Essen-Fulerum. Die Humboldtstraße in Essen soll saniert werden und einen Radweg erhalten. Dafür sollen Bäume weichen. Nachbarn und Politiker sind entsetzt.

  • Ein Teilstück der Humboldtstraße in Essen-Fulerum soll erneuert werden und einen Radweg erhalten.
  • Dafür sollen 29 Bäume gefällt werden.
  • Bürger und Politiker wollen das so nicht hinnehmen.

Nach Abschluss der aktuell laufenden Sanierung der Fulerumer Straße in Essen soll auch der parallel verlaufende Teil der Humboldtstraße, die derzeit als Umleitung dient, erneuert werden. Dabei soll nicht nur die Fahrbahn- und Gehwegdecke instandgesetzt werden, sondern auch ein neuer Radweg entstehen. Was das für den alten Baumbestand, einige Vorgärten und das gesamte Ortsbild bedeutet.

Die Anwohnerinnen und Anwohner der Humboldtstraße an der Stadtgrenze zu Mülheim können es nicht glauben: Für den Radweg sollen Vorgärten eingezogen und 29, teils dicke und sehr alte, Bäume gefällt werden. „Es ist vollkommen unverständlich, wie man auf so eine Idee kommen kann, die kann doch nur am Reißbrett entstanden sein“, ärgert sich Philipp Rosenau, der örtliche SPD-Ratsherr.

Anwohner in Essen-Fulerum sind entsetzt über die Stadtpläne

Als besorgte Anwohner, die vom Amt für Straßen und Verkehr informiert worden waren, ihn um Unterstützung gebeten hätten, habe er das erst gar nicht glauben können – zumal es an der parallel verlaufenden Fulerumer Straße ja einen gut ausgebauten Radweg auf der alten Spurbustrasse gebe.

Ein interfraktioneller Arbeitskreis der zuständigen Bezirksvertretung III für den Essener Westen hat sich bereits mit dem Thema beschäftigt, erklärt der SPD-Fraktionsvorsitzende Klaus Persch. „Nach aktuellem Stand sind wir dagegen.“ „Wir sind davon ausgegangen, dass die Straße in ihrer jetzigen Form erneuert wird. Es spricht natürlich nichts gegen einen Radweg, aber da hätte ich kreativere Ideen erwartet“, so Philipp Rosenau. Es sei unter Klimagesichtspunkten widersinnig, dass man für Radwege Bäume fälle. „Eine Fahrradstraße wäre eine Lösung. Auf der Keplerstraße in Holsterhausen funktioniert das doch auch“, so Rosenau.

Bei den Plänen geht es um die Bäume auf dem Grünstreifen an der Humboldtstraße, hier in Fahrtrichtung Rhein-Ruhr-Zentrum.
Bei den Plänen geht es um die Bäume auf dem Grünstreifen an der Humboldtstraße, hier in Fahrtrichtung Rhein-Ruhr-Zentrum. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

Zwischen dem evangelischen Gemeindezentrum und dem Beginn der Siedlung sei genug Platz für einen Radweg. Problematisch werde es in dem bebauten Bereich. Um die erforderlichen Maße von Straße, Rad- und Gehweg zu gewährleisten, müsste der breite Grünstreifen mit den Bäumen, der die Siedlung zur Humboldtstraße abschirmt, weichen. Schatten und Dämpfung des Verkehrslärms fielen damit weg.

Sanierung Fulerumer Straße bis Ende September

An der Fulerumer Straße finden derzeit im zweiten Bauabschnitt umfangreiche Arbeiten für die Regenwasserentwässerung statt. Zudem wird im Kreuzungsbereich des Südwestfriedhofs die Ampel montiert.

In dem Kreuzungsbereich Adelkampstraße/Wickenburgstraße werden die Gehwege barrierefrei umgebaut. Zudem wird für die nächsten Bauabschnitte die Verkehrssicherung vorbereitet. Die Baumaßnahme wird voraussichtlich Ende September 2022 abgeschlossen sein.

Betroffen wären auch die Vorgärten der Häuser, die kurz vor dem Rhein-Ruhr-Zentrum liegen. Die Vorgärten werden seit Jahrzehnten von den Anwohnern gepflegt, befinden sich aber eigentlich auf städtischen Grund und sollen für den Radweg eingezogen werden, so Rosenau.

Bürger halten Baumfällungen angesichts der Klimaschutzdiskussion für absurd

Uwe Langanki wohnt dort und ist entsetzt, dass die Stadt in Zeiten, in denen täglich über Klimaschutz geredet wird, weitere Flächen versiegeln will. „Schon jetzt läuft bei Starkregen das Wasser nicht richtig ab und schießt Richtung Rhein-Ruhr-Zentrum. Es gibt ja kaum Flächen, wo das Wasser versickern kann“, so Anwohner Michael Schwarz. Dass die Pläne der Stadt bei den Bürgern auf Widerstand stießen, sei klar: Viele seien ja genau deshalb nach Fulerum gezogen, weil es dort grün und ländlich sei.

Die Siedlung an der Humboldtstraße, zu der auch Sonderwerkstraße, Regenbogenweg und Spiekermannstraße gehören, war 1965 bezogen werden. Ein Großteil der Häuser gehörte damals Krupp, später Immeo und ist heute im Besitz von Covivio. „Die Bäume hier sind größtenteils beim Bau der Siedlung gepflanzt worden, einige standen damals schon“, erinnert sich Uwe Langanki. Einzelne Bäume, die dem Sturm zum Opfer gefallen seien, seien nachgepflanzt worden. „Und die würden dann auch wieder gefällt“, reagieren Nachbarn mit Unverständnis auf die Pläne der Stadt.

Die Bäume, die auf dem Grünstreifen an der Humboldtstraße stehen (r.), sollen weichen. Die andere Straßenseite gehört zu Mülheim.
Die Bäume, die auf dem Grünstreifen an der Humboldtstraße stehen (r.), sollen weichen. Die andere Straßenseite gehört zu Mülheim. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

Die Anwohner finden, dass bei der angedachten Maßnahme Kosten und Nutzen in keinem vernünftigen Verhältnis stehen und befürchten, dass eine verbreiterte Humboldtstraße – obwohl weitgehend Tempo-30-Zone – zur Rennstrecke würde. „Auch für Kinder wird es dann gefährlicher“, sagt Anwohner Rainer im Brahm. Man dürfe nicht Radweg und Bäume gegeneinander ausspielen, beides müsse möglich sein.

Politiker sind für die Sanierung der Straße und des Gehwegs

Ein weiterer Einwand: Bei den Häusern kurz vor dem Rhein-Ruhr-Zentrum würde zudem der Radweg so nah an den Häusern liegen, dass man aufpassen müsse, wenn man aus der Haustür trete. Einige Anwohner befürchten auch, dass ein Radweg von Lieferdiensten zugeparkt werde.

Philipp Rosenau plädiert dafür, Straße und Gehweg zu sanieren, Bordsteinabsenkungen zu schaffen, sonst aber alles beim Alten zu lassen. Die Autofahrer müssten Rücksicht auf die Radfahrer nehmen, dann könne man sich den vorhandenen Straßenraum teilen.

Mathias Collet, Vorsitzender des SPD-Ortsvereins Haarzopf-Fulerum, befürchtet, dass es bei den Vorplanungen der Stadt um Fördergelder gehen könnte. Möglicherweise würden die nur fließen, wenn man einen Radweg anlege und damit den Ausbaustandard einhalte. „Aber wenn man sich diese Straße mit den schönen alten Bäumen ansieht, müsste doch klar sein, dass es keine Regel ohne Ausnahme geben kann.“

Eine Stellungnahme der Stadt liegt noch nicht vor.