Essen-Haarzopf. Mitarbeiterinnen und Kunden sind traurig: Die Buchhandlung in der Neuen Mitte Haarzopf in Essen muss in Kürze schließen.
Die Buchhandlung „Leselust“ in Haarzopf schließt voraussichtlich im Laufe des Monats April. Das bestätigt Inhaberin Anette Kammann gegenüber dieser Redaktion. Die Nachricht sorgt bei Mitarbeiterinnen und auch bei Kunden im Stadtteil für Betroffenheit und Trauer.
In Haarzopf hatte Anette Kammann das Geschäft „Leselust“ 2015 an der Fulerumer Straße eröffnet und später sogar erweitert. Zuletzt hatte die Inhaberin aber bereits einen Untermieter gesucht, um die Kosten zu reduzieren, berichtet sie. Die Filiale an der Rüttenscheider Straße 208, eröffnet 2022, hatte Kammann bereits im September 2023 aufgegeben und damit die Konsequenz aus dem Personalmangel gezogen, wie sie sagt. Dort gab es nicht nur Bücher, sondern auch Wein zu kaufen.
Essenerin hatte vor über 20 Jahren ihre erste Buchhandlung eröffnet
Vor über 20 Jahren hatte sich Kammann mit ihrer ersten Buchhandlung in Stadtwald selbstständig gemacht und sich damit einen Lebenstraum erfüllt. „Es hat mir immer viel Spaß gemacht. Das Geschäft an der Frankenstraße soll erhalten bleiben“, so die 64-Jährige.
Dass die Haarzopfer Filiale jetzt schließen müsse, bedauere sie sehr. Hauptgrund für die Insolvenz sei die deutliche Erhöhung der an die Inflation gekoppelten Indexmiete für das Ladenlokal. Kammann zahlt nach eigenen Angaben über 5000 Euro monatlich, Tendenz steigend. Umsatzrückgänge von 10 bis 20 Prozent ließen sich so nicht verkraften. „Haarzopf ist eigentlich ein schöner Standort, aber wir Geschäftsleute müssen alle kämpfen, leiden unter mangelnder Kauflust und der Konkurrenz durch den Online-Handel“, sagt die Geschäftsfrau.
„Lebensmittel braucht man, aber auf Bücher kann man ja notfalls verzichten oder hat sich in Coronazeiten damit eingedeckt“, sagt sie. Auch die langwierige Baustelle auf der Fulerumer Straße, die zum Beispiel für Frohnhauser mit langen Umwegen verbunden gewesen sei, habe sie Kunden gekostet. Viele Haarzopfer bedauerten die Schließung, habe sie in den letzten Tagen erfahren. „Die Akzeptanz war immer groß hier.“
Essener Buchhändlerin suchte vergebens nach kleinerem Ladenlokal
Bereits seit einem Jahr habe sie sich erfolglos in Haarzopf nach einem kleineren Ladenlokal umgesehen. Notfalls hätte sie sich sogar eine Fläche mit anderen geteilt, sagt die 64-Jährige. Ihre Mitarbeiterinnen trifft das Aus hart: Vier oder fünf Mitarbeiterinnen müssten wohl gehen, eine Vollzeitkraft aus Haarzopf werde sie für das Geschäft in Stadtwald übernehmen, so Kammann. Wann genau die Haarzopfer Filiale schließe, hänge unter anderem vom Insolvenzverfahren ab. Schon jetzt werden keine Bestellungen mehr angenommen.
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Barbara Merten-Kemper, langjährige Kundin bei „Leselust“, ist traurig über die Schließung. Der Laden sei mittlerweile ein kleines soziales Zentrum geworden. „Die Lesungen und sonstigen kulturellen Veranstaltungen sind ja gut angenommen worden“, sagt Merten-Kemper, die sich schon vor einiger Zeit über das Schild „Untermieter gesucht“ in der Tür gewundert hatte.
Essener Ratsherr sieht weiteren Leerstand als negatives Signal
Auch der Haarzopfer SPD-Ratsherr Philipp Rosenau bedauert das Aus für „Leselust“. Nachdem die Eigentümer des Geschäftszentrums Neue Mitte Haarzopf im Laufe der Jahre mehrfach gewechselt hätten, seien die Rendite-Erwartungen offenbar immer weiter gestiegen, mit dem Effekt, dass die Mieter die hohen Kosten nicht mehr tragen könnten.
Mit der Schließung des Geschäfts entfalle nicht nur die Möglichkeit, vor Ort Bücher zu kaufen, sondern auch ein Treffpunkt für Bildung und Kultur im Stadtteil. „Außerdem ist weiterer Leerstand fatal für Haarzopf.“
Traurig sei die Insolvenz vor allem für die Mitarbeiterinnen, die jetzt jeden Tag mit der Schließung rechnen müssten. „Für die Frauen, die ja oft Familie haben und in Teilzeit arbeiten, ist das unter Umständen existenzbedrohend“, so Rosenau.
Mitarbeiterinnen von insolventer Buchhandlung fürchten um Existenz
„Es hat uns das Herz gebrochen, wir sind traurig und betroffen“, sagt Mitarbeiterin Claudia Paulus. Die Idee, dass sich einige der Angestellten zusammentun und den Laden zum Beispiel in Form einer Genossenschaft übernehmen könnten, habe man wieder verworfen. „Dazu fehlt uns angesichts der finanziellen Belastungen der Mut. Und wir haben gerade auch keine Kraft, uns damit zu befassen“, so die Mitarbeiterin. Man hoffe natürlich, dass sich noch jemand finde, der das Geschäft und das Personal übernehme.
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