach solchen Filmen hab ich schon richtig gute Gespräche mit meiner Tochter gehabt. Da kommt man auf Dinge, die man sonst vielleicht gar nicht ansprechen würde. Und in dem Moment kann auch keiner sagen: Mama, das hat noch Zeit, du bist doch noch topfit. Von diesem Film werde ich ihr auch ganz intensiv erzählen.