Essen-Rüttenscheid. Zwischen Tumorbehandlung und OP-Planung: Im Essener Ronald McDonald Haus ist das Abendessen oft auch Therapie. Ein Besuch.
Das Ronald McDonald Haus liegt in idyllischer Lage, direkt am Rande der Essener Gruga. Hier finden Familien mit schwerkranken Kindern, die im Universitätsklinikum Essen behandelt werden, ein Zuhause auf Zeit. Unterstützt werden sie dabei von Ehrenamtlichen. Ein neues Team hat sich vor kurzem zusammengefunden.
Da das Uniklinikum in Essen eines der führenden Gesundheits-Kompetenzzentren des Ruhrgebiets ist und unter anderem auf Onkologie und Transplantationen spezialisiert ist, kommen die Familien oft aus weit entfernten Städten oder dem Ausland. Um den betroffenen Familien die schwere Zeit so angenehm wie möglich zu gestalten, bemüht sich das Team des Ronald McDonald Hauses, viele alltägliche Aufgaben für die Eltern zu übernehmen. „Wir haben in diesem Jahr dringend neue, ehrenamtliche Helferinnen und Helfer gesucht, die vor allem unser Koch-Team unterstützen möchten“, erzählt Anja Kehnen. Sie ist die Assistentin der Hausleitung und Ehrenamtskoordinatorin.
Jede Woche gibt es ein „Verwöhnabendessen“ im Essener Ronald McDonald Haus
„Nachdem der Suchaufruf in der Presse erschienen ist, gab es viele Menschen, die sich gemeldet haben und uns unterstützen wollten. Nun haben wir ein neues Koch-Team, bestehend aus fünf Frauen im Alter von 30 bis 74 Jahren gefunden“, freut sich Anja Kehnen.
Eine der neuen Helferinnen ist Brigitte Rüdig. Die 74-jährige wohnt auf der Margarethenhöhe und hat sich beim Lesen des Hilfeaufrufes sofort angesprochen gefühlt: „Ich bin alleinstehend und habe gedacht, meine Freizeit mit sozialem Engagement aufzufüllen, kann nicht falsch sein. Die Arbeit hier macht mir großen Spaß und ich bin gekommen, um zu bleiben.“
Die Hauptaufgabe des Koch-Teams ist das „Verwöhnabendessen“ für die Familien, das jeden Donnerstag um 19 Uhr stattfindet. „Im Schnitt bekochen wir an so einem Abend rund 30 Personen und servieren immer drei Gänge. Es ist ein bisschen wie im Restaurant, die Familien sollen es sich richtig gut gehen lassen“, erklärt Anja Kehnen. Auf der Speisekarte stehen am Tag unseres Besuches Zucchinicremesuppe, Lasagne, Pommes und Nuggets für die Kinder und Mousse au Chocolat zum Nachtisch.
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Essenerin nennt Ehrenamt im Ronald McDonald Haus „Herzensangelegenheit“
Geduldig ordnet Heike van Ackern aus Schönebeck die Lasagneplatten in der Auflaufform an. Auch sie ist Teil des neuen Koch-Teams und erzählt, dass sie einen persönlichen Bezug zum Ronald McDonald Haus habe: „Meine Tochter hat vor sechs Jahren selbst hier gewohnt, da ihre Zwillinge Frühchen waren und im Uniklinikum behandelt wurden. Ich habe sie hier besucht und war so begeistert, dass ich wusste: Irgendwann möchte ich dem Haus etwas zurückgeben.“ Nun sei der richtige Zeitpunkt da, um in das Team der Ehrenamtlichen einzusteigen: „Ich bin jetzt im Vorruhestand und habe die Zeit, dieser Herzensangelegenheit nachzugehen.“
Während das Team Mousse au Chocolat in Gläser füllt, Käse über die Lasagne streut und Zucchini kocht, sind einige Familien bereits dem Duft des Abendessens gefolgt. In unmittelbarer Nähe der offenen Küche liegt der Spielbereich, in dem die Eltern mit ihren Kindern die Wartezeit bis zum gemeinsamen Essen überbrücken. Unter ihnen sind auch Joachim und Raphaela Lackner mit ihrem sechsjährigen Sohn Gabriel.
Familie aus Tirol begreift gemeinsames Abendessen als psychische Hilfe
Sie kommen aus Tirol in Österreich und sind seit neun Wochen im Ronald McDonald Haus zu Gast. „Gabriel hatte ein Medulloblastom, das ist ein Gehirntumor. Entfernt wurde der Tumor in Österreich und im Uniklinikum Essen wird die Bestrahlung durchgeführt“, erzählt Joachim Lackner. Seine Frau und er seien dankbar für das „Verwöhnabendessen“: „Es ist hier donnerstags wie im Restaurant. Wir sitzen alle zusammen und können uns in entspannter Atmosphäre austauschen. Im Alltag, der geprägt ist von Krankenhausterminen und Sorgen, würde man nicht auf die Idee kommen, so aufwendig zu kochen.“
Raphaela Lackner sieht die Gespräche bei dem gemeinsamen Abendessen auch als psychische Hilfe: „Ich finde, dass der Austausch mit den anderen Eltern, der vor allem beim Essen stattfindet, wie eine Therapie ist. Als Betroffene können wir die Sorgen der anderen Familien nachvollziehen und man fühlt sich verstanden.“ Ein paar Meter weiter steht Karola Welsing aus Mülheim und püriert die Zucchini, die aus dem Garten von Heike van Ackern kommen. Auch sie ist neu im Team der ehrenamtlichen Helferinnen. „Ich koche gerne und als ich gelesen habe, dass das Ronald McDonald Haus Hilfe braucht, habe ich mich sofort gemeldet.“ Ihr persönliches Rezept, um sich in das Team zu integrieren: „Man muss sich auf das alles hier einlassen und mit dem Herzen dabei sein.“
Koordinatorin im Essener Ronald McDonald Haus: „Sind wie eine große Familie“
Als die Tische gedeckt sind, machen sich auch Philip und Yvonne Kappenhagen mit ihrer fünf Monate alten Tochter Luisa auf den Weg in den Essensbereich. Die Familie kommt aus Rhede. „Nachdem Luisa vier Wochen auf der Intensivstation lag, dürfen wir heute das erste Mal gemeinsam mit ihr am ,Verwöhnabendessen‘ teilnehmen“, freut sich der Familienvater. Sie seien seit sieben Wochen zu Gast im Ronald McDonald Haus.
„Luisa hat einen Tumor an der Bauchspeicheldrüse, der inoperabel ist. Im Uniklinikum wird aktuell mit Medikamenten versucht, unserer Tochter zu helfen“, erklärt Philip Kappenhagen. Als alle Familien gemeinsam am Tisch sitzen und essen, blickt Ehrenamtskoordinatorin Anja Kehnen zufrieden in den Essensbereich: „Wir sind hier wirklich wie eine große Familie und das neue Küchenteam ist mit so viel Herzblut dabei. Es sind tolle Frauen, die voneinander lernen und miteinander wachsen.“
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