Essen-Überruhr. Ist jemand in Not, hilft die Essenerin Ellen Menne. Mit dem Bücherbasar unterstützt sie die Elterninitiative krebskranker Kinder. Seit 30 Jahren.

Wenn der Bücherbasar in Überruhr ansteht, ist alles unterwegs, was Beine hat: Helfer aus dem Stadtteil, Familie, Freunde, Nachbarn, Politiker und Mitglieder von Bürger- oder Sportvereinen bauen Tische auf und schleppen Kisten voller Lesestoff in den Bürgertreff. Die gespendeten Bücher werden erneut zu Gunsten der Elterninitiative krebskranker Kinder verkauft, weil Organisatorin Ellen Menne (74) ein so großes Herz für diejenigen hat, denen es nicht gut geht. Immer schon. Seit genau 30 Jahren hilft sie deshalb mit ihrem Bücherbasar.

Krimis und Romane werden ihr dann quasi aus den Händen gerissen. Viele Besucher und Besucherinnen stehen schon Schlange, bevor es überhaupt losgeht, um zu den Tischen zu stürmen. Darauf sind auch Sach-, Koch- und Wörterbücher sowie Lesestoff für Kinder, die ihren Preis selbst verhandeln, während jedes andere Buch in der Regel zwei Euro kostet. Dazu kommen DVDs und CDs. Lexika und Bildbände hingegen seien nicht gefragt. Diejenigen, die sie mögen, hätten sich womöglich schon eingedeckt, mutmaßt die Organisatorin.

Essenerin setzte sich in Kita, Schule und im Pfarrgemeinderat ein

Um den Basar bestücken zu können, sammelt Ellen Menne das ganze Jahr über, am liebsten recht aktuellen Lesestoff der vergangenen zehn Jahre. Der sei besonders begehrt. Dafür hat sie nicht nur zu Hause längst ein Lager geschaffen, sie nutzt auch Keller in anderen Häusern wie in dem der Gewobau, Räume bei ihrer Friseurin sowie die Garage der Kassiererin der Elterninitiative in Burgaltendorf. Wenn die 74-Jährige nämlich eines gut kann, dann ist es, um Unterstützung zu bitten und Hilfe zu suchen – vorausgesetzt, diese gilt anderen. Denn für Hilfsbedürftige packt sie unermüdlich an.

Im Bürgertreff Ruhrhalbinsel in Essen-Überruhr findet der Bücherbasar zum dritten Mal statt.
Im Bürgertreff Ruhrhalbinsel in Essen-Überruhr findet der Bücherbasar zum dritten Mal statt. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Das war schon so, als ihr Sohn in die Kita kam und sie in dieser hospitierte, sie übernahm später Aufgaben in der Grundschule und auch in der weiterführenden Schule, wo sie etwa Pflegschaftsvorsitzende wurde. 1989 folgte ihr Einsatz im Pfarrgemeinderat von St. Maria Heimsuchung, sie brachte sich in zig Ausschüssen ein, leitete den Kommunion- und auch Firmunterricht, gründete die Gruppe „Junge Frauen in der kfd“ (Katholische Frauen Deutschlands) und brachte Kochbücher heraus, um mit deren Verkauf dem Pfarrzentrum, sozialen Projekten wie dem Hospiz Steele, der Krebshilfe oder Misereor finanziell unter die Arme zu greifen.

Einsatz in Essen für Menschen aus Polen, Russland und dem ehemaligen Jugoslawien

Ebenfalls in den 1980er Jahren stemmte sie die soziale Arbeit für Polen (im alten Marienheim), an ihrer Seite ihre Mitstreiterin Ruth Roscher. Im Jahrzehnt darauf kümmerten sich die beiden Frauen neben den Aussiedlern aus Russland und Polen auch um die Menschen aus dem damaligen Jugoslawien. Sie sammelten Möbel, Wäsche, Garderobe und organisierten Lkw-Transporte. Bis heute bestehen Kontakte zu einigen Familien.

Manches Spielzeug musste seinerzeit ihr Sohn herausrücken, während ihre Enkelin (5) nun mitunter um ihre Kinderbücher fürchtet („Oma, bitte nichts für arme Kinder mitnehmen“), erzählt Ellen Menne schmunzelnd, weil sie eben so ist. Ihre beiden Geschwister übrigens auch, das liege an ihrem sozialen Elternhaus. Abgesehen von dieser Eigenschaft habe ihr Vater bei ihnen die Leidenschaft für Bücher und fürs Lesen geweckt und gefördert. „Für Bücher war immer Geld da“, erinnert sich die 74-Jährige, die meistens in einer Bücherei zu finden war – so wie ihr Bruder und ihre Schwester auch.

Damals lebte sie in Kray, ging in Steele zur Schule und zog 1979 mit ihrem Mann nach Überruhr, als sie schwanger war und sie eine größere Wohnung fanden. Zuvor hatte Ellen Menne ihre Ausbildung als Groß- und Einzelhandelskaufmann angeschlossen – darauf, Kauffrau zu sein, legt sie bis heute keinen Wert. Stattdessen betont sie viel lieber, wie gern sie stets gearbeitet hat, ob Voll- oder Teilzeit – bis zu einem Alter von 72 Jahren.

Pandemie und Schließung des Gemeindezentrums bereiteten Essenerin Sorgen

„Wäre nicht Corona gewesen, ich hätte weitergemacht“, sagt sie mit Blick auf das gute Team und ein wunderbares Betriebsklima bei dem Essener Arbeitgeber Rex Rotary. Bei diesem war sie nach zehn Jahren Pause und Kindererziehung die meiste Zeit in der EDV-Abteilung beschäftigt – und hat dort zudem drei der von ihr betreuten Menschen beruflich „untergebracht“.

Wenn der Aufbau erledigt ist, reihen sich beim Bücherbasar in Essen-Überruhr zahllose Werke aneinander – hier ein Bild von einem früheren Basar im Gemeindezentrum in Überruhr-Hinsel.
Wenn der Aufbau erledigt ist, reihen sich beim Bücherbasar in Essen-Überruhr zahllose Werke aneinander – hier ein Bild von einem früheren Basar im Gemeindezentrum in Überruhr-Hinsel. © Menne | Bild

Pause bedeutetet für sie damals schon, sich im sozialen Bereich ausleben zu können. Neben den zahlreichen Aufgaben und Ämtern, zu denen nach wie vor ihr Einsatz im Weltladen in Kupferdreh und auf dem Wochenmarkt sowie das wöchentliche Klöncafé in Überruhr zählen, begleiten sie besonders Bücher bis heute. Ellen Menne liest überall, sie liest schnell und viel. In jedem Zimmer liegen Bücher, die sie beinahe überallhin mitnimmt. Zumindest eines von den dreien, die sie oftmals parallel liest. „Mein Mann bunkert schon seine Stapel“, sagt sie zu der Leidenschaft, die die beiden teilen, und zu der Tatsache, dass der Fernseher meistens aus bleibt.

Essenerin mag Bücher von Klaus-Peter Wolf, Donna Leon und Elisabeth George

Sie sammelt seit geraumer Zeit exzessiv Sachbücher, die sich mit Kray, Steele, Essen, dem Ruhrgebiet oder NRW beschäftigen und liest am liebsten Krimis, englische und deutsche, diejenigen, die den Leser nach Südtirol oder in Deutschlands Norden führen, weil Ellen Menne eingefleischter Nordsee-Fan ist. Sie mag daher Bücher von Klaus-Peter Wolf, aber auch von Donna Leon oder Elisabeth George, hat die Werke von Jacques Berndorf verschlungen, früher auch Simmel und Konsalik nicht verschmäht („alles, was meine Eltern hatten und ich nicht lesen durfte“) und schafft 800 Seiten an einem Wochenende. „Wenn ich einmal anfange, kann nicht nicht aufhören.“

Am Bücherschrank in Essen-Überruhr sitzt Ellen Menne auf „ihrer“ Bank.
Am Bücherschrank in Essen-Überruhr sitzt Ellen Menne auf „ihrer“ Bank. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Das gilt für ihr Bedürfnis zu helfen ebenso wie für den Bücherbasar. Der startete 1984 auf einem Tapeziertisch als Teil des Gemeindebasars mit 150 DM Einnahmen und hat in drei Jahrzehnten mehr als 70.000 Euro eingebracht – 2015 brachte ein Evangeliar von einem Pastor sogar 1500 Euro. Immer für die Elterninitiative, die sich auf Ellen Menne verlassen kann, auch wenn andere Spenden wegbrechen. Dieser Kontakt entstand, nachdem die Überruhrerin von einer Familie erfahren hat, die voller Empathie und mit großer Fürsorge betreut worden ist.

Bürgerschaft in Überruhr unterstützt die Essenerin beim Bücherbasar

Mit riesigem Eifer sammelt sie seitdem Bücher. Inzwischen stehen sie längst in vollen Tüten und Kartons vor ihrer Haustür. Größere Sorgen bereiteten ihr zuletzt Corona sowie die Schließung des Gemeindezentrums in Überruhr-Hinsel, wo der Basar viele Jahre stattfand und wo sie im Keller die zahllosen Bücher aufbewahren konnte. Ellen Menne gab aber nicht auf, verkaufte während der Pandemie Bücher kartonweise auf dem Kirchvorplatz, als Veranstaltungen nicht möglich waren. Mit dem Bürgertreff fand sie inzwischen nicht nur eine neue Heimat für den Basar, sondern auch weitere Helfer.

Denn die kfd-Frauen seien nun eben auch älter, manche Weggefährten stiegen mit der Rente aus, erkrankt ist zudem ihr langjähriger Kassierer Jörg Rottmann, für den ein weiteres Mal der ehemalige stellvertretende Leiter der Marienschule, Willi Wölting, einspringt. Das Schleppen und Packen der Bücher aber bleibt vor allem ein Knochenjob. Bis zu 40 Mitstreiter stehen dafür am Freitag vor dem Basar bereit. Mittendrin wird dann wieder Ellen Menne sein, die immer wieder betont, „dass ich alleine gar nichts kann, aber mit Helfern kann ich einiges bewegen.“ Das tut sie nach wie vor.

Und Ellen Menne, die im Oktober ihren 75. Geburtstag feiert, weiß längst: „Die Bürgerschaft wird mit dem Basar weitermachen, wenn ich nicht mehr kann.“ So weit ist es allerdings längst noch nicht, vielmehr kann sie es kaum erwarten, dass es zwischen den Büchertischen erneut vor Menschen wimmelt. Voller Vorfreude denkt sie schon an den Augenblick, in dem sie erneut die Türen zum Bücherbasar öffnet wird – zum 30. Mal. „Freiwillig würde ich im Leben nicht aufhören damit.“

Öffnungszeiten des Bücherbasars

Der 30. Bücherbasar in Überruhr findet am Samstag und Sonntag, 16. und 17. September, im Bürgertreff, Nockwinkel 64, statt. Er öffnet am Samstag von 13 bis 18 Uhr und am Sonntag von 10 bis 18 Uhr. Bücher kosten in der Regel zwei Euro, Kinder handeln ihre Preise selbst aus.

Für Kinder wird es an beiden Tagen etwa 20-minütige Vorlesungen geben, um 15 Uhr für Kindergarten-Kinder, um 16 Uhr für Schulkinder. Auf sie warten auch Überraschungen, auf alle ein Glücksrad. Für alle ist am Sonntag ab 17 Uhr blaue Stunde: Besucherinnen und Besucher zahlen zehn Euro für die Bücher, die sie auf einmal auf dem Arm tragen können (Taschen gelten nicht).

Im Café gibt es zum Basar wie gewohnt Kaffee, Kuchen und Torten. Der Weltladen ist mit Kaffee-Spezialitäten vertreten. Der gesamte Erlös geht an die Elterninitiative krebskranker Kinder.

Ebenfalls an die Initiative wird das Gels gespendet, das beim Klöncafé zusammenkommt. Der Treff, den Ellen Menne ins Leben gerufen hat, findet ebenfalls im Bürgertreff statt, an jedem zweiten Donnerstag im Monat, in der Zeit von 14.30 bis 17.30 Uhr.