Essen. Angebot, Besucherzahl und Atmosphäre – der Wochenmarkt in Rüttenscheid dürfte führend in Essen sein. Lücken gibt es mittlerweile aber auch hier.
Wochenmärkte sind in der Krise, doch der Rüttenscheider Markt fällt da doch deutlich heraus, denn zumindest an sonnigen Samstagen stimmt hier sehr viel. Wer Wochenmärkte mag, findet in puncto Angebot, Besucherzahl und Atmosphäre ein Einkaufserlebnis, das zumindest in Essen keine echte Konkurrenz hat.
„Ich würde sogar sagen, nach Münster ist der Rüttenscheider Markt der zweitbeste in NRW“, sagt Hermann Welp, der seit Jahrzehnten hier italienisch inspirierte Backwaren verkauft, aber auch auf anderen Märkten präsent ist. Mag Welps Urteil vielleicht lokalpatriotisch überhöht sein, Fakt ist: In Essen ist kein Wochenmarkt so beliebt wie dieser, mit weitem Abstand.
Das „Gesamtpaket“ Rüttenscheid stützt den Wochenmarkt
Eingebettet ist der Markt in den Einzelhandels- und Gastronomiestandort Rüttenscheid, der sich über Essen hinaus zu einem Anziehungspunkt entwickelte. Für Rolf Krane, den Vorsitzenden der Interessengemeinschaft Rüttenscheid, ist dieses Miteinander der eigentliche Trumpf: „Wer auf den Markt geht, kauft oft vorher oder nachher auf der Rü ein, trinkt dann noch irgendwo einen Kaffee oder gönnt sich ein Mittagessen.“ Das Wissen um ein solches Gesamtpaket beschere dem Stadtteil und damit auch dem Wochenmarkt aus der gesamten Region Zulauf von Besuchern, die hier ihr Geld ausgeben – zur Freude natürlich auch der Markthändler.
Komplett voll ist der Platz selbst an schönen Samstagen aber nicht mehr, insofern spürt auch Rüttenscheid die Grenzen der Institution Wochenmarkt. Es geht bergab mit Händlern und Kunden, wenn auch langsam und auf hohem Niveau. Am zweiten Markttag, dem Mittwoch – auch das gehört zur Wahrheit – „ist es deutlich ruhiger“, sagt Welp, und nicht immer lohne das Geschäft dann noch. Mittwochs sei aber immer noch mehr los als auf anderen Essener Märkten samstags, meint IGR-Chef Krane. Belastbare Zahlen gibt es keine, doch vom Eindruck her mag das stimmen.
Die Platzgestaltung ist nicht preisverdächtig, es dominiert das Funktionale
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An den fünf anderen Tagen der Woche ist der Marktplatz ein viel genutzter Parkplatz, was manchen stört, und tatsächlich wird man mit der Platzgestaltung keinen städtebaulichen Schönheitspreis gewinnen. Der Markt ist eine Asphaltfläche mit ein paar Bäumen drumherum und einem mäßig gelungenen Brunnen am Rand – das war’s. „Der Platz erfüllt seinen Zweck“, gibt Rolf Krane zu bedenken. Sicher könne man über Sitzbänke und mehr Bepflanzung reden, doch schon jetzt litten die Händler unter der Enge, vor allem beim Aufbau frühmorgens in der Dunkelheit. Wer die Händler fragt, hört daher fast unisono die Aussage: Bitte keine Möblierungs-Experimente auf unsere Kosten! Das Rangieren beim Aufbau und die anschließende Parkplatzsuche mit den Lkws seien schon schwierig genug.
Hermann Welp, der jahrelang mit seinem „Marktsingen“ dem Rüttenscheider Markt ein zusätzliches Bonbon bescherte, gibt zu bedenken, dass die jetzige Händler-Zahl mittelfristig nicht bleiben wird. „Wie ich selbst auch, haben viele Markthändler große Nachwuchsprobleme.“ Wer als Politiker den Rüttenscheider Markt erhalten wolle, sei gut beraten, den Händlern das Leben nicht zusätzlich zu erschweren.
Rüttenscheider Markt in Essen: Infos und Service
Markttage, Erreichbarkeit und Parkplätze: Samstag ist von 8 bis 14 Uhr, Mittwoch von 8 bis 13 Uhr geöffnet. Die in der Nähe lebenden Rüttenscheider kommen vielfach zu Fuß, sie sind gewissermaßen die Basiskunden. Die Straßenbahn 106 hält auf der Klarastraße quasi direkt an den Marktständen, besser geht es nicht. Wer mit dem Rad kommt, hat es schon schwerer, auch wenn es einige wenige Bügel zum Anschließen des Rades gibt. Noch schwieriger ist die Lage für Marktbesucher, die mit dem Auto kommen, denn das Parken ist hier sicherlich der neuralgische Punkt. Um den Markt herum und in den Nebenstraßen gibt es zwar viele kostenfreie Stellplätze, doch haben die Anwohner natürlich die Nase vorn. Das nächstgelegene Parkhaus ist ca. 400 Meter entfernt im Gebäudekomplex Rü 62 am Rüttenscheider Stern.
Vielfalt des Angebots: Samstags, oft aber auch mittwochs ist die Vielfalt hervorragend, geboten wird alles, was ein Wochenmarkt klassischerweise bieten muss – und einiges mehr. Es gibt mehrere Obst- und Gemüsestände von einfach-bodenständig bis gehoben-exotisch, ferner mehrere Fischstände auch hier mit leicht variierender Qualität und Preisgestaltung, Wildspezialitäten, Wurstwaren, gute Käsestände, Blumen, italienische und arabische Feinkost, aber auch beispielsweise gut sortierte Honig- und Kräuterstände. Socken und ähnliche Angebote im „Non-Food“-Bereich sind zum Glück nur Beiwerk und stören nicht.
Andere Einkaufsmöglichkeiten: Der Rüttenscheider Markt ist, siehe oben, eingebettet in eine funktionierende Einzelhandelsstruktur und gewinnt auch daraus seine Attraktivität.
Snacks und Aufenthaltsqualität: Sehr beliebt ist der Saftstand, der allerlei Frischgepresstes bietet, zu haben sind Standards, aber auch exotische Früchte. Und: Man kann sitzen und mal ausruhen. Auch das Kaffeemobil hat einige Sitzplätze, die Fischstände verkaufen Fischbrötchen „auf die Hand“. Hin und wieder bietet auch mal jemand am Brunnen eine deftige Erbsensuppe an.
Toiletten: Das große Problem. Es gibt welche auf der Rückseite des Kiosks, aber die Anlagen sind alt und abgenutzt und zum Mittag hin nicht immer sauber. Hermann Welp zufolge gibt es kaum noch einen Markt, der Händler und Kunden Derartiges bietet.
Sauberkeit: Auf dem Rüttenscheider Markt ist es eng, das Umfeld der Entsorgungscontainer ist oft ziemlich vermüllt. Aber so ist nun mal Wochenmarkt, es kann nicht so antiseptisch zugehen wie im Edel-Supermarkt.
Preise: Der Rüttenscheider Markt hat das Image, im Schnitt eher gehobene Preise aufzurufen, was teilweise auch stimmt. Auf jeden Fall ist das Preisniveau von Händler zu Händler sehr verschieden. Ohne weiteres kann man für einen Zwanziger frisches Gemüse und Obst für die ganze Woche kaufen, an den Edelständen kann die gleiche Menge aber durchaus das Dreifache kosten.
Ambiente und Sozialstruktur: Sozial gesehen ist dieser Markt ein Schmelztiegel. Man sieht Menschen, die erkennbar knapp bei Kasse sind, aber auch Bredeneyer Geldadel, der im 100.000-Euro-Oldtimer vorfährt, Normalo-Familien ebenso wie saturierte Altbau-Paare, Rentner ebenso wie trendige Youngster. Nur Einwanderer gibt’s auffallend wenige. Vor allem im Sommerhalbjahr ist der Markt auch ein Treffpunkt, an dem man mehr oder weniger zufällig Bekannten und Freunden über den Weg läuft und dann einfach für einen Schnack stehenbleibt. Auch das ist Wochenmarkt, wie er sein soll.
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