Essen. Leise und bedächtig wählt Willi M. seine Worte. Systematisch hat der Hausverwalter seit 1993 die von ihm betreuten Wohnungseigentümergemeinschaften betrogen, gesteht er am Mittwoch vor der XV. Strafkammer am Landgericht. Laut Staatsanwaltschaft beträgt der Schaden rund eine Million Euro.

Sein Goldesel waren die Rücklagenkonten der Gemeinschaften, die er verwaltete. Die Eigentümer zahlten ein. Er musste davon laufende Kosten wie etwa die Grundbesitzabgaben begleichen, aber auch teure Modernisierungsmaßnahmen. Aufgebaut hatte er eine Art Schneeballsystem. Er entnahm Gelder von dem einen Konto, stopfte es mit Geld von einem anderen. Stand bei einer der von ihm betreuten 60 Gemeinschaften eine kräftige Investition an, besorgte er Geld von einer anderen. Jahrelang funktionierte das System, doch zum Schluss wurden die Löcher größer. Anfang 2011 flog der Betrug bei einer der Gemeinschaften auf. 92 000 Euro verlangte sie von ihm, sonst werde sie ihn bei der Polizei anzeigen. Weil er nicht mehr flüssig war, gab sich die Gemeinschaft mit Grundschulden bei drei von seinen sechs Eigentumswohnungen zufrieden. Es wurde eng für ihn. Nach und nach gingen immer mehr Strafanzeigen bei der Polizei ein. Im Oktober durchsuchten die Beamten die Firmenräume in Kupferdreh am Baldeneysee und sein Wohnhaus. Seit Mitte Oktober sitzt der 60-Jährige in Untersuchungshaft.

Ausreden des Angeklagten

Schon bei der Polizei hatte M. den Betrug gestanden. Das wiederholte er vor Gericht, schränkt aber seinen eigenen Part deutlich ein. Er erzählt von seinem im Juni 2010 verstorbenen Mitarbeiter, dem er regelmäßig Geld zahlte, als dieser finanzielle Probleme hatte. Staatsanwalt Hans-Joachim Koch reicht es irgendwann: „Sie tun, als seien Sie der größte Altruist (ein selbstlos handelnder Mensch), Sie haben aber das Bescheißersystem nicht über Jahre aufgebaut, um selbst nichts zu bekommen. Sie müssen in die eigene Tasche gewirtschaftet haben.“ M. will nicht mehr widersprechen: „Ja, auch.“ Koch setzt nach: „Sie haben auch ganz gut gelebt.“ „Ja, natürlich.“

Mit vier- bis sechstausend Euro beziffert der Angeklagte seinen monatlichen Bedarf. Ein Einfamilienhaus, sechs Eigentumswohnungen und zwei Garagenanlagen muss er abbezahlen. Richter Jörg Schmitt hatte zuvor die Kernfrage gestellt: „Wo ist das Geld denn jetzt hin?“ Aber es kommen ausweichende Antworten. Ein Rätsel bleibt auch, warum er finanzielle Probleme seit 1993 als Grund für seinen Betrug anführt, 1997 aber noch Eigentumswohnungen kauft und damit seine finanzielle Last erschwert.

Realitätsverlust

Verteidiger Volker Schröder springt ein und versucht das Unverständliche zu erklären: „Ist Ihnen alles über den Kopf gewachsen? Es klingt wie eine Verzweiflungstat.“ Aber da bremsen ihn Richter Schmitt und der Staatsanwalt. Da müsse er ja fast an eine psychiatrische Begutachtung denken, warnt Koch den Anwalt, als dieser vom „Realitätsverlust“ des Angeklagten spricht.