Essen-Haarzopf. In NRW müssen sich Anlieger jetzt nicht mehr am Straßenausbau finanziell beteiligen. Das gilt aber längst nicht für alle Bürger.
Nach einer Entscheidung des NRW-Landtags werden Anwohner nicht mehr für den Straßenausbau vor ihrer Haustür zur Kasse gebeten. Das nützt den Anwohnerinnen und Anwohnern im südlichen Teil der Humboldtstraße in Essen-Haarzopf aber wenig. Sie werden voraussichtlich nicht von der neuen Gesetzeslage profitieren, denn die Ratsentscheidung für den Umbau „ihrer“ Straße liegt vor dem festgesetzten Stichtag. Entsprechend enttäuscht und wütend sind die Bürger.
Eigentlich ist es eine gute Nachricht: Auch in NRW werden Anlieger jetzt nicht mehr für den Ausbau der Straße, an der sich ihr Grundstück befindet, zur Kasse gebeten. Lange hatten Grundstückeigentümer in Nordrhein-Westfalen neidisch auf andere Bundesländer wie Bayern geschaut, wo es die Beitragspflicht schon nicht mehr gibt.
Anwohner der Humboldtstraße in Essen-Haarzopf sind wütend
Prinzipiell begrüßen die Anwohner der Humboldtstraße die gesetzliche Neuerung, auch wenn sie ihnen selbst wohl nichts nützen wird. Entscheidend ist nämlich nicht der Zeitpunkt der Umsetzung der Straßenbaumaßnahmen, die an der Humboldtstraße ab April 2018 erfolgte, so der Haarzopfer SPD-Ratsherr Philipp Rosenau. Ausschlaggebend sei der Ratsbeschluss für die jeweilige Maßnahme, und der sei im Juli 2017 erfolgt, liege also vor dem Stichttag 1.1.2018.
Deshalb werden die Anwohner, die sich 2018 zu einer Bürgerinitiative zusammengeschlossen hatten, wohl nicht von dem neuen Entlastungsgesetz profitieren. Sie fühlen sich ungerecht behandelt. Sechs Jahre Kampf und Papierkrieg könnten so umsonst gewesen sein, befürchtet Anwohner Günter Horn, Sprecher der Bürgerinitiative, bei dem das Thema schon ganze Ordner füllt.
Sechs Jahre Kampf könnten umsonst gewesen sein
Die letzten Jahre waren von Aufs und Abs geprägt: 2020 konnten Bürgerinitiativen wie die in Haarzopf sich zum Beispiel über einen Teilerfolg freuen, als aus Düsseldorf die Nachricht kam, dass 50 Prozent der Anliegerkosten für den Straßenausbau vom Land übernommen werden.
Jetzt hatten die Bürger zumindest auf ein Entgegenkommen gehofft, zum Beispiel durch einen Härtefallfonds für diejenigen, die aufgrund des Stichtags durchs Raster fallen. Auch Bayern habe es seinerzeit so gemacht, um die zu entlasten, die von der Stichtagsregelung nicht profitieren konnten, so Ratsherr Rosenau.
Die Anwohner überlegen nun, juristischen Rat einzuholen, da es sich bei der Humboldtstraße ja ursprünglich um eine Landesstraße gehandelt habe, für die Bürger nicht zur Kasse gebeten werden können. Vor der Durchstreckung der Fulerumer Straße hatte die Humboldtstraße (L64) eine größere Bedeutung als heute. Dort fuhr bis 1980 sogar noch eine Straßenbahn, die dann durch Busse ersetzt wurde.
Die Humboldtstraße wurde beruhigt und neu gestaltet
Nach der Fertigstellung der Fulerumer Straße wurde die Humboldtstraße dann zur gemeindlichen Erschließungsstraße zurückgestuft, für die die Stadt Straßenbaubeiträge erheben konnte.
„Hier gab es früher viele Staus, weil der Verkehr zum Rhein-Ruhr-Zentrum hier durchfloss“, erinnert sich Hauseigentümer Günter Horn. Ab Frühjahr 2018 war der südliche Teil der Humboldtstraße, der Jahre zuvor durch die lang geplante Durchstreckung der parallel verlaufenden Fulerumer Straße deutlich vom Verkehr entlastet wurde, neu gestaltet worden. Versetzte Einbuchtungen verhindern jetzt, dass dort zu schnell gefahren wird. Der ruhende Verkehr wurde neu geregelt, Bäume wurden gepflanzt.
Mit dem neuen Straßenbild scheinen sich die Anlieger inzwischen arrangiert zu haben, obwohl es zwischenzeitlich auch Stimmen ab, die die Verkehrsberuhigung der Straße für unnötig hielten, da der Durchgangsverkehr nun mehrheitlich die Fulerumer Straße nutze.
Der Durchgangsverkehr fließt jetzt über die Fulerumer Straße
Heute sei es wesentlich ruhiger, auch wenn einige die Straße immer noch zur Umfahrung der Fulerumer Straße nutzen, wenn sich dort zum Beispiel Staus bildeten. „Ein Problem ist auch, dass Navigationsgeräte offenbar immer noch viele durch die Humboldtstraße leiten“, so die Anwohner.
Auf die Bürger könnte finanziell jetzt einiges zukommen. Die Kosten für die Umgestaltung der Straße waren ursprünglich mit rund 760.000 Euro veranschlagt worden. Zuletzt sei aber von rund 1,4 Millionen Euro die Rede gewesen, so Ratsherr Philipp Rosenau. Da die Anwohner zu 50 Prozent an der Summe beteiligt würden, kämen insgesamt rund 700.000 Euro an Kosten auf sie zu. Bei der Fahrbahn liege die Beteiligung bei 40 Prozent, beim Gehweg bei 60 Prozent.
In dem betroffenen Bereich der Humboldtstraße gebe es 83 Flurstücke, so dass die Anlieger je nach Grundstücksgröße mit Kosten in vier- bis fünfstelliger Höhe rechnen müssten. „Gerade für die älteren Eigentümer kann das ein großes Problem werden, sie erhalten ja keine Kredite mehr und nicht jeder kann über solche Beträge einfach verfügen“, so eine Nachbarin.
Anwohner im nördlichen Bereich der Straße profitieren von der neuen Regelung
Für die Anwohner der nördlichen HumboldtstraßeRichtung Mülheim/Rhein-Ruhr-Zentrum ist die neue Regelung zur Straßensanierung dagegen eine gute Nachricht. Der Umbau „ihres“ Straßenabschnitts wurde nach dem Stichtag beschlossen und könnte 2025 starten. Dafür sind jetzt keine finanziellen Belastungen für die Bürger mehr zu befürchten.
„Die Anwohner der nördlichen Humboldtstraße haben schon im Scherz gefragt, ob sie dann Maut bezahlen müssen, wenn sie unseren Abschnitt befahren“, versucht Günter Horn bei allem Ärger den Humor nicht zu verlieren.
Die betroffenen Anwohnerinnen und Anwohner wollen jetzt zunächst auf die Bescheide warten, die vermutlich in diesem Jahr zugestellt werden. Dann sei aber schnelles Handeln erforderlich, um Fristen einzuhalten. „Es soll auf jeden Fall noch einmal eine Bürgerversammlung zum Thema geben“, so Günter Horn, der im engen Austausch mit dem Bund der Steuerzahler steht. So einfach aufgeben wolle man jedenfalls nicht.
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