Essen. Alleinsein beim Älterwerden? Damit das nicht passiert, hat die Essenerin Susanne Münch ein regelmäßiges Senioren-Dinner ins Leben gerufen. Daraus soll ein Netzwerk entstehen.

Frank fühlt sich etwas einsam. Rechts und links von ihm sitzen zehn Frauen und schwätzen. Dass er der einzige Mann ist, der am ersten Senioren-Dinner im Restaurant Wallberg teilnimmt, scheint ihm nicht zu gefallen. Er geht früh.

„Irgendwie konnte ich bislang nur wenig Männer für meine Idee begeistern“, sagt Organisatorin Susanne Münch achselzuckend. Ein Netzwerk möchte die PR-Frau schaffen, für Menschen „jenseits der 50“, die sich zu kulturellen Unternehmungen treffen, gemeinsam in den Urlaub fahren oder Sport treiben. Seit letztem November wirbt Münch eifrig für ihren Einfall, verteilt Flugblätter, schaltet Annoncen. Ursprünglich als Senioren-Single-Dinner angedacht, strich die Essenerin das „Single“ kurzerhand. Denn die meisten Interessenten sind gar nicht auf Partnersuche. Oder geben es nicht zu.

Theater, Kino und Muckibude

Wie die attraktive Hildegard, die ihr wahres Alter nicht verraten möchte. Unbekümmert erzählt sie von ihren Erfahrungen als Witwe. „Bei meinen verheirateten Freunden war ich nicht mehr willkommen. Die Frauen hatten Angst, dass ich ihnen die Ehemänner ausspanne“, seufzt sie. Enttäuschung und Trauer schwingt mit, wenn die Essenerin von verlorenen Freundschaften erzählt. Allein drei beste Freundinnen hat Hildegard in den vergangenen Jahren beerdigt. Nicht ersetzbar seien sie, „aber vielleicht finde ich hier Gleichgesinnte, mit denen ich meine Vorlieben teilen kann“.

Neben Hildegard sitzt Margret und nickt. Die 75-Jährige hat sich aufgerafft, um aus dem Alltagstrott auszubrechen. Seit einem Jahr verwitwet, möchte sie nochmal neuen Schwung in ihr Leben bringen. Theater, Kino oder Spaziergänge wären schön, Sport weniger. „Ohne meine Muckibude wäre ich nur ein halber Mensch“, fällt ihr Hildegard ins Wort. Zustimmung kommt von links: Auch Irmgard strukturiert ihre Tage mit Gymnastik. Drei Mal in der Woche werden vor dem Frühstück im Fitnesscenter die Gewichte gestemmt. Dazu gehört viel Selbstdisziplin. „Ich muss mich aufraffen, aber es tut mir gut“, sagt Irmgard. Die Rentnerin, die wie Hildegard ihr wahres Alter lieber verschweigen möchte, vermisst ihren vor drei Jahren verstorbenen Mann schmerzlich. „Noch immer bin ich in einem tiefen Loch. Aber jetzt möchte ich mich daraus befreien,“ lächelt sie. An ihrem wachen Blick, mit dem sie den munteren Gesprächen folgt, sich ab und an einmischend, kann man erkennen, wie viel Temperament und Energie in ihr steckt.

Ängste, Männer oder Sex im Altenheim

Je später der Abend, desto spannender und intimer werden die Themen beim Senioren-Dinner: Ängste, Tod, Krankheit, Männer oder Sex im Altenheim - alles kommt auf den fein gedeckten Tisch im noblen Restaurant in der Philharmonie. Frauen scheinen da weniger Berührungsängste zu kennen. Eher still hört Carolina zu. Die 56-Jährige hat sich lange ausschließlich um ihre nun fast erwachsenen Töchter gekümmert. „Jetzt möchte ich endlich was für mich tun“, sagt die Kolumbianerin. Bald seien ihre Kinder ganz aus dem Haus, „und dann stehe ich alleine da“. Ein Mann muss jetzt nicht in ihr Leben treten: „Der will meist nur versorgt werden. Dazu habe ich eigentlich keine Lust.“ Zustimmung von allen Seiten ist ihr nach diesem Statement gewiss.

Das erste Treffen der agilen Seniorinnen stellt Susanne Münch mehr als zufrieden. Ihr Konzept scheint zu gefallen. Jetzt wird weiter geplant. Beim nächsten Mal geht’s in einen Biergarten. Dann kommen vielleicht auch die Männer mit.