Essen. Zeitlich flexibel und individuelle Betreuung für das Kind: Tageseltern sind gefragt wie nie, die Verbände suchen neues Personal. Die Tagespflege wird immer beliebter innerhalb von drei Monaten stieg die Zahl der so betreuten Kinder um 200 auf 1025 an.

Früher war alles besser, behauptet der Volksmund ja gerne – strittig ist, ob er damit Recht hat. Wenn es aber um die Vermittlung von Tagesmüttern und -vätern geht, könnte diese These durchaus zutreffen – zumindest war es früher deutlich einfacher, erzählt Katja Krüger, Fachberaterin beim Verband alleinerziehender Mütter und Väter (VAMV). „Bis 2009 wurden wir mit Bewerbungen überhäuft, es gab aber auch weniger Anfragen.“ Heute sucht der Verband verzweifelt nach neuem Tagespflegepersonal, denn das Geschäft hat sich gewandelt.

„In Stadtteilen mit vielen jungen Familien, zum Beispiel Holsterhausen, Rüttenscheid oder Frohnhausen setzen viele Eltern mittlerweile auf Tagesmütter“, erklärt Krüger. Die Vorteile liegen auf der Hand: Tageseltern können zeitlich flexibler arbeiten, zum Beispiel auch bis in den Abend, wenn der Kindergarten längst geschlossen hat, und bieten eine individuellere Betreuung an. Besonders Familien mit zwei Berufstätigen nehmen dieses Angebot gerne in Anspruch. Für die Verbände bedeutet das zugleich: Mehr Personal wird gebraucht, doch davon gibt es mittlerweile zu wenig. „Gerade in den Nachmittags- und Abendstunden brauchen wir wirklich Verstärkung“, sagt Krüger.

Tendenz steigend

920 Kinder in Tagesbetreuung hat das Jugendamt im dritten Quartal gezählt, das Institut für Information und Technik ((IT.NRW) sogar 1025. Das sind 200 mehr als drei Monate zuvor, Tendenz steigend. Bis Ende 2011 prognostiziert das Amt über 1100 Kinder in Tagespflege, verteilt auf 354 Tagesmütter- und Väter, die das IT.NRW in seiner Bilanz führt. Zu wenig für die mittlerweile vier Verbände, Arbeiterwohlfahrt (AWO), Diakonisches Werk, VAMV und SkF, um alle Anfragen nach einer Kinderbetreuung positiv beantworten zu können.

Wer nun aufgrund des Brutto-Stundenlohns von 4,20 Euro pro Kind die Bezahlung als Ursache für fehlende Kinderbetreuer ausmacht, der liegt nur zu Teilen richtig. „Natürlich würden wir uns über eine bessere Bezahlung freuen, doch im Vergleich zu früher ist der Betrag ja schon ein großer Fortschritt“, schickt Krüger die anfangs genannte Weisheit schnell wieder zurück ins Reich der Fiktion.

Am Geld hapert es nicht

Seit 2009 hat sich der Lohn von 1,88 Euro auf das heutige Niveau mehr als verdoppelt. Generell sei das Geld nicht das größte Problem. „Finanziell hätten wir Kapazitäten, um mehr Tagesmütter zu beschäftigen“, bestätigt Jutta Kuhn, Fachdienstleiterin beim SkF.

Woran liegt es dann also, dass der Bedarf zwar steigt, die Verbände aber allesamt über zu wenige Bewerber klagen? Beim Jugendamt hat man schließlich einen „kontinuierlichen Anstieg“ beim Kindertagespflegebedarf erkannt und die finanziellen Mittel für mehr Erzieher bereitgestellt.

Hohe Anforderungen

„Ein Problem ist sicherlich, dass die Anforderungen an Tageseltern gestiegen sind“, sagt die VAMV-Fachberaterin Krüger. So müssen seit diesem Jahr, zusätzlich zu den 40 Grundkursstunden, die Betreuungsräume komplett rauchfrei sein und alle strafmündigen Mitbewohner ein polizeiliches Führungszeugnis vorlegen. Außerdem besuchen die Verbände die Räumlichkeiten der Betreuungsperson vor der Qualifikation. Erst dann darf eine Tagesmutter bis zu drei Kinder gleichzeitig betreuen, ab 160 Unterrichtsstunden gilt man als zertifizierte Kindertagespflegerin und darf bis zu fünf Kinder behüten. Ein weiteres Problem: „Kindertagespflege ist noch immer kein anerkannter Beruf“, erklärt Krüger. Selbst wenn alle Anforderungen erfüllt sind, hat die Betreuungskraft keine Ausbildung, sondern lediglich eine Fortbildung abgeschlossen.

Tagesmütter werden kaum wahrgenommen

Genau da sieht man auch beim SkF die Probleme der Branche. Jutta Kuhn: „Tagesmütter werden erst seit knapp drei Jahren überhaupt im Kinderbildungsgesetz berücksichtigt“ und daher von Erziehungspersonal kaum wahrgenommen. Doch genau aus dieser Ecke, von ausgebildeten Erziehern, bräuchte es mehr Unterstützung. Denn: „Mit Frauen, die die Erziehung ihrer eigenen Kinder abgeschlossen haben und nun als Tagesmutter weitermachen, können nicht alle Anfragen gedeckt werden“, erklärt Kuhn.

Durch die hohen Anforderungen lassen sich viele Interessierte aus diesem Bereich mittlerweile abschrecken. Für eine ausgebildete Erzieherin hingegen bietet ein Job in einer Kindertagesstätte zwar keine höhere Bezahlung – als voll qualifizierte Tagesmutter sind bis zu 2650 Euro Brutto zu verdienen (etwa 2100 Euro in der Kita) – dafür aber mehr Sicherheit. Freiberuflich als Tagesmutter oder fest angestellt als Erzieherin im Kindergarten – ein Großteil entscheidet sich für Urlaubsgeld und Lohnfortzahlung im Krankheitsfall.