Essen. Sarkome sind selten und hochgefährlich. Essener Ärzte wollen diese Krebserkrankungen besiegen: Mit ihren Patienten radeln sie für mehr Forschung.
Renate Schulze Hobbeling ist an einer seltenen Krebsart erkrankt, mitunter erlebt sie, dass auch Ärzte noch nie davon gehört haben. Sie selbst verfolgt den Forschungsstand mit größtem Interesse: „Ohne die Forschung und neu-entwickelte Medikamente wäre ich heute nicht mehr am Leben“, sagt die 65-Jährige. Keine Frage, dass sie Jahr für Jahr zur Sarkomtour an den Baldeneysee kommt: Jeder Kilometer, der dort geradelt wird, bringt Spendengeld für die Sarkomforschung.
Essener Mediziner will neue Behandlungsmethoden erforschen
Bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen gehören Sarkome zu den häufigen Krebserkrankungen, auftreten können sie aber auch im späteren Leben. Im Vergleich zu Lungen- oder Brustkrebs, sind sie insgesamt jedoch äußerst selten. Darum erhalten wissenschaftliche Projekte zu Sarkomen nur wenig Fördermittel. Um die Forschung anzuschieben, lädt das Westdeutsche Tumorzentrum (WTZ) an der Uniklinik daher seit 18 Jahren zur Sarkomtour.
Initiiert hat die Tour Prof. Dr. Sebastian Bauer, Leitender Arzt am Sarkomzentrum am WTZ, einem der größten in Europa. Schon als junger Arzt interessierte er sich für die Diagnose von Sarkomen, die an allen Stellen des Körpers auftreten können; bevorzugt im Weichgewebe, seltener in den Knochen. „Erkennung und Behandlung von Sarkomen stellen eine große medizinische Herausforderung dar.“ Bauer will neue Behandlungsmethoden erforschen, um die bösartigen Tumore eines Tages zu besiegen. „Hier in Essen treten Patienten, Angehörige, Freunde und auch wir als Therapeuten gemeinsam in die Pedale, um für dieses Ziel zu kämpfen.“
Krebsdiagnose veränderte ihr Leben völlig
Die Idee hat auch Renate Schulze Hobbeling überzeugt, bei der erstmals Ende 2009 ein Sarkom festgestellt wurde: GIST lautete die genaue Diagnose. Die Abkürzung steht für Gastrointestinalen Stromatumoren: Sarkome im Magen-Darm-Trakt, „die erst vor wenigen Jahren als eigenständige Krebsart erkannt wurden“, wie die Deutsche Krebsgesellschaft erklärt. Der Tumor am Darm konnte damals operativ entfernt werden, doch die Leidensgeschichte der Dülmenerin setzt sich bis heute fort. Mindestens alle drei Monate muss sie zu Kontrolle ins MRT.
Jedes Medikament bringt neue Nebenwirkungen
Mitte 2014 traten Metastasen auf, sie musste sich einer großen Bauch-OP unterziehen. 2020 konnten Metastasen im kleinen Becken bestrahlt werden. Dauerhaft werde ihre Erkrankung, „mit einer Chemo in Tablettenform behandelt“; das ist meist die angezeigte Behandlung bei Sarkomen. Im Laufe der Zeit bilden die Krebszellen jedoch Resistenzen gegen die Medikamente, so dass die Patienten auf neue Mittel umgestellt werden müssen. „Jedes Medikament bringt andere Nebenwirkungen mit sich“, sagt die heute 65-Jährige. Das reiche von diversen Darmbeschwerden über Gelenkschmerzen bis zum Haarausfall. Eine große Müdigkeit begleitet sie stets; spätestens nach zwei Stunden Hausarbeit sei sie erschöpft.
Patienten-Tag informiert über aktuellen Forschungsstand
Sarkome sind selten: Sie machen nur 1 Prozent aller Krebserkrankungen aus; Fördermittel für Forschungsprojekte sind daher rar. Seit 18 Jahren veranstaltet die Stiftung Universitätsmedizin mit der Deutschen Sarkom-Stiftung sowie mit Patienten, Forschern und Ärzten des Westdeutschen Tumorzentrums (WTZ) der Uniklinik Essen die Sarkomtour am Baldeneysee: Die Teilnehmer radeln beliebig viele See-Runden, Sponsoren spenden pro Kilometer: Das Geld fließt in die Sarkom-Forschung am WTZ.
Die Sarkomtour 2023 findet am Samstag, 9. September, ab 11 Uhr statt. Start/Ziel: Seaside Beach Baldeney, Freiherr-vom-Stein-Str. 384. Am Freitag, 8. September, findet von 10 bis 16 Uhr ein Patienten-Tag im Lehr- und Lernzentrum, Virchowstr. 163a, statt. Patienten erfahren dort mehr über ihre Erkrankung und den Forschungsstand. Anmeldung: www.sarkome.de/kontakt
Das Essener Sarkomzentrum am WTZ gehört zu den größten Zentren für die Behandlung von Sarkomen in Europa und betreut jährlich mehr als 1000 Patienten.
Die Diagnose GIST hat ihr Leben völlig verändert: Früher hat sie mit ihrem Mann fünf Geschäfte für Geschenkartikel und Kunstgewerbe betrieben. Er kümmerte sich um die Finanzen, sie um alles von Einkauf bis Deko. Als sie aussteigen musste, gaben sie die Läden auf. „Im Vergleich zu meinem Berufsleben habe ich heute nur 20 Prozent Leistungsfähigkeit.“ Trotzdem sei sie dankbar: „Wir haben vorgesorgt und nur drei, vier Jahre früher aufgehört als geplant.“ Hart treffe es jüngere Patienten, die arbeitsunfähig seien.
Patienten hoffen auf neue Forschungsergebnisse
Auch über solche Sorgen könne man bei der Sarkomtour sprechen. Renate Schulze Hobbeling, die vor einigen Jahren erstmals dabei war und ein paar Runden mit dem E-Bike fuhr, radelt nun nicht mehr mit: Es sei zu anstrengend, das Rad an Treppen hochzuwuchten. Sie wird im Seaside Beach am See beim Grillen sitzen, sich mit anderen austauschen: „Es ist eine tolle Sache! Jeder bringt Salate oder Kuchen mit, man trifft Bekannte aus den Vorjahren, gibt sich Tipps.“ Ihr sportlicher Mann fahre derweil mit dem Rennrad etliche der See-Runden à 14 km.
Jeder Teilnehmer sucht Sponsoren, die pro Kilometer eine feste Summe zusagen: So kamen im vergangenen Jahr mehr als 100.000 Euro zusammen. „Professor Bauer sagt immer, das sei eine Art Anschubfinanzierung, mit der sich weiteres Geld für neue Forschungsprojekte und Projektanträge einwerben lasse.“ Neue Forschungsergebnisse werden beim Patienten-Tag vor der Tour zusammen mit der Deutschen Sarkom-Stiftung präsentiert. „Das ist spannend und gibt auch Hoffnung, wenn gerade ein neues Medikament erprobt wird.“ Sie nehme jetzt das vierte Mittel: „Es ist das Letzte – bis jetzt.“
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