Essen. Die kleine Essener Buchhandlung Proust hatte für diesen Dienstag mit der weithin unbekannten Schriftstellerin Herta Müller schon länger eine Autorenlesung vereinbart. Jetzt kommt die frisch gebackene Literatur-Nobelpreisträgerin Herta Müller. Die Lesung wurde flugs in die Lichtburg verlegt.

Als das Stockholmer Auswahlkomitee am Donnerstagmorgen die diesjährige Literatur-Nobelpreisträgerin bekannt gab, war in der beschaulichen Buchhandlung Proust im fernen Essen plötzlich nicht mehr an einen normalen Arbeitstag zu denken. Fortan ging nahezu ohne Unterbrechung das Telefon, surrten die Seiten aus dem Faxgerät, füllte sich der Email-Eingang immer wieder aufs Neue.

Mit der gewöhnlichen Betriebsamkeit im Buchhandel an solchen Tagen hatte das nichts mehr zu tun. Die Wahl Herta Müllers zur ersten deutschen Nobelpreisträgerin seit der Kür von Günter Grass 1999 bescherte der Branche nicht nur eine Überraschungssiegerin; plötzlich stand die Essener Buchhandlung Proust als Laden mit dem besonderen Riecher da. Denn: Herta Müller war schon länger für eine Autorenlesung am kommenden Dienstag, 13. Oktober, um 20 Uhr gebucht. „Die Leute fragen uns, ob wir Kontakte zum Nobelkomitee hätten”, sagte Buchhändlerin Beate Scherzer und lachte. Literaturinteressierte, die noch vor wenigen Tagen mit dem Namen Herta Müller wenig anzufangen wussten, bestürmten Proust nun mit Kartenwünschen für die Veranstaltung.

Lesungstermin erweist sich als Glücksfall

Scherzer ging bis Donnerstagabend davon aus, dass Müller trotz des frischen Nobelpreis-Ruhms nach Essen kommt. Zweimal in den vergangenen 15 Jahren war sie schon bei Proust. Diesmal will sie aus ihrem neuen Roman „Atemschaukel” lesen. Nur den Raum werden die Organisatoren wechseln müssen. Die kleine „Heldenbar” im Grillo war ohnehin ausverkauft, nun wird man wohl in den mehrere hundert Besucher fassenden Theatersaal umziehen.

Auch falls das Management der in Rumänien geborenen Schriftstellerin den Auftritt in Essen noch kurzfristig absagen sollte, erweist sich allein die geplante Lesung als Glücksfall für die Buchhandlung am Handelshof. Beate Scherzer hatte stapelweise Werke der Autorin bestellt, die bis gestern dem breiten Publikum weitgehend unbekannt war. Nach Bekanntgabe der Nobelpreise beginnt jedes Jahrs aufs Neue der Wettlauf des Handels um rasche Belieferung mit Werken des Siegers.

Ironischerweise hatte Müllers Verlag in dem Lesungsvertrag mit Proust um eine Ausstiegsklausel gebeten – falls die Autorin am kommenden Montag mit dem „Deutschen Buchpreis” bedacht werden sollte. Der Nobelpreis kam in keinem Gespräch vor.

ACHTUNG! Geänderter Ort für die Lesung mit Nobelpreisträgerin Herta Müller:

  • Herta Müller liest am Dienstag, 13. Oktober 2009, 20.00 Uhr (Eintritt ab 19 Uhr ) in der Lichtburg , Kettwiger Str. 36, 45127 Essen, Telefon 0201-231023 aus ihrem Roman "Atemschaukel". Karten ab Samstag, 12.oo bei der Lichtburg! Informationen dazu finden Sie im Internet unter buchhandlung-proust.de und twitter.com/proust_essen.