Essen. Essens Wochenmärkte haben eine wichtige Funktion. Trotzdem geht es bergab, manche stehen auf der Kippe. Wie sich gegensteuern ließe.

Über 20 Essener Wochenmärkten haben wir in den vergangenen Monaten besucht. In Werden haben wir Familien, Künstler, Kirchenleute und Studenten an Marktständen vor historischer Kulisse getroffen. In Altenessen lernten wir Kunden und Kundinnen aus Borbeck und Rüttenscheid kennen, die dort Lebensmittel, aber auch Putzmittel und Kleidung kauften. Selbst kleine Märkte haben treue Kunden, doch was Angebot, Besucherzahl und Atmosphäre angeht, dürfte der Markt in Rüttenscheid in Essen deutlich vorne liegen.

Einige Wochenmärkte in Essen kämpfen ums Überleben

Es gibt also gute Beispiele und dennoch: Letztlich gibt es keinen einzigen Wochenmarkt, auf dem die Kennzahlen nach oben weisen oder wenigstens stabil bleiben. Selbst in Rüttenscheid registrieren die meisten Händler eine Tendenz nach unten, und wer genau hinschaut, sieht, dass der Platz selbst an schönen Sommersamstagen keineswegs ausgebucht ist.

Und manche Märkte kämpfen ums pure Überleben. Sie bestehen teilweise nur noch aus einem einzigen Stand, wie in Burgaltendorf und Bergerhausen. In Frintrop verkaufen Händler den ganzen Tag lang Salat, Eier und Kartoffeln und trotzdem kommen kaum Kunden vorbei. Und in Katernberg war trotz bestem Wetter in der Erdbeer-Hochsaison nur wenig Markt-Flair zu spüren.

Was haben wir auf unserer Reise über die Essener Wochenmärkte gelernt?

1. Die Händlerschaft ist teilweise überaltert, viele gehen demnächst in Ruhestand, Nachfolger sind schwierig zu finden: Jene, die doch mitten in der Nacht losfahren, um vormittags auf den Marktplätzen der Stadt zu stehen, müssen hoffen, dass Kunden und Kundinnen kommen, obwohl viele um diese Zeit arbeiten – längst betrifft das auch viele Frauen und Mütter, die vor einigen Jahren und Jahrzehnten am Vormittag noch die klassische Marktkundschaft bildeten. Kartoffelhändler Erich Denne lässt das Argument nicht gelten: „Wer Lebensmittel vom Wochenmarkt haben will, der kauft sich diese – vor der Arbeit, nach Feierabend oder er lässt sie sich von Verwandten und Freunden mitbringen.“

2. Hat ein Markt erst einmal an Attraktivität verloren, ist eine Trendwende schwierig: „Sechs Monate braucht es, bis sich rumgesprochen hat, dass es einen neuen Händler gibt“, sagt Johannes Maas, Vorsitzender des Werberings in Katernberg. Auf einem Markt, der gut funktioniert, schmerzt das weniger, als dort, wo schon seit Jahren nicht mehr viel los ist.

Wochenmärkte haben soziale Funktion in Essener Stadtteilen

3. Alle Märkte, auch die kleinsten, haben eine wichtige soziale Funktion: Bei Jochen Buers in Bergerhausen treffen sich wöchentlich die Nachbarn aus dem Stadtteil, quatschen miteinander, erzählen sich Tratsch und Neuigkeiten und kaufen nebenbei eben auch Käse. Buers ist in Bergerhausen komplett konkurrenzlos. Das hat auch Vorteile, wie Heinz-Jürgen Fastabend weiß. Er hat jahrelang lieber in Karnap seine Erdbeeren verkauft als in Rüttenscheid: „Da konkurriere ich mit vielen anderen Obsthändlern.“ Irgendwann ist er dann aber doch nicht mehr nach Karnap gefahren und alle anderen auch nicht. Den Markt dort gibt es nicht mehr.

4. Süd-Nord-Gefälle ist bei Wochenmärkten irrelevant: Der Markt in Altenessen brummt, trotz schwieriger ökonomischer Situation vieler Kunden und Kundinnen. In Bredeney hingegen haben zuletzt drei Beschicker aufgegeben, insgesamt zwei sind geblieben. Andersherum: Der Rüttenscheider Markt ist samstags zentraler Treffpunkt für viele, in Katernberg ist hingegen nichts los. Ob Markt-Händler im Norden oder Süden der Stadt ihre Ware anbieten, spielt für den (Miss-)Erfolg also keine Rolle.

5. Funktioniert ein Markt, profitiert der ganze Stadtteil: Das ist keine Überraschung, darf aber nicht vergessen werden. Wenn in Kettwig Markt ist, treffen sich Kunden und Kundinnen danach in den umliegenden Cafés, wer in Kupferdreh auf dem Markt einkaufen war, geht danach oft auch noch in den Drogeriemarkt oder zu Edeka und Aldi.

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Dieter Tischmann auf dem Wochenmarkt in Essen-Überruhr. Die Händler stehen oft mitten in der Nacht auf, um vormittags in den Essener Stadtteilen ihre Ware zu verkaufen.
Dieter Tischmann auf dem Wochenmarkt in Essen-Überruhr. Die Händler stehen oft mitten in der Nacht auf, um vormittags in den Essener Stadtteilen ihre Ware zu verkaufen. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Der Marktcheck hat gezeigt, dass Wochenmärkte in der Stadt durchaus Potenzial haben und man ihre Funktion nicht unterschätzen sollte. Dennoch könnten sie allesamt eine Auffrischung vertragen, damit sie zukunftsfähig werden und Publikum aller Altersschichten anziehen.

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Angefangen von einer Sozial-Media-Kampagne auf Facebook, Instagram und Co., über Foodtrucks vor Ort wäre da einiges denkbar, und auch über klassische Werbung könnte man nachdenken. Verantwortlich für solche Aktionen wäre die Verwertungs- und Betriebs GmbH Essen (EVB) als Betreiber der Märkte, die allerdings aktuell nichts dergleichen plant. Nicht wenige Markthändler sind darüber arg frustriert. Die EVB agiere zu bürokratisch, sei kaum kreativ, verwalte nur, statt zu gestalten.

Feierabend-Markt auf der Margarethenhöhe als Versuch

Als Zusatzangebot sinnvoll sein könnte auch ein Sparkassen- oder Bücherei-Bus, besonders in jenen Stadtteilen, wo diese Einrichtungen zuletzt schlossen. Der kürzlich etablierte Feierabend-Markt auf der Margarethenhöhe wird zudem zeigen, ob es für Händler nicht doch attraktiv sein kann, ihre Ware nachmittags anzubieten, auch wenn der Großmarkt schon morgens Anlaufpunkt für die Händler ist und sie ihre Ware länger kühlen müssten.

Wenn Märkte erfolgreich sind und die Beschicker dadurch mehr verdienen, wird der Beruf trotz der harten Arbeitszeiten vielleicht auch wieder attraktiv. Denn eines ist klar: Ohne Händler und Händlerinnen geht gar nichts.