Essen. Zum zweiten Mal binnen zwei Wochen ist der neue Raserschreck außer Gefecht gesetzt worden. „Behinderung einer Amtshandlung“, betont die Stadt.

Erst ein Mülltonnendeckel vor der Linse, dann zwei aufgeklebte Papierblätter mit aufgekritzelten Smileys, die der Kamera die Sicht auf potenzielle Raser versperren: Der Einsatz des neuen Blitzeranhängers der Stadt Essen wird kurz nach seiner Premiere zur Lachnummer auf offener Bühne. Zum zweiten Mal binnen weniger Tage haben Unbekannte den sogenannten Enforcement-Trailer, mit dem das Ordnungsamt seit Monatsbeginn den Verkehr zusätzlich überwacht, an der Westfalenstraße vorübergehend außer Gefecht gesetzt. Fotos der „Sabotageakte“ durch vermeintliche Scherzbolde machen im Netz die Runde, werden teils hämisch oder schmunzelnd kommentiert, während die Stadt weniger amüsiert auf den Blitzer-Boykott blickt.

Auf Nachfrage aber auch klarstellen will: Es handele sich nicht um einen Dummejungenstreich oder groben Unfug, sondern um die „Behinderung einer Amtshandlung“ und damit um eine Ordnungswidrigkeit, die verfolgt wird. Doch wer dahintersteckt, ist bislang unklar und bis zum Beweis des Gegenteils vermutlich auch kaum mehr nachvollziehbar. Ob die Stadt die Vorfälle nun zum Anlass nimmt, den Blitzeranhänger mit einer Videoüberwachung nachzurüsten, was der Hersteller ausdrücklich als Ausstattungsoption anbietet, lässt deren Sprecherin Silke Lenz offen. Potenzielle Nachahmer sollen sich im Zweifelsfall nicht zu sicher fühlen, lautet die unausgesprochene Botschaft - zumal es Kontrollüberwachungen durch das Ordnungsamt gibt. Physisch und online, wie Lenz betont.

Im Einsatz für mehr Verkehrssicherheit

Wie lange der Blitzer in beiden Fällen blind war und wie hoch die angenommenen Einnahmeverluste durch entgangene Knöllchen an der Wuppertaler Straße waren, könnte „händisch nachrecherchiert“ und wohl auch anhand der Sünderquote am Standort in etwa hochgerechnet werden. Dieses Unterfangen „würde aber ewig dauern“, heißt es.

Beim ersten Mal wurde der Enforcement-Trailer durch den aufgeklappten Deckel einer Mülltonne außer Gefecht gesetzt.




 
Beim ersten Mal wurde der Enforcement-Trailer durch den aufgeklappten Deckel einer Mülltonne außer Gefecht gesetzt.   © WAZ | Justin Brosch

Wichtiger ist der Stadtsprecherin zu betonen: „Das Gerät wird nicht eingesetzt, um Bußgelder zu generieren, sondern um die Verkehrssicherheit in Essen zu erhöhen. Wer sich an die Geschwindigkeitsbegrenzungen hält, vermeidet gefährliche Situationen im Straßenverkehr und natürlich ein Bußgeld.“

Dennoch scheint die neue Überwachungsanlage am Straßenrand manchen Verkehrsteilnehmern ein Dorn im Auge zu sein, lassen Netzkommentare zu den Sichtsperren wie „Super Idee“ oder „Sollte überall so sein“ vermuten. Fragen machen die Runde: Ob denn ein solcher Anhänger, der mit einem Fake-Kennzeichen ohne Zulassungs- und Tüv-Plakette im öffentlichen Raum abgestellt wird, nicht gegen die Straßenverkehrsordnung verstößt und damit unrechtmäßig Fotos geschossen werden durch einen in diesem Sinne nicht ordnungsgemäßen Blitzer?

Gern gelesen in Essen

Diskussion um Rechtmäßigkeit der Überwachung

Nach Auskunft der Stadt existiert durchaus ein gültiges HWI-Kennzeichen der Hansestadt Wismar, dem Sitz des Herstellers, von dem die Stadt den Blitzer geleast hat. Dieses Original werde immer dann angebracht, wenn der Anhänger zu einem neuen Einsatzort geschleppt wird, am Ziel wieder abmontiert und gegen eine Attrappe ausgetauscht. So will das Ordnungsamt einem denkbaren Schilderklau vorbeugen. Zudem gebe es eine Ausnahmegenehmigung, mit der der Trailer auch ohne amtliches Kennzeichen am Straßenrand abgestellt werden darf. Zumindest in diesen Punkten sieht sich die Stadt also auf der sicheren Seite - und will mit Verweis auf eine erste Blitzerbilanz gleichzeitig keinen Zweifel an der Notwendigkeit des Mehr an Verkehrsüberwachung auf Essener Stadtgebiet aufkommen lassen.

Fast 1100 mal löste der neue Raserschreck binnen seiner ersten sechs Tage am Rande der Bottroper Straße aus. Berücksichtigt man, dass sein erster Arbeitstag am 1. Februar erst um 16.40 Uhr begonnen hat, entlarvte der Kamera-Koloss dort im Schnitt täglich 200 Temposünder. Der Spitzenreiter wurde mit 107 Sachen bei erlaubten 50 Stundenkilometern erwischt. Abzüglich drei km/h Toleranz war er also 54 Zähler zu schnell unterwegs. Macht unterm Strich: 560 Euro, zwei Punkte und zwei Monate Fahrverbot.

[Essen-Newsletter hier gratis abonnieren | Folgen Sie uns auch auf Facebook, Instagram & WhatsApp | Auf einen Blick: Polizei- und Feuerwehr-Artikel + Innenstadt-Schwerpunkt + Rot-Weiss Essen + Lokalsport | Nachrichten aus: Süd + Rüttenscheid + Nord + Ost + Kettwig und Werden + Borbeck und West | Alle Artikel aus Essen]