Essen. . Die Linken monieren die Weitergabe von Adressen an die Bundeswehr. Die NRZ hakte nach, an wen die Stadtverwaltung Daten aus dem Melderegister weitergibt und was Bürger dagegen machen können. „Bei uns kann generell keiner Meldedaten einfach so kaufen“, sagt die Stadt.

„Haben Sie gedient?“ – In Folge der Aussetzung der Wehrpflicht sollte diese Frage ihre ideologische Brenzligkeit verloren haben – auch für Militärgegner. Da mutet es nachtragend an, dass die Ratsfraktion der Linken am Mittwoch in der Sitzung des Hauptausschusses bei der Verwaltung nachhaken lassen will, warum die Stadt Meldedaten Volljähriger ans Bundeswehramt weitergibt und ob sie die Betroffenen darüber auch informiert.

Kurz gesagt, die Stadt muss es laut Wehrrechtsänderungsgesetz vom 28. April 2011 tun, damit die Armee bei jungen Menschen für sich werben kann, und sie kommt ihrer Informationspflicht für das mögliche Widerspruchsrecht ebenso nach. Ob die dafür bisher vorgesehenen Wege ausreichen, ist eine andere Frage, die letztlich der Gesetzgeber bewerten müsste. An der Essener Praxis gibt es juristisch nichts zu rütteln, das wird denn auch Die Linke im Rathaus zu hören bekommen.

"Die Meldeämter sind keine Adresshändler"

Die NRZ nahm die Debatte dennoch zum Anlass bei Uwe Siemon, Leiter der Bürgerämter, nachzufragen, in welchen Fällen Daten aus dem Melderegister weitergegeben werden und wogegen und wie Bürger Widerspruch einlegen können. „Bei uns kann generell keiner Meldedaten einfach so kaufen“, widerlegt Siemon ein ein gängiges Vorurteil, das ihn in seinem Alltag begleitet. Meldeämter sind keine Adresshändler, erst recht nicht für Firmen.

„Was bei uns möglich ist, ist eine einzelne privatrechtliche Meldeauskunft“ , so Siemon. Der Antragsteller muss in dem Fall rechtliche Gründe glaubhaft belegen und bekommt dann Vor- und Nachnamen, sowie gegebenenfalls vorhandenen Doktorgrad und die Anschrift. Sieben Euro kostet das. Gegen diese schriftliche Auskunft ist Widerstand zwecklos, ebenso wie gegen einzelne Anfragen von Behörden, etwa Gerichte oder das Sozialamt. „Nur bei Gefahr für Leib und Leben kann man eine Auskunftssperre beantragen“, sagt der 57-Jährige. Von rund 150 bis 200.000 Einzelanfragen pro Jahr könne man ausgehen, schätzt Siemon.

Man kann die Weitergabe seiner Daten verhindern

Besagte Infos bekommen Menschen, die sich neu in der Stadt anmelden, in einem Merkblatt aufbereitet. Den gestandenen Essener, der schon länger zwischen Burgaltendorf und Borbeck wohnt, informiere die Verwaltung einmal jährlich auf verschiedenen Wegen über sein kostenloses Widerspruchsrecht. Und zwar über das kostenpflichtige(!) Amtsblatt der Stadt und per Bitte um Veröffentlichung an die Medien.

Derzeit gibt es fünf Aspekte der Weitergabe, die man verhindern kann:

• Bei Parteien, Wählergruppen oder Einzelkandidaten, die für Parlaments- oder Kommunalwahlen Meldedaten erwerben, kann man sich aus der Auskunftslinie nehmen. Die Menge der Daten, die die Parteien nutzen können, etwa zur Erstwähler-Werbung, ist aber gering, da sie nur wenige Geburtsjahrgänge auswählen können. „Zuletzt haben wir das bei der Bundestags- und Kommunalwahl gemacht“, sagt etwa Norbert Solberg, Kreisgeschäftsführer der CDU Essen, auf NRZ-Nachfrage. Nach Verwendung müssen die Datensätze gelöscht werden.

• Gleiches können Essener auch im Falle von Bürger- oder Volksentscheiden machen.

• Gegen die schriftliche Anfrage kann man zwar nichts machen, jedoch lässt sich der Übermittlung der Daten bei einer privaten Einzelanfrage per Internet der Riegel vorschieben.

• Auch öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaften können Menschen den Zugang zu ihren Daten verwehren. Einzige Ausnahme: Dienen die Daten der Steuererhebung, kann man sich dem nicht widersetzen.

• Neu hinzugekommen ist das beschriebene Widerspruchsrecht gegen die Weitergabe der Daten an das Bundeswehramt, das etwa im September 2011 im Amtsblatt der Stadt bekanntgegeben wurde.

„Es gibt aber umgekehrt auch einen Einwilligungsvorbehalt“, erklärt Siemon. Letzterer betrifft die Weitergabe an Adressbuchverlage oder politische Mandatsträger, die etwa Oma Kasulke zum 90. Geburtstag gratulieren möchten.

Ein formloses Schreiben reicht aus

Der Widerspruch gegen die im Text beschriebenen Fälle der Daten-Weitergabe muss nicht in fünf verschiedenen Schreiben formuliert werden. In den Bürgerämtern kann man persönlich erscheinen, um ein Formular, das alle Möglichkeiten, auch der Einwilligung umfasst, auszufüllen. Wer sich dennoch in Briefform erklären möchte, schreibt formlos: „Ich erhebe Widerspruch gegen die Weitergabe meiner Daten an ...“ und sendet das Schreiben an: Stadt Essen, Bürgeramt, Hollestraße 3, 45127 Essen. Bei Rückfragen hilft die Service-Hotline der Stadtverwaltung unter Tel. 0201-88 33 222.