Essen. Großer Klang und große Geschichte: Die Essener Philharmoniker feiern ihr 125-jähriges Bestehen. Jubiläumsprogramm startet mit einem Festkonzert.

Köln hat damals natürlich schon eines, auch in Aachen und Düsseldorf verfügen sie längst über ein Städtisches Orchester. In Essen wird der Ruf nach einem städtischen Berufsorchester Ende des 19. Jahrhunderts aber immer lauter. Es gibt zwar einen Essener Musikverein und eine „Essener Kapelle“, die schon 1863 aus der Berg- oder Knappschaftskapelle hervorgegangen war. Doch gemessen am rasanten Wachstum der Stadt fällt das Musikleben in Essen damals vergleichsweise bescheiden aus. 1899 ist es endlich so weit. Die Geburtsstunde des Städtischen Orchesters Essen, heute bekannt als die Essener Philharmoniker, hat viele Gründungsväter. Georg Hendrik Witte, Brahms-Freund und Leiter des bereits bestehenden Musikvereins, gilt als damaliger Motor. Friedrich Alfred Krupp wird zum wichtigen Geldgeber, und die damaligen Stadtverordneten setzen mit einem Beschluss am 1. Juli 1898 die entscheidenden Weichen. Gemeinsam bringen sie eine Entwicklung in Gang, die bis heute außerordentlich glanzvoll verlaufen ist.

Konzerte erinnern an Personalstile der ehemaligen Generalintendanten

Das offizielle Gründungsdatum der Essener Philharmoniker ist der 1. April 1899. Doch schon am heutigen Donnerstag, (11. Januar) startet das Festprogramm zum 125-jährigen Jubiläum. Mit vier ausgewählten Sinfoniekonzerten und der Wiederaufnahme der Wagner-Oper „Tristan und Isolde“ erinnert man in den kommenden vier Monaten an bedeutsame Werke der vergangenen Jahrzehnte, an glanzvolle Ur- und Erstaufführungen und an prägende Personalstile der ehemaligen Generalintendanten.

Generalmusikdirektor Andrea Sanguineti steht seit der Spielzeit 2023/24 am Pult der  Essener Philharmoniker.
Generalmusikdirektor Andrea Sanguineti steht seit der Spielzeit 2023/24 am Pult der Essener Philharmoniker. © WAZ | Volker Wiciok

Beethoven, Brahms und Bruckner bilden beim Sinfoniekonzert am 11./12. Januar eine für das Orchester so wichtige Trias. Unter der Leitung des amtierenden Generalmusikdirektors Andrea Sanguineti steht auch das dritte Konzert der Jubiläumsreihe (29. Februar/1. März), das für das Orchester historisch bedeutsame Werke mit der Deutschen Erstaufführung des Werkes „Siklòn“ von Avner Dorman kombiniert, dem Komponisten aus Essens Partnerstadt Tel Aviv. Sanguinetis Vorgänger Tomáš Netopil beschließt den Jubiläumsreigen am 11./12. April mit Werken seiner tschechischen Heimat.

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Das zweite Jubiläumskonzert (1./2. Februar) war eigentlich dem langjährigen Generalmusikdirektor Stefan Soltesz vorbehalten. Nach seinem unerwarteten Tod im Juli 2022 übernimmt nun Cornelius Meister die Leitung des Abends mit seinem Richard-Strauss-Schwerpunkt. So erklingt die vom Komponisten persönlich in Essen dirigierte monumentale Tondichtung „Sinfonia domestica“, mit der 1904 der neue Konzertsaal in Essen - der damalige städtische Saalbau - an der Huyssenallee eingeweiht wurde.

Auf einen angemessenen Konzertsaal hatten die städtischen Musiker damals sehnlichst gewartet. Eine Geschichte, die sich wiederholen sollte. Ausgerechnet zum 100-jährigen Jubiläum stehen die Essener Philharmoniker 1999 nämlich wieder ohne eigenen Konzertsaal da: Der Saalbau ist marode und steht nicht mehr zur Verfügung. Die Debatte um einen Konzerthaus-Neubau sorgt in der Stadt für heftige Kontroversen, sogar für einen Bürgerentscheid. Und die Übergangs-Unterbringung im Aalto-Theater ist für die Theater und Philharmonie alles andere als ideal.

Umbau des alten Saalbaus sorgt für eine glanzvolle neue Konzertstätte

Mit der 2004 in den alten Saalbaumauern glanzvoll eröffneten neuen Essener Philharmonie beginnt dann eine neue Erfolgsgeschichte. Zwei architektonisch und akustisch herausragende Häuser in unmittelbarer Nachbarschaft bespielen zu können, sorge heute für „deutschlandweit einzigartige Bedingungen“ und die Möglichkeit, das rege Wechselspiel von Opern- und Konzertleben in Einklang zu bringen, heißt es vom Orchestervorstand.

Doch die Platzprobleme sind längst nicht gänzlich behoben. Dem Orchester fehlen Probenräume, die Pläne für ein eigenes Musikzentrum im Norden der Stadt machen schon seit einer Weile die Runde. Schon weil man weiß, dass zur Zukunft eines städtischen Orchesters eben nicht nur die großen Sinfoniekonzerte und repräsentativen Opernaufführungen, sondern auch die kleineren, innovativen und bürgernahen Konzertformate gehören werden.

Der Eintritt für das Gartenkonzert kostet damals zehn Pfennig

Angebote wie die Klassik-Lounge oder das Kita-Projekt „Musik kommt um die Ecke“ haben in den vergangenen Jahren Furore gemacht. Und die sommerlichen Auftritte im Grugapark sind heute noch so beliebt wie die Gartenkonzerte, die das Städtische Orchester schon 1906 für jeweils zehn Pfennig Eintritt gab. Terrassen-Plätze kosteten extra.

Seither haben sich die Philharmoniker einen führenden Rang in der bundesdeutschen Orchesterlandschaft erspielt: Zweimal hat sie das Fachmagazin Opernwelt in den vergangenen Jahrzehnten sogar zum Orchester des Jahres gekürt. Solisten von Weltrang wie der Duisburger Stargeiger Frank Peter Zimmermann sind im Rahmen der Sinfoniekonzerte regelmäßig zu Gast: „Als Kind des Ruhrgebiets bin ich stolz auf dieses wunderbare Orchester.“

Zimmermann reiht sich ein in die Garde der großen Tonkünstler, die das Essener Konzertleben in den vergangenen 125 Jahren geadelt haben. Angefangen von Gustav Mahler, dessen 6. Sinfonie 1906 in Essen Uraufführung feierte, bis zu Max Reger, der seine Böcklin-Suite 1913 höchstpersönlich in Essen leitete. In den Folgejahren ließen prägende Persönlichkeiten wie der weltbekannte Chefdirigent Max Fiedler das Musikleben aufblühen. Fiedler holte Stars wie Rudolf Serkin oder Wilhelm Kempff nach Essen, unter ihm gab es Brahms- und Beethovenfeste.

Die Neue Musik hat nach dem 2. Weltkrieg in Essen eine Heimstatt

Die folgenden Jahre standen dann unter den Vorzeichen des Krieges und mutiger Männer wie Johannes Schüler, der trotz Verbot die letzte deutsche Aufführung der Hindemith-Symphonie Mathis der Maler ermöglichte. Auch sein Nachfolger Albert Bittner widmete sich der zeitgenössischen Musik. Als der Saalbau und das Opernhaus in der Innenstadt schließlich den Bomben zum Opfer gefallen waren, leistete ein Mann Aufbauarbeit, der Essen über Jahrzehnte verbunden blieb: Gustav König. Er förderte Jugend- und Theaterringkonzerte, bescherte Essen die deutsche Erstaufführung von Alban Bergs „Lulu“ und Wiederbegegnungen mit von den Nazis verbotenen Komponisten.

Die jüngsten Generalmusikdirektoren Heinz Wallberg, Wolf-Dieter Hauschild, Stefan Soltesz und Tomás Netopil haben die Essener Philharmoniker inzwischen zu einem Orchester von überregionalem Rang und Namen gemacht, das in der Philharmonie und im Orchestergraben des Aalto-Theaters für Glanzstücke sorgt.

Serienstart: 125 Jahre Essener Philharmoniker

Das Jubiläum bestimmt in den kommenden Wochen das Konzertleben der Stadt.
Zum Start ins Jubiläumsjahr starten auch wir eine Serie. Begegnungen mit Orchestermusikern sollen dabei ebenso im Mittelpunkt stehen wie der Blick in eine Orchesterprobe. Aber auch das Publikum soll zu Wort kommen.
Und es gibt noch mehr zu feiern. Auch das 20-jährige Bestehen der Philharmonie Essen und der 25. Geburtstag der Orchesterakademie stehen auf dem Programm.

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