Essen. .

Soeben unterzeichnete Pablo Heras-Casado seinen Vertrag als neuer Chefdirigent des ebenso umtriebigen wie renommierten Orchestra of St. Luke’s in New York. Für Essen, wo der erste 34-jährige Spanier kürzlich sein viel beachtetes und enthusiastisch aufgenommenes Debüt bei den Philharmonikern gab und bereits als möglicher Nachfolger von Generalmusikdirektor Stefan Soltesz ab 2013/2014 gehandelt wird, stünde er nicht mehr zur Verfügung - hörte man zunächst.

Ein knappes Rennen

Dem ist jedoch nicht so. Man führe weiter Gespräche, Heras-Casado sei weiter im Rennen, nur hätten sich beide Seiten Bedenkzeit erbeten, hieß es gestern in Kulturdezernat, Geschäftsführung der Theater- und Philharmonie GmbH (TuP), aber auch in der Findungskommission, die sich aus Mitgliedern des TuP-Aufsichtsrats zusammensetzt.

Allerdings: Neben Heras-Casado seien immerhin noch drei andere absolut ernst zu nehmende Kandidaten in der engeren Wahl um die künftige musikalische Oberhoheit in Aalto-Oper und Philharmonie. Denn die Philharmoniker mit ihrem überregional hervorragenden Ruf sollen künftig noch stärker als Hausorchester an das Konzerthaus gebunden werden.

Man wartet auf Neues

Damit soll das Orchester noch stärker profiliert werden. Dass man dabei auch Festival-Gedanken unter Einbeziehung der „Essener“ hegt - man denke nur an das eben erfolgreich zu Ende gegangene Festival „NOW!“ - , war verschiedentlich bereits zu hören.

Dafür wäre Heras-Casado sicher der richtige Mann. Und dass die Philharmoniker neben ihrem großen romantischen Kernrepertoire auf Neues förmlich warten, ist längst kein Geheimnis mehr.

Einen blendenden Eindruck hinterlassen

Bisherige Begegnungen zwischen Musikern und Heras-Casado, nicht nur während der Proben zum letzten Sinfoniekonzert sind äußerst positiv verlaufen. So manches Orchestermitglied nahm die Gelegenheit wahr, den Dirigenten auch anderswo zu erleben, und jedes Mal habe Heras-Casado auch bei den Profis einen blendenden Eindruck hinterlassen.

Das dürfte auch bei Entscheidungsträgern nicht ungehört verhallen. Denn im Gegensatz zu früheren Zeiten wird das Orchester nun ernsthaft angehört. Für eine künftige Teamarbeit sicher unerlässlich, auch wenn man nicht das Privileg der Berliner Philharmoniker besitzt, die sich ihren Chef selbst aussuchen dürfen.

Eine Chance zur Profilierung

So stellt sich nun auf beiden Seiten die Frage, was man will. Dass Essen nicht zu den Orten der höchsten Gagen zählt, ist bekannt. Auf der Habenseite stehen aber neben zwei hervorragenden Häusern ohne Renovierungsstau der Chefposten eines hervorragend positionierten und motivierten Orchesters an einem Opernhaus, das zu den wichtigen im Lande zählt. Vergleichbare oder größere Häuser und Orchester stehen derzeit nicht auf der Liste der Vakanzen. Das wäre für jeden jüngeren spannenden Künstler eine attraktive Chance, sich (und Essen) weiter zu profilieren.

Dass Entfernungen und das Ausfüllen von zwei Stellen, ohne künstlerische Abstriche zu machen, heute kein ernstliches Hindernis bedeuten, machen andere Dirigenten reihenweise vor. Da kommt es auf die geschickte Ausgestaltung von Verträgen an – und das künstlerische Team mit Gastdirigenten, das der neue Intendant Hein Mulders um sich scharen wird. Aber das gilt sicher nicht nur im Falle eines Pablo Heras-Casado.

Im Februar oder März soll eine Entscheidung fallen

Mit dem Holländer Antony Hermus ist ein weiterer möglicher Chef der Generation unter 40 im Gespräch. Nach seinem kometenhaften Aufstieg in Hagen vom Praktikanten bis zum allseits beliebten Generalmusikdirektor in nur zehn Jahren begeistert er seit 2009 bei der Anhaltischen Philharmonie und am Staatstheater Dessau Kritiker wie Publikum.

Dass ihn die Fachzeitschrift „Opernwelt“ wiederholt in höchsten Tönen lobte und zum „Dirigenten des Jahres“ nominierte, blieb offensichtlich auch in Essen nicht ungehört. Im Februar oder März, so sagt man, solle eine Entscheidung fallen.