Essen. Eine kleine Zahl von aggressiven, suchtkranken Obdachlosen verbreitet in Essen Angst und Schrecken. Ein neues Projekt soll helfen.
Eine kleine Zahl von psychisch kranken, aggressiven Obdachlosen verbreitet unter Innenstadt-Besuchern regelmäßig Angst und Schrecken oder verhält sich auffällig. Kunden von Geschäften und Restaurant- oder Hotelbesucher werden seit rund anderthalb Jahren immer wieder attackiert, bespuckt oder auf andere, grenzverletzende Art angegangen. Das berichtet Essens Sozial- und Gesundheitsdezernent Peter Renzel. Die Stadt reagiert jetzt mit einem neuen Hilfsangebot, das gemeinsam von der „Suchthilfe Direkt“ und der LVR-Klinik ins Leben gerufen wurde. Somit sollen Innenstadtbesucher langfristig stärker geschützt und den Obdachlosen geholfen werden.
Etwa ein Dutzend psychisch Kranker, die ohne festen Wohnsitz sind, würde seit Ende der Corona-Pandemie regelmäßig Gäste in Cafés und Restaurants oder Geschäften belästigen, teilweise körperlich angehen oder sich auffällig verhalten. „Es gab Szenen, wo Kellnern in Gastronomiebetrieben auf dem Kennedyplatz das Tablett aus der Hand geschlagen wurde oder Hotelbesucher erheblich gestört wurden“, berichtet Renzel. Es gebe die „unterschiedlichsten Drohszenarien. Teilweise lassen sich Angestellte von Geschäften nach Feierabend abends aus Angst zu ihren Autos begleiten.“
Nach Angaben von Norbert Scherbaum, dem Leiter der Kliniken für Psychiatrie und Psychotherapie im LVR-Uniklinikum handelt es sich um psychisch Kranke, die häufig ihre Medikamente nicht richtig nehmen würden und deshalb massive Ausfallerscheinungen hätten. Häufig litten sie an unterschiedlichsten Suchterkrankungen. „Alle Betroffenen sind uns persönlich bekannt“, betonten Renzel und Scherbaum bei der Vorstellung des Hilfsprojekts „Eins und eins macht drei“ am Montag.
Diese kleine Gruppe von Auffälligen sei in der Regel kaum auf normalem Wege ansprechbar, lasse sich auch häufig durch Polizei, Ordnungsamt oder Security selten einschüchtern. „Wir müssen hier einen neuen Weg der Ansprache finden, um alle Beteiligten zu schützen“, sagt Renzel. „Das Thema hat uns in den letzten anderthalb Jahren nicht mehr losgelassen.“
Neu: Im Tandem unterwegs, um problematische Obdachlose anzusprechen
Seit Anfang Januar sucht Caspar Stolz, Sozialarbeiter der Suchthilfe Direkt, gemeinsam mit dem examinierten Krankenpfleger Volker Rust, der seit 32 Jahren in der LVR-Klinik Erfahrung mit psychisch erkrankten Abhängigen hat, die problematischen Männer und Frauen auf. „Unser Ziel ist es, das Vertrauen dieser Menschen zu gewinnen und sie ins Hilfesystem zurückzuführen“, sagt Klinik-Chef Scherbaum. Das bedeutet: Es gehe darum, dass die aggressiven Obdachlosen wieder regelmäßig und in korrekten Dosen ihre Medikamente nehmen, um nicht weiter auffällig und gefährlich zu agieren. Volker Rust: „Wir haben hier mit Menschen zu tun, die mit ihrer emotionalen und wirtschaftlichen Not und nicht zuletzt wegen ihrer Sucht massiv überfordert sind. Wegen persönlicher Erfahrungen und ihrer psychischen Instabilität können sie der Gesellschaft gegenüber misstrauisch, manchmal auch misstrauisch begegnen.“
Alle Beteiligten des Projekts betonen, dass es nicht um Bettler gehe, sondern um die relativ überschaubare Anzahl von auffälligen Wohnungslosen, die Innenstadt-Besucher regelmäßig mit aggressivem Verhalten bedrohten und somit dauerhaft Innenstadt-Besucher vertreiben würden. Caspar Stolz und Volker Rust würden sich aber auch an Leidtragende wenden und die Nummer einer Hotline weitergeben, die im akuten Bedrohungsfall angerufen werden kann. Somit soll auch Soforthilfe gewährleistet sein; Streetwork-Angebote sollen schnelle Reaktionen bieten.
Neues Hilfsprojekt zunächst für anderthalb Jahre
Das neue Hilfsprojekt ist zunächst auf zweieinhalb Jahre angelegt und wird vom Land finanziert. „Jede Großstadt kennt diese Probleme, das Interesse anderer Kommunen ist sehr groß“, berichtet Renzel. Noch würden keine konkreten Erfahrungen vorliegen: „Das ist dem kalten Wetter geschuldet, doch wir sind davon überzeugt, dass wir bald regelmäßig Mitglieder der Zielgruppe antreffen können“, sagen Caspar Stolz und Volker Rust. An drei Tagen pro Woche sind sie in der Fußgängerzone von Essens Innenstadt unterwegs, um die auffälligen Obdachlosen anzusprechen; grundsätzlich werde „flexibel und bedarfsorientiert“ gearbeitet.
Marc Heistermann, Chef des örtlichen Einzelhandelsverbands, begrüßt die Maßnahme ohne Einschränkungen: „Wir haben es hier mit einer kleinen Zahl von Menschen zu tun, die nur wenig kontrollierbar ist, und bei der man mit rein repressiven Maßnahmen nichts ausrichten kann.“ Der Aufwand, um diese überschaubare Gruppe von Menschen zu erreichen, sei „enorm, aber genau richtig.“
Essens Sozialdezernent betonte, dass es entgegen landläufiger Meinung mit einem simplen „Wegsperren“ kaum getan sei: „Rechtlich gibt kaum langfristige Maßnahmen, die helfen; auch Hausverbote bringen nichts“, erklärte der Sozialdezernent. Man sei „gespannt auf die Ergebnisse“; das gesamte Projekt wird wissenschaftlich begleitet.
Mitarbeit: Johann Friese
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