Essen. . Die Stadt baut die Zahl der Kindergartenplätze weiter aus - in manchen Bezirken bleibt der Mangel trotzdem dramatisch.

Rund 300 Mal pro Tag wird die Website von Julia Füth und Jacinta Kellermann derzeit angeklickt. Und die jungen Frauen müssen nicht mal Werbung machen für ihr Forum, der Name spricht für sich: KeinKitaPlatzEssen.xobor.de Wer beim „Kita-Roulette“ leer ausgegangen sei, möge bei ihnen mitmachen, heißt es da. Das Formular zur Anmeldung eines Rechtsanspruches wird zum Runterladen angeboten.

„Denn wer hartnäckig ist, wer nervt, der hat am Ende meist Erfolg“, sagt Jacinta Kellermann. Sie weiß von Eltern, die ihre Kinder an Dutzenden Kitas anmelden, die immer wieder anrufen oder vorbeifahren. Zeitaufwendig und nervenaufreibend sei das, aber angesichts der fehlenden Kita-Plätze fast unumgänglich.

Füth und Kellermann gingen im vergangenen Jahr an den Start, als sie - schließlich mit Erfolg - Kita-Plätze für die eigenen Kinder suchten. Damals fanden 1700 Kinder in Essen keinen Platz; und die Aktivistinnen glauben, dass sich das nicht entscheidend geändert hat. Dabei hat sich die Versorgungsquote zumindest leicht verbessert: Für Kinder zwischen drei und sechs Jahren soll sie im kommenden Kita-Jahr bei 92 Prozent liegen, im Vorjahr waren es 89,6 Prozent. Für die unter Dreijährigen stieg die Quote von 19,1 Prozent auf 20,3 Prozent. Dabei sind die Plätze bei Tagesmüttern mitgezählt.

„Die Stadt hat gepennt“

Zwar würden viele Eltern auch für ihre Zweijährigen eine Kita bevorzugen, doch da ist der Ausbau ins Stocken geraten. Die Betreuung der Kleinstkinder ist nämlich personalintensiver, die Gruppen dürfen nur 20 statt 25 Kinder aufnehmen. „Jeder neue Platz für ein Kind unter drei schluckt mindestens einen für ein älteres Kind“, sagt Jugendhilfeplanerin Anne Müting. Das Jugendamt setzt darum für die Kinder unter drei vor allem auf Tagesmütter.

„Die Stadt hat gepennt“, heißt es dazu bei einem großen Kita-Träger. Obwohl es für Kinder ab drei Jahren seit langem einen Rechtsanspruch gebe, habe Essen nie eine 100-prozentige Versorgungsquote angestrebt. Mit Verweis auf die Kosten und die sinkenden Geburtenraten habe man mit nur knapp 90 Prozent geplant. „Andere Städte haben 100 Prozent angepeilt. Auch weil sie erkannt haben, dass es zwar insgesamt weniger Kinder geben mag, diese aber immer früher in die Kitas kommen.“ Das erwies sich als weitsichtig: Ab 2013 haben schon Zweijährige einen Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz.

Ob Essen bis dahin die Versäumnisse der Vergangenheit ausgleichen kann, muss sich zeigen. 2011 ist typisch, was Ute Drees, die Leiterin des Kindergartens „Sterntaler“ in Borbeck berichtet: „Wir hatten 70 Anmeldungen für zehn Plätze.“ Für die abgelehnten Eltern ist das bitter, für die Einrichtung ist es auch eine Anerkennung: „Sterntaler“ ist eine der drei Kitas, die vor einem Jahr vom Bistum an die Berliner Fröbel-Gruppe gingen - gegen Widerstände einiger Essener Träger. Von einer „Kita-Mafia“, die vom Mangel gut lebe, spricht einer der Träger selbst. Fest steht, dass die Stadt von Kirchen und Wohlfahrtsverbänden abhängig ist: Von 243 Kindertageseinrichtungen, sind nur 45 städtisch.

„Wir wünschen uns eine gleichmäßige Versorgung“

Damit hat die Stadt auch ein Steuerungsinstrument aus der Hand gegeben: Die Dichte der Kinderbetreuung schwankt je nach Bezirk erheblich. „Was wir sehr vermissen, ist eine gleichmäßige Versorgung“, sagt die Vize-Vorsitzende des Stadtelternrates, Sonja Boos. Sie selbst hat zwei Kinder im Alter von 7 Monaten und von vier Jahren und wohnt in Kupferdreh, wo es nur für 70 Prozent der Drei- bis Sechsjährigen einen Kita-Platz gibt. Ihre ältere Tochter besuchte erst einen Kindergarten in Überruhr. „Da musste ich schon 7 Kilometer fahren, bevor ich mich auf den Weg zur Arbeit in Wuppertal machte.“ Für ihr Baby hat sie gleich eine Tagesmutter in der Nachbarschaft engagiert. Was sie sich vom Jugendamt wünscht? „Einfach ein Gespräch. Wir warten auf einen Termin, um die Nöte der Eltern darstellen zu können.“