Essen. . Nein, der alte Förderturm von Carl Funke wird kein Kraxel-Park für Adrenalin-Junkies: Käufer Mike Schuh will nur dieses Wahrzeichen vor seiner Haustür bewahren – und Besuchern einen neuen Ausblick auf den See bescheren. Im kommenden Jahr sollen Besucher auf den Turm klettern können.
Wenn Mike Schuh mal wieder irgendwo rumhängt, hat er keine Langeweile, im Gegenteil: Bei einem BMW Autohaus hat er dabei neulich die Fenster geputzt, am Tetraeder in Bottrop die Beleuchtung der Querstreben erneuert und am Dortmunder Fernsehturm ein Werbebanner installiert: Der Mann will nach oben, das ist sein Job, denn Schuh ist Industriekletterer, einer der die Sache permanent auf die Spitze treibt. Mal montiert er in luftiger Höhe einen Blitzableiter, mal lichtet er Baumkronen, mal schraubt er an Flutlichtmasten herum.
„Verticall“ heißt sein Unternehmen für gewagte Luftnummern aller Art, und weil der 47-Jährige ja auch irgendwie mal klein angefangen hat, betreibt Mike Schuh zudem noch die Boulderhalle „Citymonkey“ in Haarzopf: Beim Bouldern wird in geringer Absprunghöhe und ohne Seil geklettert, und wer fällt, der fällt weich – auf eine Matte.
„Ich fänd’s schade, so einen Turm vergammeln zu lassen“
Und nun also des Kletterns dritter Streich: Schuh hat vor einer Woche den Förderturm der einstigen Zeche Carl Funke gekauft, was bei einem Kaufpreis von einem Euro, nun ja, kein allzu großes Unterfangen ist, schon wahr. Und dann aber irgendwie doch, weil das Wahrzeichen längst verflossener Bergbautage am Baldeneysee ihm nicht nur 1000 Quadratmeter Heisinger Land „in bevorzugter Lage“, sondern dazu die Verpflichtung beschert hat, das denkmalgeschützte Gerüst zu pflegen. Bauen darf er nichts Großes, denn planungsrechtlich ist das hier so genannter „Außenbereich“, also warum tut der Mann sich das an?
Schuhs Antwort mag verblüffen, denn zum Kraxeln wollte er den Förderturm nicht: „Ich fänd’s schade, so einen Turm vergammeln zu lassen“, sagt der Kletter-Unternehmer, der nur einen Kilometer entfernt wohnt, stattdessen: „Das ist doch ein wunderschönes Stück Geschichte und Kultur.“
„In diesem Jahr passiert da kommerziell nichts mehr“
Und definitiv keinen besonderen Klimmzug wert für einen, der auch schon mal Windkrafträder reinigt oder Turmuhren restauriert. „Eine Stufe unterm Hochseilgarten“, so schätzt Mike Schuh den Schwierigkeitsgrad ein, das rund 42 Meter hohe Gerüst von Carl Funke zu erklimmen, denn da gibt es eine Leiter, die zu den Plattformen nach oben führt, und um sich da drauf zu wagen, „muss man kein Adrenalin-Junkie sein, das trauen sich auch Kinder“.
Die werden, wenn Schuh sie im nächsten Jahr hochlässt, natürlich wie an einem Klettersteig in den Bergen ordentlich gesichert, dürfen oben in luftiger Höhe einen ganz neuen, ungewohnten Ausblick auf den See genießen und werden anschließend, frei am Seil hängend zum Erdboden herabgelassen. Das Ganze kostet dann eine Kleinigkeit, aber wie viel und wie lange man dafür oben bleiben darf, ob es ein Softgetränk aus dem Gürtelhalfter gibt oder nur einen angstschweißnasse Umarmung von Papa und Mama, das muss sich noch zeigen: „In diesem Jahr passiert da kommerziell nichts mehr.“
Wie überhaupt Mike Schuh alle beruhigen kann, die das Kleinod am See vor dem geistigen Auge schon zu einer Art Kletter-Disneyland mutieren sehen. „Das ist eher Liebhaberei“, sagt er – und die an schönen (Wochenend-)Tagen möglichen Besuche sollen allenfalls dabei helfen, die anfallenden Kosten zur Instandhaltung zu verringern.
Kein WC unten
Auch interessant
Die schätzt Schuh übrigens weit unterhalb dessen, was NRW.Urban einst an Zahlen in die Welt gesetzt hat. Kein Wunder: „Der teuerste Posten war in der Kalkulation immer das Gerüst“ – und das hat ein Industriekletterer nicht nötig. Lieber hängt er sich selber rein und entrostet, wo es etwas zu entrosten, streicht, wo es etwas zu streichen gibt. „Ich hab’ richtig Lust darauf, das in Ordnung zu halten.“
Wie groß der Zuspruch sein wird? Mike Schuh hat keinen blassen Schimmer, will irgendwann 2013 über seine Boulder-Halle „Citymonkey“ in die Vermarktung von Kletterterminen einsteigen und sonntags („Samstags ist doch nicht genug los am See“) womöglich ein paar Stunden für Zufallsbesucher parat stehen.
Ein Picknick da oben? Das wird wohl nicht gehen, weil es unten ja auch keine Toiletten gibt, und einen Kiosk hat man ihm auch nicht gestattet – „planungsrechtlicher Außenbereich“, wie gesagt. „Die haben schon sehr darauf geachtet bei der Stadt“, sagt Schuh. Vielleicht packen sich die Leute ja selbst was ein, und ganz ehrlich: Ganz so aufwendig ist der Aufstieg nun auch nicht, dass man ein stundenlanges Event daraus zaubern könnte.
Aber dass es ein Spaß ist, den Baldeneysee mal von einer ganz anderen Warte, aus den gut 30 Metern Höhe der ersten Plattform zu sehen, davon ist Mike Schuh überzeugt. Und davon, dass ihn die Leute mit seinem Förderturm ganz gewiss nicht hängen lassen.