Essen. . Ein Bericht des Unternehmens Roland Berger zeigt verschiedene Planspiele zum Umgang mit der finanziell angeschlagenen Messe Essen auf. Es empfiehlt, die Existenz des Betriebes zu sichern - und Modernisierung wie auch Ausbau zu wagen.
Seit rund anderthalb Jahren berät das Unternehmen Roland Berger die Messe Essen. Jüngst legten die Berater für die in finanzielle Schieflage geratene Ausstellungsgesellschaft einen Bericht vor, der die Brisanz der Situation darlegt, gleichzeitig den klaren Rat enthält, Modernisierung und Ausbau zu wagen. Kernsatz: „Die Beibehaltung des Status Quo ist keine gangbare Option und käme einer Schließung der Messeaktivitäten gleich.“ So verwundert es nicht, dass die Messe-Führung in ihrem Überlebenskampf um städtische Millionen wirbt.
Die Argumentationskette ist einfach: Wird nicht schnell aufgewertet und ausgebaut, wandern weitere Messe-Veranstalter ab und der Messebetrieb kann einpacken. Dass es sich bei dem von der Messe-Geschäftsführung aufgezeichneten Zahlenspiel nicht um ein Schreckensszenario handelt, das die Ortspolitik zur übereilten und kritiklosen Investitionszusage bewegen soll, legt das Roland Berger-Papier dar. Untersucht hat das Team um Projektleiter Norbert Stoeck drei Varianten:
Szenario 1: Status Quo
Was passiert, wenn man weiter fährt wie bisher? Die Bewertung der Zahlen verdeutlicht die - jüngst bekannt gewordene - prekäre Situation. Bis 2015 werden sich die Verluste auf 50,4 Millionen Euro summieren, im gleichen Zeitraum würde sich - aufgrund des Schuldendienstes - eine Eigenkapitallücke von mindestens 31 Millionen Euro ergeben. Schon 2011 wäre die Hälfte des gezeichneten Kapitals aufgezehrt. Zu gering, so ein Branchenkenner, seien die Umsätze, die Teile der Hallen einspielen. Während die modernen Flächen im Bellini-Bau für bis zu 140 Euro/m² vermietet werden, sind die Nordhallen defizitär. Teils werden sie nur einmal im Jahr zu einem stark reduzierten Preis (30 Euro/m²) vermietet.
Träume in Weiß
So lautet das Fazit im Berger-Papier nicht überraschend: „Ende 2012/Anfang 2013 ist bei fehlenden Gegenmaßnahmen ein Insolvenzantrag wegen Zahlungsunfähigkeit zu stellen“ – wenn es wie bislang weiter läuft.
Zu bedienen wären in diesem Fall zudem die Verbindlichkeiten der Stadttochter, die sich auf über 100 Millionen Euro belaufen. Die Strafzahlungen aus dem Cross Border-Leasing-Vertrag, der einen Weiterbetrieb bis 2032 verlangt, belaufen sich auf 70 Millionen Euro, die von der Messe zu zahlen wären, und Betrag, den die Stadt aufbringen müsste, den Kämmerer Lars-Martin Klieve jedoch nicht genau beziffern kann.
Szenario 2: Kooperation
Die zweite von den Roland Berger-Beratern untersuchte Variante beschäftigt sich mit einer möglichen Kooperation mit der Messe Düsseldorf. Die Arbeitsgruppe um Norbert Stoeck kommt zu dem Ergebnis, dass das Zusammengehen Vorteile bringen würde – doch der Aufsichtsrat der Messe Düsseldorf, die zurzeit rund 500 Millionen Euro in ihren Messebetrieb investiert, winkte bisher ab.
Szenario 3: Investition
Bleibt die Variante 3, die sich mit einer Neuausrichtung der Messe nach weiteren Investitionen befasst. Die Idee ist bekannt: 100 Millionen Euro Bürgschaftszusage der Stadt, damit die Messe weitere 100 Millionen Euro Kredit aufnehmen kann, um zu expandieren und die veraltet ausgestatteten Hallen zu modernisieren.
Ein Branchenkenner attestiert diesem Plan Potenzial. Mit dann attraktiveren Flächen von insgesamt rund 100 000 Quadratmetern ließen sich mittelgroße Messen anlocken, andere in Essen halten. Zwar ist das Geschäft hart umkämpft, doch gerade Messe-Veranstalter aus dem mittleren Segment füllten lieber kleine Hallen aus, als auf riesigen Geländen unterzugehen.
Verkehrsanbindung und Gastronomie sind Pluspunkte
Als Pluspunkt wertet das Berger-Papier den Standort mit günstiger Verkehrsanbindung, und den nahe gelegenen Hotels und Restaurants. Wie gut sich in der Stadt moderne Flächen vermarkten lassen, zeige auch die hohe Auslastung des Bellini-Baus (Messe West) - doch allein damit lässt sich der Betrieb nicht weiter halten.
Die Krux: Trotz der drängenden Zeit lässt sich keins der Probleme rasch lösen. Denn es gibt erstens kein Baurecht, zweitens ist kein Geld da. Und es gibt - drittens - noch keine wirklich belastbare Zusage seitens der Politik, die Ausbaupläne zu unterstützen – oder gar zu finanzieren.
Teuer wird es in jedem Fall
Teuer wird es für die Stadt jedoch in jedem Fall. Bei einem Messesterben bliebe die Stadt auf Schulden, Cross-Border-Leasing- und Abwicklungskosten sitzen. Bei einer Messe-Fortführung müsste kräftig investiert werden.
Die schönsten Grid Girls
Die Unternehmensberater kommen daher zu dem Schluss, „die Vorwärtsstrategie ist die einzig mögliche Option“ und empfehlen darüber hinaus, den Ausgleich laufender Verluste. OB Reinhard Paß ist dieser Analyse in weiten Teilen gefolgt. Ob die Ortspolitik den Einschätzungen ebenfalls folgt, wird diskutiert.