Essen-Stadtwald. Christoph Heger betreibt einen Laden mit Lottoannahmestelle und Schulsachen in Essen-Stadtwald. Für die Zukunft orientiert er sich neu.
Das Traditionsgeschäft „Bürobedarf Heger“ ist seit fast 100 Jahren eine Institution am Stadtwaldplatz in Essen. Doch nach dem 27. Juli müssen die Kundinnen und Kunden woanders nach Schreib-, Schul-, und Geschenkartikeln, nach einer Lottoannahmestelle und nach Büchern suchen. Christoph Heger hat auch den Vertrag mit der Post gekündigt. Eines ist dem 65-Jährigen aber wichtig: „Die Stadtwälder sollen wissen, dass wir mit unserem Reisebüro an Ort und Stelle bleiben.“
Der gelernte Reiseverkehrskaufmann hat sich entschieden: „Wir werden unser Reisebüro von 40 auf 140 Quadratmeter vergrößern. Da ich mir gut vorstellen kann, dass die dann völlig neu strukturierte Fläche zusätzliche Kunden anlockt, werden wir auch personell aufstocken. Eine weitere Kraft soll meine Mitarbeiterinnen Meike Brune und Michaela Gürtler unterstützen.“
Für das Schreibwarengeschäft in Essen-Stadtwald fehlt ein Nachfolger
Man müsse die Zeichen der Zeit erkennen: „Kleine Schreibwarengeschäfte haben keine Chance mehr. Der Onlinekauf wird immer stärker und viele unserer Artikel sind auch im Discounter zu finden.“ Dazu der Mangel an Fachkräften: „Qualifizierter und vor allem engagierter Nachwuchs ist nicht zu finden.“ Die beiden Söhne wollten das Geschäft nicht übernehmen: Sie leben weit weg von Essen und haben andere Berufe erlernt.
Also gab Christoph Heger Inserate auf und suchte auch mit Unterstützung der Industrie- und Handelskammer (IHK) nach einer Nachfolge: „Es waren verschiedene Bewerber da. Das waren durchaus interessante Gespräche.“ Aber der Funke sei nicht übergesprungen. Nur den Schulbuchvertrieb wolle er weiterführen, da er sich bei den Schulen im Wort fühle.
Heger nimmt sich Zeit für einen Blick zurück: „Alles begann 1927 mit einem kleinen Ladenlokal. Meine Großeltern Albert und Bernhardine eröffneten am Stadtwaldplatz eine Filiale des bereits bestehenden Schreibwarengeschäftes in Rellinghausen.“ Nach dem Tod Albert Hegers 1956 übernahm Alfried Heger das elterliche Geschäft: „Er zog dann an die Ecke Frankenstraße und Ahornstraße.“ Ein Foto zeigt die Belegschaft im Jahr 1985: „Ganz rechts meine Mutter Margret und mittig mein Vater.“
Die ersten Schritte zur Selbstständigkeit tat Heger, als er 1987 in das Geschäft seiner Tante an der Frankenstraße 168 einstieg und ein Reisebüro hinzufügte: „Zuerst war da nur ein Schreibtisch.“ In den vergangenen Jahren habe man viele Krisen überstehen müssen. „Erst 9/11, danach die Pleiten von Air Berlin und Thomas Cook, dann Corona und jetzt der Ukraine-Krieg.“
Eine Zeit lang führte der Inhaber zwei Geschäfte in Essen
Auf Reisen haben Dorothea und Christoph Heger privat am liebsten viel Wasser um sich herum: „Wir haben die Transatlantik-Überquerung gemacht mit der Aida. Und zwar ausgerechnet 2010, als der isländische Vulkan Eyjafjallajökull den Flugverkehr ausbremste. Ein echtes Abenteuer.“ Christoph Heger mag auch die Hurtigruten: Man lerne in fünf Tagen 36 verschiedene Häfen entlang der norwegischen Küste kennen.
Da er nach dem plötzlichen Tod des Vaters 1990 beide Geschäfte führen musste, aber nicht „auf zwei Hochzeiten tanzen“ wollte, verkaufte Heger das Geschäft in Rellinghausen an „Photo Stahl“ und konzentrierte sich auf das an der Ahornstraße in Stadtwald: „Dort befindet sich heute das Café del Ángel. Die Hausbesitzer bauten damals sogar den Pavillon an für mein Reisebüro.“
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Als vor 22 Jahren die Deutsche Bank ihre Filiale am Stadtwaldplatz 3 schloss, nutzte Heger die Chance: „Die größere Fläche war ideal, um Post und Postbank mit dazu zunehmen.“ Doch als jetzt die Postbank ankündigte, sich im Jahr 2025 aus allen in Einzelhandelsgeschäften untergebrachten Filialen zurückzuziehen, war das Maß voll: „Nur noch Briefpost und Pakete, das lohnt sich einfach nicht mehr aus unternehmerischer Sicht.“
Nun kommt es im Juli zum Abverkauf der Lagerbestände: Viele der Mitarbeiterinnen im Schreibwaren-Laden sind schon bis zu 25 Jahre dabei und gehen in den wohlverdienten Ruhestand. Dann steht der Umbau des Reisebüros an: „Dafür werden wir voraussichtlich den ganzen August benötigen. Danach haben wir viel mehr Platz, um unsere reiselustige Kundschaft zu beraten.“
Eigentümer steht über 50 Jahre hinter dem Verkaufstresen im Essener Süden
Christoph Heger wuchs im elterlichen Geschäft auf und arbeitete schon bald mit: „Also stehe ich nun schon seit über 50 Jahren hinterm Verkaufstresen. Und ich werde ja auch nicht jünger. Von daher ist der Schritt genau der richtige.“ Er möchte alles etwas ruhiger angehen, freut sich auf Motorradtouren mit Freunden, aufs Ski- oder Radfahren. Seit seinem zwölften Lebensjahr ruderte er beim Etuf: „Ich war eine Zeit lang Steuermann im Achter.“ Heute sitzt er nicht mehr im Boot, hilft aber bei nationalen und internationalen Ruderregatten auf dem Baldeneysee.
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