Essen. . Der 1912 patentierte nichtrostende Stahl ist das Werk des jüdischen Wissenschaftlers und Kruppianers Benno Strauß. Die Erfindung war nichts weniger als eine Revolution.

ThyssenKrupp-Nirosta ist Geschichte, immerhin aber hätte es fast zum hundertjährigen Jubiläum gereicht: Am 17. Oktober 1912 ließ sich die Firma Krupp beim Kaiserlichen Patentamt in Berlin einen neuartigen Stahl schützen, der einen alten Feind dieses Werkstoffs besiegt hatte: den Rost.

Die Erfindung war nichts weniger als eine Revolution, weil sie mit einem Schlag die Möglichkeiten des Stahls erweiterte. Weil man bei Krupp früher als anderswo wusste, dass Marketing die halbe Miete ist und das Kind einen zündenden Namen braucht, fand man einen, der bis heute hielt: „Nirosta“. Durch den Verkauf der Sparte an den finnischen Konzern Outokumpu endet zwar nicht die Erfolgsstory des nichtrostenden Stahls, wohl aber die Verbindung zu Krupp.

Im Jahr 1912 fand man die ideale Formel

Der Erfolg war möglich, weil Krupp sich - ebenfalls früher als andere - eine eigene Forschungsabteilung geleistet hatte. Dort wurde jahrelang getüftelt, bis man 1912 die ideale Formel fand: Stahl mit Chrom und Nickel in einem bestimmten Verhältnis zu kombinieren ergab Nirosta.

„Für Krupp wären ohne diese Erfindung die wirtschaftlich sehr schwierigen 1920er Jahre noch schwerer geworden“, sagt der Leiter des Historischen Archivs Krupp, Ralf Stremmel. Möglich sogar, dass die Firma sonst nicht am Leben geblieben wäre. In jedem Fall kam Nirosta wie gerufen, weil Krupp nach dem Ersten Weltkrieg vom Geschützbau Abschied nehmen musste, stattdessen sich allerlei feinmechanischen, zivilen Produkten zuwandte.

OP-Instrumente oder Zahnprothesen, Registrierkassen oder schlichte Kochtöpfe - für vieles war Nirosta geeignet. Auch als Baustoff war korrosionsfreier Stahl zu gebrauchen. Weltberühmt ist die Turmspitze des Chrysler-Buildings in New York, die aus über 4000 Nirosta-Platten nach Kruppschem Patent besteht und bis heute glänzt wie am ersten Tag.

Nirosta war in erster Linie einem Mann zu verdanken, der sich für Krupp als Glücksfall erwies: Benno Strauß. Seit 1899 leitete der Wissenschaftler die Physikalische Anstalt, gemeinsam mit dem Ingenieur Eduard Maurer gelang der Nirosta-Durchbruch, der ihm Fachpreise und Ehrungen eintrug. Auch den Werkstoff „Widia“ („wie Diamant“) führte er später bei Krupp ein.

Als Jude verlor Strauß auch seine Professur an der Uni Münster

Sein Vaterland dankte ihm nicht. Als Jude war Strauß ab 1933 zunehmender Entrechtung ausgesetzt, Ende 1934 sah sich Krupp auf Druck des NS-Staats gezwungen, ihn mit 61 Jahren in den Vorruhestand zu verabschieden. Der Nirosta-Schöpfer erhielt zwar auf Weisung von Gustav Krupp alle ihm zustehenden Ruhegelder und einen lobenden Abschiedsartikel in der schon ganz auf NS-Journalismus getrimmten Werkszeitschrift. Dennoch ist dies ein düsteres Kapitel in der Firmenhistorie. Auch seine Professur an der Universität Münster verlor er.

Statt in die Schweiz oder die USA zu flüchten, was sein Ansehen vermutlich ermöglicht hätte, blieb der deutsche Patriot in Essen, seine Villa an der Alfredstraße steht noch heute. Lange schützte ihn die Ehe mit einer „arischen“ Frau, doch 1944 wurde der 71-Jährige in ein Arbeitslager deportiert, wo er kurze Zeit später starb.