Essen. Die Empörung war der 86-Jährigen deutlich anzusehen. Betrogen fühlte sie sich von ihren Nachbarn, erzählte die Gelsenkirchenerin. Doch dem Landgericht Essen reichten die Beweise nicht aus, es stellte das Verfahren gegen die beiden Männer ein.

Zumindest etwas Geld bekommt die Seniorin zurück. Die V. Strafkammer machte es den beiden Angeklagten, 62 und 30 Jahre alt, zur Auflage, der Frau jeweils 600 Euro zu bezahlen. Der Ältere hat sich zudem zu weiteren 1000 Euro Rückzahlung verpflichtet.

Seit 57 Jahren wohnt die Witwe bereits in dem Mehrfamilienhaus. Vor etwa sechs Jahren sei zunächst der ältere Angeklagte in eine Nachbarwohnung eingezogen, erzählt sie dem Gericht. Gut sei das Verhältnis gewesen. Hilfsbereit sei der Mann. So habe er ihr in ihrem Schrebergarten in der Nähe des Ostfriedhofes geholfen. Vieles mache sie noch selbst, aber Bäume auslichten oder Hecke schneiden, falle ihr mittlerweile schwer. Da sei sie über Hilfe froh gewesen.

Seniorin kategorisch ausgenommen

Laut Anklage nutzte der Angeklagte diese Vertrauensstellung aus. Ende 2007 hätte er sie erstmals auf Geld angesprochen. Er hätte ihr von einem Unfall mit seinem Auto erzählt, für dessen Reparatur er dringend Geld benötige. Kurze Zeit später soll er erneut Geld erbeten haben, weil er sich angeblich selbständig gemacht hatte. Immer wieder hätte er neue Gründe gefunden, sie nach Geld zu fragen. Und immer wieder gab sie es ihm, weil er ja die Rückzahlung versprochen hätte.

Ab Sommer 2008 soll auch der andere Nachbar um Geld gebettelt haben. Er brauchte es für seinen Rechtsanwalt, heißt es in der Anklage. Aufgelistet sind dort insgesamt 18 Darlehen an den 62-Jährigen in Höhe von 18.000 Euro und vier Darlehen an den Jüngeren in Höhe von 2000 Euro. Zu keinem Zeitpunkt sollen die Angeklagten beabsichtigt haben, der Nachbarin das Geld zurückzuzahlen. Immer wieder hätten sie die Dame vertröstet.

Kein Geständnis

Ein Geständnis kommt von den beiden nicht. Der 62-Jährige räumt ein, Geld erhalten zu haben, aber weit weniger: „Die in der Anklage genannte Summe kann nicht sein.“ Als er mal Arbeit hatte, will er aber auch an die Frau gezahlt haben. Verteidiger Stefan Kixmöller fasst es zusammen: „Er sagt, er hat 1400 Euro bekommen und 600 Euro zurückgezahlt.“ Der Angeklagte ergänzt: „Ich habe sie höflich gefragt, und sie hat es mir gegeben. Ich meine, ich habe alles zurückgezahlt.“

Die Aussage der 86-Jährigen hat nicht die Qualität, um darauf ein Urteil zu stützen. Zwar hat sie eine tabellarische Auflistung aller Beträge, aber wie und wann sie die aufgeschrieben hat, wird nicht ganz klar. Im August 2009 war sie zur Polizei gegangen, „weil ich kein Geld mehr hatte“. Es sei alles, was sie seit 30 Jahren angespart hätte: „Einschließlich meiner Lebensversicherung, damit man mich mal begraben kann.“ Die beiden hätten immer Rückzahlung in drei Tagen angekündigt, sie dann aber vertröstet.