Essen. .
Oberbürgermeister Reinhard Paß hatte in der Ratssitzung den Etatentwurf für das kommende Jahr gerade eingebracht - als nächster Schritt auf dem Weg zu einem ausgeglichenen Haushalt, den die Stadt bis zum Jahr 2015 anstrebt. Da folgte ein Hilferuf des Stadtrates auf dem Fuße.
Und zwar in Form eines Appells an die Landesregierung: Sollte in Düsseldorf nicht Vernunft einkehren, ist das ehrgeizige Ziel nicht zu halten, so der Tenor des gemeinsamen Antrags von CDU, SPD, FDP, Grünen und Essener Bürgerbündnis.
Hintergrund: Zwar hat das Land einen Entschuldungsfonds für klamme Kommunen in Höhe von 350 Millionen Euro aufgelegt und im Landeshaushalt verankert. In den Genuss finanzieller Hilfe sollen nach dem Stand der Dinge jedoch noch jene Städte und Gemeinden kommen, die überschuldet sind, oder denen ein solches Schicksal in den kommenden beiden Jahren droht.
Die Stadt Essen hingegen hatte dieses Szenario mit dem Spar-Doppelhaushalt 2010/2011 noch so eben abwenden können. Eine Kraftanstrengung „nach der Rasenmähermethode“, wie Oberbürgermeister Reinhard Paß in seiner Etatrede einräumte. Die Sparbemühungen dürften nicht bestraft werden, auch Essen möchte von dem Entschuldungsfonds profitieren. Ein Appell, dem sich die Linksfraktion verschloss: Die Ratsmehrheit streue den Bürgern mit dieser Resolution nur Sand in die Augen, so Fraktionssprecher Hans-Peter Leymann-Kurtz.
Am eingeschlagenen Sparkurs will die Stadt festhalten. Stadtkämmerer Lars Martin Klieve kalkuliert für 2012 mit einem Defizit von 264 Millionen, das in den kommenden Jahren weiter sinken soll auf 77 Millionen im Jahr 2015.
60 Millionen Euro mehr Zinsbelastung
Dann aber wird die steigende Zinslast die städtische Finanzen nach Einschätzung des Stadtkämmerers in „arge Bedrängnis“ bringen. Die jüngste Leitzinserhöhung durch die Europäische Zentralbank deutet an, wohin die Reise geht. Für 2015 rechnet Klieve bereits mit einer Zinsbelastung von 150 Millionen Euro - 60 Millionen Euro mehr als im vergangenen Jahr. Das Gewicht der Kredite von mehr als zwei Milliarden Euro erdrückt jegliche Sparanstrengung. Gerade deshalb sei es so wichtig, dass das Land die Stadt bei der Haushaltskonsolidierung unterstütze. Der eingeschlagene Weg sei ambitioniert, aber richtig, so Klieve.
„Wir haben zwar keinen sanierten Haushalt, aber einen beherrschbaren“, sagte OB Paß mit Blick auf das Zahlenwerk für 2012. Sparen will die Stadt auf allen Ebenen - ohne dass es dabei zu betriebsbedingten Kündigungen kommt. Klieve setzt bei der Personalplanung auf natürliche Fluktuation. Bis zum Jahr 2024 scheiden rund 40 Prozent der städtischen Beschäftigten altersbedingt aus. Durch die Blume forderte der Kämmerer die städtischen Tochtergesellschaften auf, sich stärker am angestrebten Haushaltsausgleich zu beteiligen. Zumindest die Erträge müssten Stimmen. Ausnahme: Die Messe Essen, deren Verluste mit 13,5 Millionen Euro pro Jahr ausgeglichen werden. Ausdrücklich wiederholte Paß vor diesem Hintergrund sein Bekenntnis zur Messe.
Spielräume, die der Haushalt lässt, sollen allen voran in die Bildung fließen. Im Wettbewerb um kluge, gut ausgebildete Köpfe sieht Paß den Schlüssel für Essens Wettbewerbsfähigkeit; dieser sei „oberste Priorität“ einzuräumen. Der OB vermied den Begriff „Vision“, die manch einer von ihm erwartet, sprach lieber von der „Strategie 2030“ und entwarf das Bild einer „starken Stadt“. Wenn ihr bis dahin bloß finanziell nicht die Puste ausgeht.