Essen. Kinojubiläum in Essen: Das älteste Filmtheater im Revier wird 100. Warum der „Schundfilm“ im traditionsreichen Lichtspielhaus keine Chance hatte.

An Helden und Idolen mangelt es dem Kino für gewöhnlich nicht. Dass so ein Lichtspielhaus selber ikonisch wird, passiert freilich seltener. Das 100 Jahre alte Filmstudio Glückauf in Essen aber ist ein Solitär in der Kinolandschaft des Ruhrgebiets. So war auch dem zehnjährigen Sohn von Walid Nakschbandi, Geschäftsführer der NRW-Filmstiftung, nach kurzer, väterlicher Beschreibung des Filmstudios Glückauf sofort klar: „Mensch, das ist ja ‚ne Legende!“

Diese Legende hat am Freitagabend (1. März) ihren 100. Geburtstag gefeiert. Mit vielen Gratulanten, Wegbegleitern und natürlich mit all den ideellen und finanziellen Unterstützern, die das Kinokleinod in einer einzigartigen bürgerschaftlichen Solidaritätsaktion gerettet haben, als es Anfang der 2000er wegen Baufälligkeit vor dem Aus stand.

Zum Jubiläumsempfang im Filmstudio Glückauf kamen (v. li.) Walid Nakschbandi (Film- und Medienstiftung NRW), Marianne Menze (Essener Filmkunsttheater), Theo Grütter (Ruhr Museum), Thomas Kufen (Oberbürgermeister) und Oliver Flothkötter (Essener Filmkunsttheater).
Zum Jubiläumsempfang im Filmstudio Glückauf kamen (v. li.) Walid Nakschbandi (Film- und Medienstiftung NRW), Marianne Menze (Essener Filmkunsttheater), Theo Grütter (Ruhr Museum), Thomas Kufen (Oberbürgermeister) und Oliver Flothkötter (Essener Filmkunsttheater). © FUNKE Foto Services | Uwe Ernst

Aufbruch und Aufstieg in den 1920ern, Zerstörung im Zweiten Weltkrieg, Wiederaufbau und Glanzzeit in den 1950ern, schließlich aber auch die Kinokrise, Neubelebung und dann die dramatische Schließung wegen statischer Mängel: An die bewegte Geschichte des ältesten, erhaltenen Lichtspielhauses in Essen und im Ruhrgebiet erinnerte nicht nur Theo Grütter, Direktor des Ruhr Museums auf Zollverein, wo man dem Filmstudio Glückauf Anfang der 2000er Jahre nicht nur Ausweich bot, als das Kino wegen statischer Mängel schließen musste. Das Ruhr Museum nimmt das 100-jährige Filmstudio-Bestehen auch zum Anlass, der Kino- und Filmgeschichte des Ruhrgebiets ab dem 29. Juni eine große Ausstellung zu widmen.

Viel gibt es schließlich zu erzählen über Kleinode wie das Filmstudio, das dereinst als Reformkino mit Kultur- und Lehrfilmen startete, um dem „Schundfilm“ den Kampf anzusagen. Spätestens in den 50ern, der großen Zeit des Kinos, zog aber auch die Unterhaltung ein. Der Western-Klassiker „Spiel mir das Lied vom Tod“ lief 28 Wochen. „Ich habe den Film selber acht oder neun Mal gesehen“, berichtet Grütter. Ein Dauerbrenner war damals auch „Bettgeflüster“. Der Film mit Doris Day und Rock Hudson wird am 10. März noch einmal als Publikumsvorstellung gezeigt.

Regelmäßige Gäste in den Essener Filmkunsttheatern: Der Essener Ausnahme-Gitarrist Rafael Cortés (r.) und sein Sohn Fali
Regelmäßige Gäste in den Essener Filmkunsttheatern: Der Essener Ausnahme-Gitarrist Rafael Cortés (r.) und sein Sohn Fali © FUNKE Foto Services | Uwe Ernst

Viele Essener pflegen bis heute schließlich eine tiefe Verbundenheit mit dem Filmstudio. Künstler wie der Essener Ausnahme-Gitarrist Rafael Cortés, der mit vielen anderen Künstlern 2007 in einer großen Lichtburg-Gala Spenden für den Erhalt des Filmstudios eingespielt hat, stand zusammen mit Sohn Fali auch zum 100. auf der Bühne; so wie auch Jazz-Professor Wolfgang Hufschmidt und die Sängerin Joyce van de Pol.

Das Filmstudio stehe eben für „große Geschichte und große Verantwortung, derer sich die Essener sehr bewusst sind“, zeigt sich Oberbürgermeister Thomas Kufen überzeugt und setzt auf weitere aktive Unterstützung. „Ich treffe viele, die sagen: Schön, dass es das noch gibt“, sagt Kufen. Damit es noch lange so bleibe, müsse man einfach nur häufiger ins Kino gehen, rät der OB.

Gern gelesen in Essen

Dass das Kino eine Zukunft hat, davon ist nicht nur Kino-Chefin Marianne Menze überzeugt. „Dieses Haus verbietet uns jede Art von Untergangsstimmung“, findet auch Walid Nakschbandi, Geschäftsführer der Filmstiftung NRW, die das ambitionierte Programm des Filmstudios regelmäßig mit Preisen auszeichnet. Menze, ihrem verstorbener Mann Hanns-Peter Hüster und dem gesamten Team sei zu verdanken, „dass ein Ort der Begegnung, des gemeinsamen Erlebens und der gemeinsamen Identität erhalten blieb“, so Nakschbandi. Und das sei etwas, „was kein modernes 3D-Kino mit Massagesesseln so leicht schafft“.

[Essen-Newsletter hier gratis abonnieren | Folgen Sie uns auch auf Facebook, Instagram & WhatsApp | Auf einen Blick: Polizei- und Feuerwehr-Artikel + Innenstadt-Schwerpunkt + Rot-Weiss Essen + Lokalsport | Nachrichten aus: Süd + Rüttenscheid + Nord + Ost + Kettwig und Werden + Borbeck und West | Alle Artikel aus Essen]