Essen. Zum dritten Mal muss die kleine Buchhandlung „Proust“ eine Lesung in die Lichtburg verlegen, weil der Andrang so groß ist. Wenn Stéphane Hessel am 14. Februar 2012 nach Essen kommt, könnte es ähnlich laufen wie bei Nobelpreisträgerin Herta Müller. Proust hat sich einen Namen bei den großen Literaturverlagen gemacht.
Dieser Tage erleben sie in der Buchhandlung „Proust Wörter und Töne“ wieder das Herta Müller-Phänomen: Die hatten sie im Jahr 2009 als eher unbekannte Schriftstellerin zu einer Lesung nach Essen geladen. Doch als der Termin nahte, erhielt Herta Müller den Literaturnobelpreis – und die Liebhaber-Veranstaltung war ruckzuck ausverkauft. Man buchte erst um auf das Astra-Kino und dann auf die Lichtburg, wo schließlich alle gut 1200 Plätze besetzt waren.
Wenn Stéphane Hessel am 14. Februar 2012 nach Essen kommt, könnte es ähnlich laufen. Der Franzose hat zwar keinen Nobelpreis, aber Charisma, eine bewegende Lebensgeschichte und eine Streitschrift, die es mühelos in die Bestsellerlisten schaffte. Das Bändchen mit dem Titel „Empört Euch“ lebt auch von der Glaubwürdigkeit des gebürtigen Deutschen Hessel, der in der Résistance kämpfte, das KZ Buchenwald überlebte und später Karriere als Diplomat machte.
Neugier auf die Nobelpreisträgerin
Folgerichtig haben Proust, das Deutsch-französische Kulturzentrum und das Kulturwissenschaftliche Institut die Lesung als „Begegnung mit Stéphane Hessel“ angekündigt, im Mittelpunkt soll seine Autobiographie „Tanz mit dem Jahrhundert“ stehen. Wie viele Menschen den heute 94 Jahre alten Schriftsteller erleben wollen, hat Buchhändlerin Beate Scherzer aber doch verblüfft. „Schon nach der ersten Meldung im WAZ-Kulturteil mussten wir aufs Astra ausweichen, inzwischen haben wir die Lesung in die Lichtburg verlegt und schon mehr als 800 Karten verkauft.“
Ein Ausreißer sei das, betont Beate Scherzer. Ähnliches haben sie zuletzt bei Bernhard Schlink („Der Vorleser“) erlebt, der die Lichtburg immerhin zur Hälfte füllte – und eben bei Herta Müller. „Da kamen Leute, die nie zuvor auf einer Lesung waren. Die wollten halt eine Nobelpreisträgerin sehen.“ Bei Hessel gehe es nur am Rande um Literatur, er habe eine Zeitströmung getroffen; in seiner Empörung fänden sich viele Leute wieder .
„Eigentlich sollten wir Bücher verkaufen“
Gemeinsam ist beiden Veranstaltungen aber, dass man sie nicht als pure Zufallstreffer abtun kann; auch wenn Proust im Jahr etwa 26 Lesungen veranstaltet, die meist erheblich weniger Publikum anlocken. Denn mit dieser literarischen Basisarbeit, mit der sorgfältigen Auswahl von Büchern und Autoren hat sich die kleine Buchhandlung einen Namen bei den großen Literaturverlagen gemacht. Das hilft, auch mal Berühmtheiten und Bestseller-Autoren nach Essen zu holen. „Für einen Paul Auster sind nur Hamburg, Berlin, Köln, Frankfurt und München gesetzt“, sagt Scherzer. „Aber gleich danach kommen wir.“
Bei aller Freude sieht die Buchhändlerin den Erfolg ihrer Lesungen auch kritisch: „Wir leben ja eigentlich davon, Bücher zu verkaufen, und dafür verkaufen wir zu wenig Bücher.“ Man täusche sich, wenn man Lesungen für gute Werbung halte. Tatsächlich gewinne man gerade die Besucher der Mega-Veranstaltungen selten als Kunden, weil viele von ihnen von außerhalb kommen, um eine Herta Müller zu sehen, so Scherzer. Zur Wahrheit gehört auch: „Bei den kleineren Formaten mit 40 bis 80 Zuhörern, nehmen wir nie das ein, was das Honorar kostet.“
Müller „beschreibt mit der Konzentration der Poesie und der Offenheit der Prosa die Landschaft der Enteigneten“, so die Königlich-Schwedische Akademie der Wissenschaften in der Begründung.
In ihrem Werk verarbeitet Müller seit Mitte der 80er Jahre die eigene und die Unterdrückung der Rumäniendeutschen allgemein unter dem Diktator Nicolae Ceausescu.
Imre Kertész (*1929), der mit seinem „Roman eines Schicksallosen“ (1975) Bekanntheit erlangte, wurde 2002 „für ein schriftstellerisches Werk, das die zerbrechliche Erfahrung des Einzelnen gegenüber der barbarischen Willkür der Geschichte behauptet“, ausgezeichnet.
Der französische Exilchinese Gao Xingjian (*1940) wurde 2000 „für sein Werk von universaler Gütigkeit, bitterer Einsicht und sprachlichem Sinnreichtum“ gekührt.
„Für sein volkstümlich-politisches Agitationstheater“ bekam der Italiener Dario Fo (*1926) anno 1997 den Literatur-Nobelpreis verliehen.
Die polnische Lyrikerin Wislawa Szymborska (*1923) wurde 1996 ausgezeichnet „für ihr Werk, das ironisch-präzise den historischen und biologischen Zusammenhang in Fragmenten menschlicher Wirklichkeit hervortreten lässt“.
Der japanische Autor Kenzaburo Oe (*1935), einer der bedeutendsten Schriftsteller seines Landes, erhielt 1994 den Nobelpreis für Literatur zugesprochen.
Die amerikanische Autorin Toni Morrison (*1931) wurde 1993 „für ihre literarische Darstellung einer wichtigen Seite der US-amerikanischen Gesellschaft durch visionäre Kraft und poetische Prägnanz“ geehrt.
Der mexikanische Dichter und Diplomat Octavio Paz (1914-1998) bekam 1990 die Auszeichnung „in Würdigung seiner leidenschaftlichen Dichtung mit weiten Horizonten, geprägt von sinnlicher Intelligenz und humanistischer Integrität“.
Der spanische „Prosakünstler“ Camilo José Cela (1916-2002) empfing 1989 die Nobelpreis-Ehrung.
Der Pole Czeslaw Milosz (1911-2004), „der mit kompromißloser Klarsicht der Stellung des Menschen in einer Welt von schweren Konflikten Ausdruck verleiht“, gewann den Literatur-Nobelpreis 1980.
Der Schwede Harry Martinson (1904-1978) feierte 1974 den bislang letzten „Heimsieg“...
...gemeinsam mit seinem Landsmann Eyvind Johnson (1900-1976), der ebenfalls 1974 prämiert wurde.
Heinrich Böll (1917-1985) wurde „für eine Dichtung, die durch ihre Verbindung von zeitgeschichtlichem Weitblick und liebevoller Gestaltungskraft erneuernd in der deutschen Literatur gewirkt hat“, mit dem Literatur-Nobelpreis 1972 bedacht.
Der sowjetische Regimekritiker Alexander Solschenizyn (1918-2008), bekannt durch „Der Archipel Gulag“ (1974), ausgezeichnet 1970 „für die ethische Kraft, mit der er die unveräußerliche Tradition der russischen Literatur weitergeführt hat“.
Miguel Ángel Asturias (1899-1974) aus Guatemala bekam 1967 „für seine in volkstümlicher Eigenart und indianischen Traditionen Lateinamerikas verwurzelten farbenreichen Dichtung“ den Literatur-Nobelpreis.
„Für ihre hervorragenden lyrischen und dramatischen Werke, die das Schicksal Israels mit ergreifender Deutlichkeit interpretieren“, bekam 1966 die deutsch-schwedische Jüdin Nelly Sachs (1891-1970) – gemeinsam mit dem Israeli Shmuel Agnon (1888-1970) – den Nobelpreis.
Vor allem für sein Epos „Der stille Don“ (1928-1940) wurde dem sowjetischen Autor Michail Scholochow (1905-1984) anno 1965 der Literatur-Nobelpreis verliehen.
„Für die epische Kraft, mit der er Motive und Schicksale aus der Geschichte seines Landes gestaltet“, bekam der Jugoslawe Ivo Andric (1892-1975) anno 1961 in Stockholm die Nobelpreis-Würden verliehen.
Auf Drängen der sowjetischen Regierung schlug Boris Pasternak (1890-1960) die Ehrung mit dem Literatur-Nobelpreis 1958 aus.
„Für seine bedeutungsvolle Verfasserschaft, die mit scharfsichtigem Ernst menschliche Gewissensprobleme in unserer Zeit beleuchtet“ erhielt der Franzose Albert Camus (1913-1960) 1957 die wichtigste Literaturauszeichnung.
Der Isländer Halldór Laxness (1902-1998) erhielt 1955 den Nobelpreis „für seine anschauliche Epik, die die große isländische Erzählkunst erneuert“.
Ernest Hemingway (1899-1961), einer der erfolgreichsten US-Schriftsteller, wurde 1954 ausgezeichnet „für seine kraftvolle und innerhalb der heutigen Erzählkunst stilbildende Meisterschaft, jüngst an den Tag gelegt in ‚The Old Man and the Sea‘ (1951)“.
Staatsmann und Publizist: Winston Churchill (1874-1965), mehrfacher britischer Premierminister, erhielt für seine politischen, historischen und biographischen Darstellungen 1953 den Nobelpreis für Literatur.
Der sowjetische Dichter und Übersetzer Ivan Bunin (1870-1953) wurde 1933 mit dem Nobelpreis für Literatur bedacht.
„Für die vornehme Schilderungskunst, die in ‚The Forsyte Saga‘ (ab 1907) ihren höchsten Ausdruck findet“, ehrt die Jury John Galsworthy (1867-1933) im Jahre 1932.
„Vornehmlich für seinen großen Roman ‚Buddenbrooks‘ (1901), der im Laufe der Jahre eine immer mehr sich festigende Anerkennung als ein klassisches Werk der zeitgenössischen Literatur gewonnen hat“, erhält Thomas Mann 1929 den Nobelpreis für Literatur zugesprochen.
„Für seine sowohl von Idealismus als auch von Humanität getragene Verfasserschaft, deren frische Satire sich oft mit einer eigenartigen poetischen Schönheit vereint“. Die Begründung zur Auszeichnung des Iren George Bernard Shaw (1856-1950) im Jahre 1925.
Wladyslaw Stanislaw Reymont (1867-1925) aus Polen erhält 1924 den Literatur-Nobelpreis „für sein großes Nationalepos ‚Die Bauern‘ (1902-1909)“.
Frédéric Mistral (1830-1914) aus Frankreich (im Bild) wurde 1904 – zusammen mit dem Spanier José Echegaray (1832-1916) – der Nobelpreis für Literatur verliehen.
Dritter Preisträger und erster Skandinavier: Der Norweger Bjørnstjerne Bjørnson (1832-1910) im Jahr 1903.
Erster deutscher Preisträger und der zweite Prämierte überhaupt: Theodor Mommsen (1817-1903), Historiker, der besonders für sein Monumentalwerk „Römische Geschichte“ (1854-1856) im Jahre 1902 den Literatur-Nobelpreis erhielt.
Sie haben vermutlich einen Ad-Blocker aktiviert. Aus diesem Grund können die Funktionen des Podcast-Players eingeschränkt sein. Bitte deaktivieren Sie den Ad-Blocker,
um den Podcast hören zu können.