Essen. Sicherheit, Sauberkeit, City-Verödung: Beim Umfrage-Vergleich mit zwölf Großstädten steht Essen ganz unten. Positive Ausreißer gibt‘s aber auch.

In Städte-Rankings basierend auf Umfragen schneidet Essen oft allenfalls mittelmäßig ab, aber diesmal kam es besonders dicke: In einer aktuellen Erhebung des Wirtschaftsprüfungsunternehmens PwC zur Wohlfühlqualität in zwölf deutschen Städten über 500.000 Einwohnern landet Essen im Urteil der eigenen Bürger in mehreren Kategorien auf dem letzten Platz - teils sogar mit großem Abstand. Im Zentrum der Kritik steht dabei wie eigentlich immer die Innenstadt. Es gibt allerdings einige bemerkenswerte positive Ausreißer.

Beim Thema Zufriedenheit mit der Innenstadt ist Essen im Urteil der eigenen Bürger negativ führend, obwohl die Umfrage zeigt, dass auch andere Städte ihre Probleme haben. Nur 32 Prozent der Essener sagen, sie seien mit der Innenstadt sehr oder wenigstens eher zufrieden, in der zweitschlechtesten Stadt Hannover sind es mit 42 Prozent schon deutlich mehr. In München empfinden 71 Prozent die Innenstadt unterm Strich als attraktiv, in Berlin 66 Prozent und selbst im drogengeplagten Frankfurt sagen 60 Prozent, man könne zufrieden sein. Der Durchschnitt liegt bei 57 Prozent.

Leerstehende Läden, Filialisten-Ketten und Shoppingcenter werden als störend empfunden

Besonders krasse Ergebnisse gab es beim Unterpunkt „Verödung der Innenstadt“, was vor allem leerstehende Läden, Dominanz von Filialisten-Ketten und Shoppingcentern meint. 89 Prozent der Essener sagen, dies treffe „sehr“ oder „eher“ auf Essen zu - soviele wie nirgends sonst. Allerdings liegt der Durchschnitt hier bei 78 Prozent, und selbst die Bürger des Spitzenreiters Leipzig sehen zu 69 Prozent mehr oder weniger deutliche Verödungstendenzen.

Mindestens genauso kritisch beurteilen die Essener den Themenkomplex „Sauberkeit, Ordnung und Erscheinungsbild“, und hier sind auch die Abstände enorm. Nur 40 Prozent der Essener sagen, man könne zufrieden sein, aber 81 Prozent der Münchener und 71 Prozent der Nürnberger. Der Durchschnitt in der Zufriedenheitsskala liegt bei 61 Prozent.

Viele Essener fürchten sich zu später Stunden an Bahnhöfen und U-Bahnstationen

Taucht man tiefer ein in die Ergebnisse zum Komplex Sicherheit, findet man rasch die üblichen Stichworte, die immer wieder in der örtlichen Diskussion eine Rolle spielen und bei denen Essen in der PwC-Umfrage durchgehend den letzten Platz belegt: 68 Prozent der Bürger vermeiden „Orte mit bekannter Drogen- oder Gewaltproblematik“ (Spitzenreiter München: 50 Prozent), 65 Prozent sind „soziale Brennpunkte mit hoher Kriminalitätsrate“ nicht geheuer (München: 43 Prozent), 62 Prozent fürchten sich auf „Bahnhöfen oder U-Bahnstationen zu später Stunde“ (München: 35 Prozent), 54 Prozent sind ängstlich in „abgelegenen Parkhäusern oder Parkplätzen“ (München: 34 Prozent). Bei „Parks und Grünflächen“ gibt Essen die rote Laterne knapp an Leipzig ab: Dort meiden 39 Prozent solche Orte, in Essen 38 Prozent.

Unsicherheitsfaktor U-Bahn-Station. Vergleichsweise viele Essener fühlen sich um Untergrund unwohl.
Unsicherheitsfaktor U-Bahn-Station. Vergleichsweise viele Essener fühlen sich um Untergrund unwohl. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

Aber die Studie, die auf Befragungen von bundesweit insgesamt 4200 Arbeitnehmern basiert, hat auch Positives für Essen zu bieten. Demnach ist nirgendwo das Heimatgefühl so stark ausgeprägt wie in der Ruhrstadt. 65 Prozent der Befragten aus Essen und Umgebung sagen, sie seien in Stadt und Region „stark verwurzelt“ - Münchener sehen das nur zu 60 Prozent so, Frankfurter zu 51 Prozent. Auch bei der Zahl der in der jeweiligen Stadt Geborenen ist Essen mit 62 Prozent der Befragten führend.

Die Heimatverbundenheit ist in Essen größer als anderswo, die Essener hängen an ihrer Stadt

Die Kehrseite: Nur 39 Prozent der Essener sind irgendwann aus privaten und 30 Prozent aus beruflichen Gründen nach Essen gezogen, andere Städte sind in höherem Maße Zuzugsgebiete und profitieren von sozialer Mobilität. Da ist fast logisch, dass die Heimatverbundenheit in Essen größer ist. Man könnte sagen: Obwohl sie viel an ihrer Stadt auszusetzen haben, hängen Essener sehr an ihrer Stadt. Und manche hängen wohl sogar fest, was nicht nur positiv zu sehen ist. Denn höhere soziale Mobilität wie in München oder Frankfurt ist eben auch ein Kennzeichen wirtschaftlicher Stärke.

Gern gelesen in Essen

Ein Grund für die Heimattreue der Essener sind vermutlich die Mieten. Die Zufriedenheit mit den Mietpreisen beträgt in Essen immerhin 37 Prozent. Das mag man noch als wenig empfinden, gleichwohl rangiert die Ruhrstadt damit ganz oben in der Umfrage. In München oder Stuttgart beurteilen nur 16 Prozent das Mietnieveau als angemessen, was bei den dort üblichen Preisen fast schon erstaunt. Und in noch einem Punkt liegt Essen weit vorn, durchaus erwartungsgemäß: 80 Prozent sind mit dem Kulturangebot sehr oder eher zufrieden, mit 83 Prozent liegt München zwar auch in diesem Punkt auf Platz 1, aber nur knapp. In Berlin sind nur 74 Prozent kulturell zufrieden, der Durchschnitt liegt hier bei 72 Prozent.

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Die Essen Marketing Gesellschaft (EMG) hält die Ergebnisse der Umfrage größtenteils für plausibel

Bei der Essen Marketing GmbH sieht man Städte-Rankings nicht immer als der Weisheit letzter Schluss an, aber Geschäftsführer Richard Röhrhoff hält die für Essen negativen wie positiven Ergebnisse der PwC-Umfrage größtenteils für plausibel. Vor allem der Punkt Sicherheit müsse Essen zu denken geben. „Ich mahne seit langem mehr Polizeipräsenz in der Innenstadt an, NRW ist hier generell zu lax“, so Röhrhoff. Dass in Bayern mehr Wert auf Ordnung und Regeltreue gelegt und dies auch mit Personal unterfüttert werde, zahle sich aus. Das zeige die Umfrage deutlich. Polizeipräsenz zu Fuß und auf der Straße sei der Schlüssel für ein ausreichend hohes Sicherheitsgefühl, das in Essen fehle.

Konsequent müsse die Stadt zudem am Thema Sauberkeit dranbleiben. „Erscheinungsbild und Sicherheitsgefühl hängen zusammen.“ Wo es dreckig ist, fühle man sich automatisch auch eher bedroht, selbst wenn es dafür keinen rationalen Anlass gebe. Ansonsten wagt Röhrhoff die These, dass die Essener kritischer mit der eigenen Stadt ins Gericht gehen - und zwar vielleicht gerade deshalb, weil sie sich mit Essen so verbunden fühlen.

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